Die Polizei kontrolliert, die Schlupflöcher bleiben: Bis nach Deutschland sind es doch nur ein paar Schritte ...

BILD-Reporter mit der Bundespolizei an der sächsisch-polnischen Grenze

Eine Streife der Bundespolizei und tschechischen Polizei stoppte die Flüchtlinge in Ostritz.

Gemeinsam mit einem tschechischen Beamten stoppt eine Streife der Bundespolizei iranische Flüchtlinge in Ostritz

Foto: Peter Müller

Görlitz (Sachsen) – Einmal hätten sie 246 Migranten in nur 24 Stunden aufgegriffen, sagt Michael Engler (54) von der Bundespolizei. Man habe es mit einer „Massenmigration“ zu tun gehabt, über alle Grenzübergänge, und natürlich auch über die grüne Grenze seien die Menschen nach Sachsen gekommen.

Dann machte die Bundespolizei ernst. Seit dem 16. Oktober 2023 kontrollieren die Beamten rund um die Uhr an zwei Grenzübergängen nach Polen, an der A4 und an der Stadtbrücke in Görlitz. „Seitdem sind die Zahlen deutlich zurückgegangen“, sagt Bundespolizeisprecher Engler. Meist sind es nur noch eine Handvoll am Tag.

Die Bundespolizeiinspektion Ludwigsdorf überwacht mit rund 300 Beamten 97 Kilometer Grenze. Neben den beiden festen Kontrollstellen gibt es zwölf weitere Grenzübergänge, sechs für Fußgänger, zwei Eisenbahnbrücken und vier Straßenbrücken.

BILD-Reporter Bernhard Schilz (60) im Gespräch mit Bundespolizei-Sprecher Michael Engler (54) an der Kontrollstelle der Autobahn A4 bei Görlitz

BILD-Reporter Bernhard Schilz (60) mit Bundespolizeisprecher Michael Engler (54) an der Kontrollstelle der A4 bei Görlitz

Foto: Peter Müller

Auch wir, die BILD-Reporter, sind an den sächsisch-polnischen Grenzübergängen unterwegs. Der Verkehr fließt ungehindert in beide Richtungen. Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer, kaum einer muss seine Papiere zeigen. Die Polen kommen zum Arbeiten nach Deutschland, die Deutschen zum Tanken und Zigaretten kaufen nach Polen. Der ganz normale kleine Grenzverkehr. Migranten? Fehlanzeige.

„Wir können nicht rund um die Uhr kontrollieren“

„Wir können nicht alle Grenzübergänge rund um die Uhr besetzen“, sagt Michael Engler. „Der Rückgang der Migrantenzahlen in unserem Bereich liegt nach unserer Einschätzung vor allem an den immer besser gesicherten Grenzen zwischen Polen und Weißrussland, sowie zwischen Ungarn und Serbien.“

Palmen statt Polizisten. Über die Görlitzer Altstadtbrücke kann der BILD-Reporter ungehindert die Grenze passieren

Palmen statt Polizisten. Über die Görlitzer Altstadtbrücke kann der BILD-Reporter ungehindert die Grenze passieren

Foto: Peter Müller

Doch dann kommen wir nach Ostritz, eine 2500-Seelen-Gemeinde knapp 20 Kilometer südlich von Görlitz (Sachsen). Hier markiert die Neiße die Grenze. Eine Fußgängerbrücke führt über den Fluss, endet am Bahnhof auf polnischer Seite, an dem aber die deutsche Regio-Bahn hält.

Schleuser fahren die Flüchtlinge direkt an die Grenze

Ein beliebtes Schlupfloch für Flüchtlinge im Dreiländereck. Deshalb kontrollieren dort polnische, tschechische und deutsche Polizisten gemeinsam. Am Mittag hat die Bundespolizei hier zwei junge Ehepaare aus dem Iran aufgegriffen. Schleuser hätten sie mit dem Auto direkt an Grenze gebracht, von dort waren es nur noch ein paar Schritte nach Deutschland.

Die Fußgängerbrücke in Ostritz führt zum Bahnhof der deutschen Regionalbahn auf polnischer Seite

Die Fußgängerbrücke in Ostritz führt zum Bahnhof der deutschen Regionalbahn auf polnischer Seite

Foto: Peter Müller

„Wir wollen Asyl“, sagt einer der beiden Männer sofort. „Eine Tante von mir lebt in Deutschland. Wir hoffen hier auf ein neues Leben.“

Vor zwei Monaten seien sie aus dem Iran geflüchtet. „Meine Frau und ich sind vom Islam zum Christentum konvertiert. Im Iran sind wir deshalb nicht mehr sicher“, sagt der 29-jährige Elektrotechniker, der in seiner Heimat von einem Österreicher etwas Deutsch lernte. Das andere Ehepaar sei geflüchtet, weil sich beide im Iran politisch engagiert hätten. Wie und wo genau, das bleibt wegen der Sprachbarriere offen.

BILD-Reporter Bernhard Schilz im Gespräch mit den iranischen Flüchtlingen

BILD-Reporter Bernhard Schilz im Gespräch mit den iranischen Flüchtlingen

Foto: Peter Müller

„Gibt es in Deutschland geschlossene Camps?“

Beide Paare flogen von Teheran über Moskau nach Minsk in Weißrussland. Von dort ging es mit dem Auto nach Litauen. „Wir waren fast zwei Monate in einem geschlossenen Camp“, sagt der Iraner. „Männer und Frauen getrennt. Wir durften eigentlich das Lager nicht verlassen, sind aber aufgrund der schrecklichen Zustände abgehauen.“ Dann fragt er vorsichtig: „Gibt es in Deutschland auch geschlossene Camps?“

An der Stadtbrücke in Görlitz kontrolliert die Bundespolizei rund um die Uhr

An der Stadtbrücke in Görlitz kontrolliert die Bundespolizei rund um die Uhr

Foto: Peter Müller

Er ist erleichtert, als die Antwort „nein“ lautet. Wenig später steigen die vier Iraner in einen Streifenwagen, werden zur Befragung auf das Revier der Bundespolizei gebracht. Ob die beiden Paare in Deutschland bleiben dürfen, ist unklar. Offenbar wurden sie in Litauen registriert, behaupten aber, dort aber kein Asyl beantragt zu haben.

An diesem Mittwoch gibt es noch einen weiteren Aufgriff von Migranten. Um 21.15 Uhr stoppt die Bundespolizei an der Kontrollstelle Stadtbrücke Görlitz einen in Berlin lebenden Syrer (33), der gerade seine Frau (23) und deren Cousin (44) aus Polen holen wollte. Michael Engler: „Die beiden waren erst am Tag zuvor nach Polen zurückgewiesen worden, das wollte der Ehemann nicht akzeptieren.“

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