Grundsatzurteil zu Suizidmedikament: Kein Mittel zum Sterben
Das Bundesverwaltungsgericht verweigert Sterbewilligen den Zugang zu Natriumpentobarbital. Es verweist alternativ auf Sterbehilfe-Organisationen.
Freiburg taz | Sterbenswillige haben keinen Anspruch auf den Erwerb eines Suizidmedikaments, denn sie können die Hilfe einer Sterbehilfe-Organisation in Anspruch nehmen. Das entschied an diesem Dienstag das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil.
Geklagt hatten zwei Männer, die nicht sofort sterben möchten, aber sich wegen ihrer schweren Krankheiten einen ausreichenden Vorrat des Suizidmedikaments Natriumpentobarbital beschaffen wollten. Harald Mayer leidet an Multipler Sklerose und ist vom Hals abwärts gelähmt. Hans-Jürgen Brennecke hat gerade mit Hilfe einer Chemotherapie den Lymphknotenkrebs überwunden.
Beide hatten versucht, eine Erlaubnis zum Erwerb von Natriumpentobarbital zu erhalten. Doch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Köln lehnte dies jeweils ab. Eine laut Betäubungsmittelgesetz erforderliche Sondererlaubnis sei nur zu Heilungszwecken möglich, nicht aber zur Selbsttötung.
Damit wurden keine Grundrechte der beiden Männer verletzt, entschied nun das Bundesverwaltungsgericht. Zwar liege ein Eingriff in das Recht auf selbstbestimmtes Sterben vor, doch sei dieser Eingriff gerechtfertigt. Natriumpentobarbital sei schließlich ein tödliches und leicht anzuwendendes Medikament. Hier sei der Schutz vor Missbrauch besonders wichtig.
Andere Sterbehilfe möglich
Verhältnismäßig sei die Verweigerung von Natriumpentobarbital auch deshalb, so die Vorsitzende Richterin Renate Philipp, weil es alternative Möglichkeiten gibt, sich medikamentös das Leben zu nehmen. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Anfang 2020 sei in Deutschland die Arbeit von Sterbehilfe-Organisationen wieder legal. Gemeint sind Dignitas, der „Verein Sterbehilfe“ und die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben.
Richterin Philipp stellte klar, dass die Entscheidung auch für Menschen in einer „extremen Notlage“ gilt. Hier hatte das Bundesverwaltungsgericht noch 2017 einen Anspruch auf Zugang zu Natriumpentobarbital anerkannt. Inzwischen verweisen die Leipziger Richter:innen aber auch hier auf die Sterbehilfeorganisationen.
Leser*innenkommentare
oldleft
Es ging doch im Verfahren darum: quasi auf Vorrat die Medikamente legal zu bekommen.
Auf Vorrat kann man auch bei einem Sterbhilfeverein sehr früh (kostet halt, aber darum ging es gerade nicht) schon mal Bedarf anmelden. Dass das dann dauern kann, hey, seit wann haben sich Bürokraten darum gekümmert?
Octarine
"Insgesamt kostet diese Freitodbegleitung circa 4.000 Euro,"
taz.de/DGHS-Praesi...rbehilfe/!5862104/
Was macht ein Mensch, der nicht genug Geld hat, um in Würde sterben zu können?
Ich überlasse es den Lesern, eine Antwort zu finden.
Gut und würdevoll ist da nichts.
Thing T. Thing
Ich hatte mich vor kurzer Zeit aus einem bestimmten Anlass mal umgehört:
Sterbehilfe scheint in diesem Land zu den Dingen gehören, die nur wohlhabenden Menschen vorbehalten sind. Sogenannte gemeinnützige Vereine dealen regelrecht mit dem Weg zur Erlösung.
Warum es bei dieser Klage ausschließlich um das Medikament Natriumpentobarbital ging, wird leider nicht näher erleutert.