Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Hure, die

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GrammatikSubstantiv (Femininum) · Genitiv Singular: Hure · Nominativ Plural: Huren
Aussprache  [ˈhuːʀə]
Worttrennung Hu-re
Wortbildung  mit ›Hure‹ als Erstglied: Hurenbock · Hurenhaus · Hurenkind · Hurenlohn · Hurensohn · Hurenviertel · Hurenwirt
 ·  mit ›Hure‹ als Letztglied: Edelhure · Luxushure · Maulhure · Straßenhure · Systemhure

Bedeutungsgeschichte

Ursprünglich auch als neutrale Bezeichnung verwendet, wurde der Begriff lange Zeit im Unterschied zu Prostituierte meist abwertend, diskriminierend verwendet. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wird der Begriff auch als Selbstbezeichnung von Prostituierten verwendet und hat in der Folge neutraleren Charakter angenommen.
ZDL-Vollartikel

Bedeutungen

1.
oft abwertend Synonym zu Prostituierte, Nutte (1)
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: eine abgetakelte, blutjunge, drogenabhängige, männliche Hure
als Prädikativ: als Hure arbeiten
in Koordination: Huren und Freier, Stricher, Zuhälter
Beispiele:
In Frankreich ist Prostitution seit 1946 verboten. Das gebe den Zuhältern nur mehr Macht, meint B[…]. Besser sei es doch, wenn Huren unter guten Bedingungen arbeiten könnten. [Bild am Sonntag, 27.09.2020]
Kalte Kapitalisten sind ihnen auch begegnet. Männer, die auf ein gutes »Preis‑Leistungs‑Verhältnis« achten und »ihre« Huren anschließend sogar noch im Internet bewerten. Ja, das sind so Momente, in denen der Warencharakter der Prostitution extrem deutlich wurde. [Die Welt, 20.10.2020]
Dann flüchtet sie, wird Straßenkind in Nairobi, später Hure am Strand von Mombasa. [Die Zeit, 19.08.1999]
Er war süchtig nach dem Milieu rauchiger Kneipen und finsterer Typen, der Halbwelt von Huren, Zuhältern, Schwarzhändlern und Nachtschattengewächsen. [Die Zeit, 24.10.1997]
übertragen Er arbeitet als männliche Hure, schläft mit Frauen für Geld. [Bild am Sonntag, 19.01.2014]
a)
Phrasem:
eine heilige Hure (= Frau, die durch ihre Ausstrahlung und sexuelle Attraktivität Männer glücklich macht, aber nicht als unmoralisch zu verurteilen ist)
Beispiele:
Dazwischen flanieren sehr viele Bräute als heilige Huren vorbei: fließend weiße, plissierte und großräumig transparente Gewänder, sehr cool und sehr sexy. [Süddeutsche Zeitung, 21.01.2012]
Am schmerzhaftesten verdeutlicht die Rolle der Frauen das Dilemma [des Films, der in Klischees erstarrt, die er eigentlich aufbrechen möchte], denn während die Männer immerhin düster ihr belastetes Gewissen wälzen dürfen, können sie hier nur heilige Hure oder Femme fatale sein. [Der Spiegel, 15.09.2010 (online)]
Ihr Idol war die heilige Hure Vasumitra, die, einer altindischen Legende zufolge, durch ihre Liebeskunst jeden ihrer Freier zum Buddhismus bekehrte. [Der Spiegel, 06.12.2004]
Das Mädchen steht am Kai und wartet, wartet auf den einen, den sie so liebt wie keinen [in Anlehnung an den Text des Schlagers »Ein Schiff wird kommen« von Melina Mercouri]. Aber die große Liebe ist nur eine Schaumkrone auf dem Meer, und Melina, die heilige Hure, ist der Traum aller Matrosen. [Süddeutsche Zeitung, 28.07.2004]
Als heilige Hure gerät die Russin Irina, die mit der ganzen Kraft ihres unentwegt liebenden Herzens Eidgenossin werden will, ins Zentrum eines Politskandals. [Die Zeit, 10.08.2000]
b)
bildungssprachlich, metonymisch, abwertend
Phraseme:
die Hure Babylon
die babylonische Hure (= (oft eine Stadt, vor allem Rom als) Inbegriff, Sinnbild des Lasters, der Verderbtheit)
Beispiele:
Die Denunziation Roms als »Hure Babylon« ist zum Urmuster für das zivilisationskritische Ressentiment gegen die große Stadt als der Urheberin allen Lasters geworden. [Welt am Sonntag, 15.01.2006]
Die Tradition, Paris als wiedererstandene »Hure Babylon« zu dämonisieren, reicht bis ins Mittelalter zurück. [Die Welt, 10.12.2015]
»Je näher man an Rom ist, desto weiter ist man vom Himmel entfernt«, besagt ein italienisches Sprichwort. Für Martin Luther war Rom die Hure Babylon. Auch in der Gegenwart bleibt der Ruf der Stadt als Ort des Verderbens wach. [Süddeutsche Zeitung, 24.05.2014]
»Von wegen Mütterchen [Moskau]«, deklamiert er in seiner chaotischen Wohnküche; seine Heimatstadt sei eine »Hure Babylon«, die »Welthauptstadt der Sünde«. [Der Spiegel, 14.07.2008]
Albrecht Dürers »Babylonische Hure« von 1498 zeigt noch die auf einem vielköpfigen Drachen reitende Verfechterin irdischer Freuden, bekämpft von den Engeln. [Welt am Sonntag, 17.09.2000]
Papst Paul nennt er »Herrn Rotsocke« und Rom »eine babylonische Hure«, die Katholiken insgesamt sind für ihn »Lakaien«. Der rüde Papst‑Schmäher ist Nordirlands protestantischer Kirchenführer […]. [Der Spiegel, 16.12.1968]
2.
derb, Schimpfwort
Kollokationen:
als Prädikativ: jmdn. als Hure beschimpfen, bezeichnen
a)
verächtlich sexuell aktive oder als sexuell leichtfertig angesehene Frau
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: eine stadtbekannte, verdammte Hure
als Prädikativ: als Hure gelten
in Koordination: Hure oder Heilige
Beispiele:
Frauen rebellieren seit Jahren, sie kämpfen gegen die Rollen, die ihr Land für sie übrig hat – Hure oder Heilige, dazwischen gibt es nichts. [Der Spiegel, 29.11.2010]
Als große Sünderin [wurde Katharina die Große von Historikern auch dargestellt], als, ja Hure, die sich – was stimmt – diverse Liebhaber hielt, sich von ihnen auf den Thron putschen und den unfähigen Gatten ermorden ließ. [Die Welt, 22.10.2019]
Du hast Alfred betrogen, also wirst du auch mich betrügen. Eine dreckige Hure bist du, der letzte Dreck! […] [Schwanitz, Dietrich: Männer. Frankfurt a. M.: Eichborn 2001, S. 297]
Eine junge, dralle Blondine, die einen 90‑jährigen Milliardär heiratet und ihm die letzten Wochen seines Lebens verschönert, mag ja eine Hure sein. Aber wenn sie nach dem Tod ihres Greises dessen Milliarden geerbt hat, ist sie es nicht mehr. [Die Zeit, 22.12.1999]
[…] dem Bild der Mutter stand schon von Anfang an das der Hure gegenüber, die andere (sexuelle) Seite desselben Wesens. [Kurz, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus. Frankfurt a. M.: Eichborn 1999, S. 61]
b)
Schimpfwort sexualisiertes Schimpfwort für eine Frau
Synonym zu Schlampe (1 b)
Beispiele:
Wenn ich die Haltestelle zu spät anfahre, werde ich angepöbelt: Hure, dämliche Busfahrerin, Schlampe. [Bild, 14.02.2019]
Lange Zeit waren Frauen im Rap hauptsächlich Accessoire. Neben Autos und Schmuck zählten sie zu den Statussymbolen, mit denen Rapper ihre Videos ausstaffierten. Wenn Sie Glück hatten, durften sie den Refrain mitsingen, in dem sie oft genug als Schlampen oder Huren bezeichnet wurden. [Die Welt, 15.10.2020]
Einmal hat jemand einen Brief ohne Umschlag in den Rathausbriefkasten geworfen. Da stand: Silvia K[…], du Schlampe, Hure, Miststück, verrecken sollst du, lieber heute als morgen. [Süddeutsche Zeitung, 11.01.2020]
Ein Mann bedrängt und bedroht die Gemeindevorsitzende, unter anderem mit den Worten »Mich wundert nicht, dass Hitler euch vergast hat, euch Idioten.« und »Ab mit euch! Sonst schlag ich dich tot, du Hure [Welt am Sonntag, 13.10.2019]
Hier wird Wichtigeres noch gelernt als Rechtschreibung und Grammatik, nämlich Leitkultur: Zivil miteinander umgehen. Ausreden lassen. Verantwortung übernehmen. Die Klasse aufräumen. Sich entschuldigen, wenn man ein Mädchen »Hure!« genannt hat. [Die Welt, 07.12.2001]
c)
historisch weibliche Person, die durch außerehelichen Geschlechtsverkehr (oft auch durch den damit verbundenen Verlust der Jungfräulichkeit) ihr gesellschaftliches Ansehen verloren hat
Kollokationen:
in Präpositionalgruppe/-objekt: eine Frau, ein Mädchen zur Hure machen (= mit ihr außerehelichen Sex haben oder sie vergewaltigen)
Beispiele:
Die Flucht in die Kammer nebenan erweist sich für Evchen [in Heinrich Leopold Wagners Trauerspiel »Die Kindermörderin« von 1776] als Falle, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Nach der Vergewaltigung sagt sie zu der durch das Schlafmittel betäubten Mutter, »deine Tochter ist zur Hure gemacht« […]. [Luserke-Jaqui, Matthias: Buchstäblichkeit und symbolische Deutung. Tübingen 2021]
Er schrie: »Euch Weiber durchschaue ich! Aber ein Revolutionär läßt sich um so einen Preis nicht loskaufen! Wenn ein Proletariermädel nicht mehr Stolz hat, als sich von einem fetten Bourgeois zur Hure machen zu lassen!« [–] »So fett ist er gar nicht«, sagte Paula gelassen »und überhaupt, wer sagt dir denn, daß ich ein Proletariermädel sein will?« [Reger, Erik [d. i. Dannenberger, Hermann]: Union der festen Hand. Kronberg/Ts.: Scriptor 1976 [1931], S. 30]
Das Mädchen hätte sich vorsehen sollen [damit es nicht entehrt werde], meinte der Kaiser, man könne nicht für jede Hure in der Welt aufkommen. [Huch, Ricarda: Der Dreißigjährige Krieg. Wiesbaden: Insel-Verl. 1958 [1912/1914], S. 86]
3.
übertragen, abwertend Person oder Sache, die sich (gegen Geld) für einen moralisch verwerflichen Zweck hergibt
Beispiele:
Seine Schauspieler bezeichnete er [der Regisseur Uwe Boll] mal als »geldgeile Huren«[…]. [Die Welt, 16.10.2020]
»Hier hat«, resümierte ein Rechtsanwalt mit den Tränen des Zorns in den Augen, »die Justiz sich zur Hure gemacht, zum Büttel des Staates.« [Die Zeit, 13.03.1981]
Die Wissenschaft lässt sich zur Hure des Hochleistungssports machen. [Süddeutsche Zeitung, 13.12.2004]
Kunst hat sich von der sozialistischen Kulturpolitik zur Hure machen lassen. [Die Zeit, 10.02.2000]
Der Roman ist die Hure unter den Gattungen – der kann man alles Mögliche andienen. [Die Zeit, 01.07.1999]

letzte Änderung:

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Hure · huren · Hurerei · Hurenhaus
Hure f. ‘Dirne, Prostituierte’, ahd. huora (8. Jh.), mhd. huore, mnd. aengl. hōre, engl. whore, mnl. hoere, nl. hoer, anord. hōra, schwed. hora sowie anord. hōrr, got. hōrs ‘Ehebrecher’, (ablautend) frühnhd. herge, mnd. herge, herie ‘Dirne’ sind wie ahd. (9. Jh.), mhd. huor, aengl. anord. hōr ‘Ehebruch, außerehelicher Beischlaf, Unkeuschheit’ verwandt mit lat. cārus ‘begehrt, lieb, teuer, wert’, lett. kārs ‘lüstern, lecker’, air. caraim ‘liebe’, carae ‘Freund’, kymr. car ‘Freund’. Sie führen auf ie. *kāro- ‘lieb, begehrlich’ bzw. ablautendes ie. *kər-. Zugrunde liegt die Wurzel ie. *kā- ‘gern haben, begehren’, wozu (mit anderem Suffix) aind. kā́maḥ ‘Wunsch, Begehren, Liebe’ gehört. Vom Substantiv abgeleitet huren Vb. ‘mit Dirnen schlafen’, ahd. huorōn (9. Jh.), mhd. huoren, mnd. hōren, mnl. hoeren, horen, anord. hōra, schwed. hora. Hurerei f. (15. Jh.). Hurenhaus n. (15. Jh.), mnd. hōrenhūs; vgl. ahd. (um 800), mhd. huorhūs.

Typische Verbindungen zu ›Hure‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Hure‹.

Zitationshilfe
„Hure“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Hure>.

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