Die Diskussion um Joshua Kimmichs Impfstatus zeigt: Emotionale Anschlussfähigkeit sticht Expertise. Das gesellschaftliche Gespräch ist abhängig von Faktoren, die auch für Journalisten bisweilen unbefriedigend sind.
Weltweit präsent, beliebt und fleißig genutzt: Wikipedia ist ein Erfolgsmodell. Doch unter den Mitarbeitern gibt es Streit: Soll das Lexikon weiterwachsen und einmal alles Wissen dieser Welt enthalten, oder soll es Unwichtiges ignorieren? Von Jochen Reinecke
In Bibliothekskatalogen kommt der 'Treffersortierung nach Relevanz' immer größere Bedeutung zu. Der Aufsatz beschreibt verschiedene Möglichkeiten zur Optimierung des Trefferrankings am Beispiel des Lucene-basierten OPACs der UB Heidelberg. Zur Bestimmung der Relevanz können die Inhalte einzelner Datenfelder analysiert und gewichtet, es können Kriterien der Popularität, der Verfügbarkeit oder der Bewertung eines Titels, oder auch Nutzerprofile berücksichtigt werden. Im Beitrag werden verschiedene Gewichtungsmöglichkeiten und Lösungsansätze für weitere Kriterien aufgezeigt.
Es geht also nicht um high versus low oder E versus U. Auch die Debatte um Inklusionismus versus Exklusionismus - kurz gesagt: "möglichst viele" versus "möglichst perfekte" Artikel - geht am Kern der Sache vorbei. Die Frage lautet nicht: Welches Wissen ist wertvoll genug, um in die Wikipedia aufgenommen zu werden, denn die berechtigte Gegenfrage würde immer lauten: wertvoll für wen? Die entscheidende Frage ist vielmehr: Wer kümmert sich? Die Community muss das Wachstum des von ihr verwalteten Artikelbestands in einem Rahmen halten können, der gerade noch zu bewältigen ist. Und das Mittel hierzu sind die über viele Jahre in endlosen Diskussionen entstandenen Relevanzkriterien.
Leider ist Relevanz in diesem Zusammenhang ein ziemlich dummes Wort. Wie gesagt, Wikipedia ist eigentlich eine postmoderne Enzyklopädie ohne ideologische Mission. Akribische Abhandlungen über physikalische Phänomene stehen neben Artikeln zu Pornofilmen, mittelalterlichen Handschriften und seltsamen Rockbands. Will man hier Aufnahmekriterien im Sinne eines Bildungskanons festlegen, kommt man schnell in Teufels Küche. Nein, es sind nicht Relevanz-, sondern "Hierum können und wollen wir uns kümmern"-Kriterien, für die die Weisheit der Massen irgendwann einen griffigeren und präziseren Namen finden wird.
Die ganze Debatte läuft in der Wikipedia selbst schon seit Jahren, und wenn man eine Lösung wollte, dann muss man die ganze Frage endlich transzendieren und Wege finden, die Ziele der beiden Gruppieren klar und positiv zu formulieren und dann innerhalb desselben Systems zu befriedigen. Das geht. Unterschiedliche Visualisierungen derselben Daten, Anzeigefilter, die Artikel unterhalb einer Qualitätsschwelle unterdrücken oder gar unterschiedliche Websites auf demselben Datenbestand sind ja technisch überhaupt kein Problem. Der ganze Konflikt besteht doch nur, wenn man meint, es gäbe eine Wahrheit, den Prozess des Ringens um diese Wahrheit aber nicht darstellt oder nicht darstellen will.