Hintergrund: Die Bezeichnung hereditäres Angioödem (HAE) steht für eine Gruppe genetischer Erkrankungen mit rezidivierenden, schmerzhaften und potenziell lebensbedrohlichen Gewebeschwellungen. Die häufigste Variante des HAE entsteht durch Mutationen im SERPING1-Gen, die zu einer eingeschränkten Funktion des Komplement-1-Inhibitors (C1-INH) führen. Seltenere Formen mit normaler Funktion des C1-INH können durch Mutationen im Gen für den Gerinnungsfaktor F12 ausgelöst werden, oft ist der genetische Hintergrund jedoch nicht bekannt. Vor kurzem wurde eine neue HAE-Mutation im Plasminogen (PLG)-Gen nachgewiesen.
Patienten und methodik: Wir untersuchten die unterschiedlichen klinischen Manifestationen des HAE bei 14 verwandten Patienten mit Hilfe von klinischen Befunden, biochemischen Analysen für C1-INH und C4 sowie der Gensequenzanalyse.
Ergebnisse: Die Symptome der Patienten konnten zwei verschiedenen Varianten des HAE zugeordnet werden. Bei zehn Patienten mit Schwellungen von Lippen und Zunge ohne Beteiligung der Extremitäten fanden wir eine Mutation des PLG-Gens (c.988A>G). Bei vier der 14 Patienten mit Schwellungen im Gastrointestinaltrakt und an den Extremitäten konnten wir eine Mutation im SERPING1-Gen identifizieren (c.1480C>T). In zweien dieser Fälle bestand zusätzlich eine c.988A>G-Mutation im PLG-Gen.
Schlussfolgerungen: Dieser bisher einmalige Befund von zwei verschiedenen HAE-spezifischen Mutationen in einer Großfamilie liefert nicht nur eine Erklärung für die divergierenden Phänotypen, sondern legt nahe, dass eine Korrelation zwischen Genotyp und Phänotyp besteht. Abdominale Schübe und Schwellungen an den Extremitäten sind bei HAE-C1-INH häufig, bei HAE-PLG jedoch ungewöhnlich.