Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

M

M,
der dreizehnte buchstabe unseres alphabets. als solchen führt ihn unter den grammatikern des 17. jahrh. noch nicht Schottel, wol aber Stieler (hochteutsche sprachkunst s. 4) auf, während der spätere Hederich und der ihm folgende Steinbach (nach dem älteren brauche I und J als éin zeichen zu rechnen) M den zwölften buchstaben sein lassen. über die stellung des lautes innerhalb der sog. flüssigen (semivocales) vgl. oben sp. 1; in den urverwanten sprachen entspricht ihm im allgemeinen ebenfalls m (maus, ahd. mûs, kslav. myši, lat. mus, griech. μῦς, sskr. mûshî; same, ahd. sâmo, kslav. sěme, litt. sėmuͦ, lat. semen; um, mhd. umbe, ahd. umpi, lat. ambi-, griech. ἀμφί). neuhochdeutsches m ist nach seinem vorkommen im anlaute, inlaute und auslaute zu skizzieren, wobei rücksichtlich seiner berührungen mit dem nächstverwanten nasal n auch bd. 7, sp. 1 ff. zu vergleichen.
1)
im anlaute bindet sich m nicht, wie l, n, r, w mit andern consonanten (keine verbindungen km, pm, tm, zm, und in der alten sprache kein hm wie hl, hn u. s. w.). tausch mit w tritt nur selten auf; m für w in der weitverbreiteten und alten form mir für wir nos (selbst altnordisch, namentlich in alten norwegischen handschriften steht mér für vér, wie mit für den dual vit wir beide, vgl. Wimmer altnord. grammat. § 94ᵃ): im Deutschen mundartlich als mir, mer, mr über Oberdeutschland und Mitteldeutschland, die alemannischen, bairischen, fränkischen, hessischen, düringischen, obersächsischen und schlesischen sprachgebiete reichend, auch in älteren schriftlichen denkmälern, sowol in fällen, wo man assimilation annehmen könnte: darzu haben wir im all geraten und geholfen, indem mir gröszlichen unrecht gethon. Zimm. chr. 1, 104, 24; als auch in solchen, wo eine derartige annahme ausgeschlossen ist: jedoch mir muesten uf unser parthei zu allen theiln gelt haben. 4, 135, 27; von dem wir all den namen haben, dasz mir christen heiszen. Schade sat. u. pasqu. 3, 69, 4;
da zugent mir in das convent.
345, 30;
dar umb mer bidden uch und flehen,
das er (ihr) alle swiget stille
dorch unser lieben frawen wyllen.
mer woln hude spielen von der martel Jesu Crist.
Alsfelder passionsspiel bei Haupt 3, 482;
das hochdeutsche wacholder, wachholder ist als macholdere, macholder, machaldel, machandel ins niederdeutsche übernommen (brem. wb. 3, 108. Schütze 3, 70. Schambach 128ᵃ. Danneil 130ᵃ); umgekehrt trat w für m ein im alemannischen wan, geschwächt wen für man (Weinhold alem. gramm. § 167), ebenso im bairischen wan gleicher bedeutung, winter für munter, wurzab für murz, morschab (bair. gramm. § 136); übertritt des m in b in der präp. bit für mit (vgl. Weinhold mhd. gramm. § 149. Lexer mhd. handwb. 1, 285).
2)
m im inlaute ist der nasal vor labialen in den verbindungen mb, mp, mf, mpf.
a)
über mb und theilweise mp vgl. nachher c und no. 4 unter mm; mp tritt hervor als ergebnis einer assimilation in mit emp- zusammengesetzten verben, substantiven und adjectiven, wie empfangen mit seiner sippe, empfehlen, empfinden, ahd. int-fâhan, int-fëlhan, int-findan, mhd. entvâhen, enphâhen und auch schon emphâhen, entvelhen, enphelhen, entvinden, enphinden; in wimper, mhd. wintbrâ; ferner in empor, ahd. in por, mhd. en bor (vgl. th. 3, 433; in ambosz, mhd. anebôʒ, anbôʒ, haben wir mb behalten); wogegen ein nhd. empfallen zu gunsten des unassimilierten entfallen bald wieder gewichen ist (th. 3, 421), wie sich ebenso ein emperen für entbehren nur im 16. jahrh. findet, während verben wie entbieten, entblöszen, entbrennen, entfahren, entfalten, entfliehen, entfremden sich ganz oder fast ganz (empfremden th. 3, 522. 523) der assimilation verschlieszen. in entbeiszen (th. 3, 491), ahd. intpîʒan, ist dieselbe enthaltung sichtbar, während das dazu gehörige subst., ahd. impîʒ sich zur form imbisz und weiter sogar zu immisz, immes gewendet hat (th. 4², 2064). freilich werden jene unassimilirten verben und ihre ableitungen so nur geschrieben oder in sorgfältiger rede gehört; die nachlässige oder schnelle aussprache gewährt nichts anderes als empieten, emplöszen, emprennen, empfaren u. s. w., namentlich im süden.
b)
mf fand sich in goth. fimf (altnord. assimiliert fimm), ahd. fimf neben finf und funf, mhd. nhd. zwar vünf, fünf, aber die schreibung fümf, vumf hält sich mhd. lange (Lexer 3, 566); ebenso in ahd. samfti, semfti mit dem adverb samfto, noch mhd. semfte neben senfte und samfte, samphte, sampfte neben sanfte; in ahd. ramft, mhd. ramft und ranft. in diesen fällen ist nhd. die schreibung n durchgedrungen, aber die aussprache, zumal die des gewöhnlichen lebens, hält meist an fümf, samft, ramft fest. gleicherweise wird in kunft, vernunft, zunft jetzt ein n geschrieben, aber vielfach noch kumft, vernumft, zumft gesprochen (die der aussprache gemäsze schreibung kommt bis in das vorige jahrh. vor, über kumft th. 5, 2647; vernumft Steinbach 2, 136; zumft Schm. 2, 1125 Fromm.); auch der jägerausdruck brunft lautet brumft und schrieb sich früher so, vgl. th. 2, 430. in allen den aufgeführten substantiven ist m überdem etymologisch berechtigt. nicht so in senf, hanf, wo semf, hamf gesprochen und auch, wiewol selten, aber ebenso auszerhalb des gebietes des hochdeutschen, geschrieben wird (sinape semph Dief. 535ᶜ; vgl. schwed. hampa, dän. hamp hanf), wo aber zusammenziehung aus senef, hanef, ahd. senaf, hanaf vorliegt.
c)
m aus n entsteht zuweilen in compositen, wenn ein ihm unmittelbar folgender compositionstheil mit b oder m beginnt, so wird im mhd. und noch im 16. jahrh. die vorsilbe un- in solchem falle mehrfach als um- angetroffen: zu swilcher wîs ers (des gutes) abe gêt umbetwungen. Sachsensp. 2, 24, 2; iʒ sy beweglich oder umbeweglich. Magdeb. blume 2, 1, 45; ein iclich umbesprochin man. 2, 2, 62; so will ich euch dises streichs den ich umbschuldt (unbeschuldet) von euch entpfach, ingedenk sein! Zimm. chron. 2, 279, 21; ummaht für un-maht Lexer 2, 1910;
noch was der wîn umbezalt.
d. Wiener merfart 539;
kühner und selten ist es, wenn m im auslaute eines selbständigen wortes unter dem einflusse eines folgenden anlautes b oder m für n vorkommt: die har zusamem binden. Schertlin br. 38; macht .. dem beutel stumpf. Abele unordn. 2, vorr. 9ᵃ (vergl. dazu einige alem. beispiele bei Weinhold al. gramm. § 168);
da machat im mein herr zu ritter.
fastn. sp. 424, 22.
ein überbleibsel dieser assimilationsneigung ist uns in den eigennamen Würtemberg für Würtenberg, Wirtenberg, Homburg, Homberg für Honburg, Honberg (aus zer hôhen burc, zem hôhen berc, schon bei Notker uber Lybanum, hômberg ps. 71, Hattemer 2, 251ᵇ) erhalten, im 16. jahrh. schrieb man auch Wittemberg.
d)
vor pf steht in schreibung und sprache nur m: kampf, dampf, glimpf, schimpf, dumpf, strumpf, sumpf, und frühere schreibungen npf: esz hettent knaben geton in einem schinpfe. d. städtechr. 9, 1043, 15;
die starke gotes kenpferîn,
sînes gelouben stenpferîn.
Martina 109, 92,
fehlen im nhd. wol schon seit dem 16. jahrh. ausnahmslos. in den worten hampfel, mumpfel (vgl. th. 4², 322) aus hand voll, mund voll hat sich die lautgruppe mpf aus zusammenrückung und assimilation ergeben.
e)
übergang des inlautenden m vor t in n (kunt für kumt er kommt, sant für samt, sammet), vgl. th. 7, 2.
f)
übergang eines inlautenden m in b hat statt in erbel für ermel (th. 3, 715), marbel, marber für marmor (s. unten).
3)
m im auslaute.
a)
einst waltete es vielfach in flexionen des verbums wie des nomens, am verbum als zeichen der 1. pers. sing. ind. präs. mancher verbalclassen, ahd. hâpêm, salpôm, pim, tuom, gâm, stâm, im dat. plur. aller substantive, adjective und pronomina, ahd. tagum, wortum, gastim, sunum, gibôm, hanôm, zungôm u. a., guotêm, mildêm, dêm, dësêm, im, sëlpêm u. a.; dieses m geht schon in der spätern ahd. zeit in n über, und bleibt als solches im mhd. und nhd., so weit es nicht, wie in der schwachen conjugation, ganz abfällt (habe, salbe). m galt ferner im dat. sg. masc. und neutr. am adjectivum und pronomen: ahd. guotemu, dëmu, dësemu, wo es sich, inmitten der schwächung seiner umgebung im allgemeinen hielt und bis heute gehalten hat: mhd. guoteme, guotem, deme, dem, deseme, desem, nhd. gutem, dem, diesem. allerdings fehlen auch hier versuche nicht, dieses m jenem gleich zu behandeln und zu n abzuschwächen, versuche, die schon mhd. beginnen, und sich namentlich im 17. jahrh. bei schriftstellern mitteldeutscher heimat häufiger finden, bis sie die sprachliche achtsamkeit des 18. jahrh. wieder beseitigt; mhd. beispiele in groszer anzahl bei Weinhold mhd. gramm. § 465. 468. 487, hier nur eine kleine auslese späterer: wen der hof zu schwer wehre. weisth. 4, 644; mit silbernen schlagloth. Erker (1580) 36ᵃ; bei einen guten trunk Reihnwein. med. maulaffe 766; eine gattung von gemeinen lumpenpack. Chr. Weise kl. leute 220; so wuste ich allemal so eine artige lügente ihn vorzubringen, dasz er mir sein lebetage nichts sagte. Schelmuffsky 1, 11; mit einen guten degen. 37; sprich du zu deinen herrn wieder, ich liesze ihn sagen, warum er nicht selbst zu mir gekommen wäre. 38; vgl. auch jemanden neben jemandem theil 4², 2302;
und satzt sich ausz dem sonnenschein ..
auf ein hügel mit grünen mosz.
froschmäus. C 5ᵃ (1, 1, 2);
wie schön ein käiser doch in unsern lorbeer geht.
Fleming 223;
(ich will) mich freuen über allen,
was die herren lassen fallen.
P. Gerhard 322, 39 Gödeke;
doch musz auch unser tod zu schnöden lockaas dienen.
A. Gryphius (1698) 1, 274;
und gleichwol seufzet es bei blassen mondenschimmer ...
mit mühsamen getümmel.
Brockes 2, 143;
anders ist es, und schwache adjectivform nach vorausgegangener starker liegt vor bei Klopstock:
Gabriel sah ihn vor sich in süszem luftigen schlafe.
3, 36 (Mess. 1, 534);
wie umgekehrt z. b. Luther starke adjectivform auch nach dem artikel setzt: in dem grausam verkeretem wesen. 1, 285ᵃ.
b)
verwandelung des m in n am ende von bildungssilben in busen, boden, besen, faden, eiden u. a., vgl. th. 7, sp. 2, welcher vorgang vereinzelt sogar in einen abfall des auslautenden consonanten verläuft, vgl. fade für fadem, faden th. 3, 1231, gade für gadem, gaden th. 4¹, 1132, während in athem, odem, brodem der alte auslaut sich für schrift und sorgfältigere aussprache bis heute hält (wie er auch im mundartlichen kradem th. 5, 1931 haftet), in eidam selbst noch mit tieftoniger ableitungssilbe.
c)
übergang eines auslautenden m zu n im stamme, vergl. th. 7, 2; andere beispiele aus dem mhd. und der sprache des 16. jahrh. hat Schade sat. u. pasqu. 2, 361 fg. gesammelt.
d)
auslautendes m entstanden aus n nach r in thurm, früher thurn; früher galt auch harm für harn (th. 4², 481), wie sich mhd. einmal barm für barn findet (mhd. wb. 1, 143ᵃ, 16).
4)
die gemination mm ist altberechtigt in brummen, summen, schwimmen, amme, hamme, ramme, rammeln, stammen, stamm, schwamm u. a., in fremdwörtern wie summe, flamme, mammon; als zeichen der kürze des ihm vorhergehenden vocales gesetzt in hammel, hammer, himmel, kammer, kümmel, kummet, kommen, nimmst, nimmt, kommst, kommt, genommen, gekommen, imp. nimm! komm! in der ältern sprache, wo die kürze des vocals in nehmen durchaus noch bestand, ward auch nemmen geschrieben: nemmend war (gebt acht). Wickram rollw. 101, 9 Kurz; und noch bei Schiller: so nimmt (nehmet) doch nur vernunft an! räuber 5, 1 (im munde des alten Daniel); häufig auch steht mm als assimilation von mb in klimmen, krümmen, wamme, zimmer, imme, kummer, kamm, lamm, dumm, krumm, einfach in um, mhd. umbe, in amt aus älterem ambt für ambet, ambehte (die schreibung ammet begegnet aber auch Lexer 1, 48), und im lehnworte wams neben wammes, mhd. wambeis, wambas, wambeʒ. hier hat der sprachgebrauch zwischen mm und mb lange, und bei den einzelnen worten ungleich, geschwankt, wamme für wambe begegnet schon im 13. jahrh. nicht unhäufig, während formen wie krumb, umb, darumb, ambt sich noch in der schriftsprache des 17. jahrh. finden (mundartlich bis heute dauern), und es ist neben dem angegebenen triebe zur assimilation doch auch wieder eine solche neigung für die verbindung mb vorhanden, dasz die letztere in der ältern sprache auch für einfaches m, mm eintritt: schon mhd. begegnet z. b. für swam, swammes auch swamp, swampes, und im 16. 17. jahrh. stehen formen wie beruͤmbt (z. b. Hes. 26, 17), er kombt (bei Opitz kömpt : bestimpt theil 5, 1629), er nimbt, nicht vereinzelt; nemblich für nämlich Simpl. 4, 211 Kurz;
und wurff imbs (ihm es) von dem schlosz hienab.
H. Sachs fastn. sp. 1, 6, 188 Götze.
so hat sich auch frembd für fremd ergeben, das sogar weiter zu fremb, fremm ausartet (th. 4¹, 125). mm für mp in bammeln neben bampeln (th. 1, 1095. 1096), bummern neben bumpern (2, 516); mm aus mn ist schon früh geworden in stimme, ahd. stimma aus stimna (goth. stibna), später in zu-sammen, mhd. ze-samene, zesamne; verdammen, mhd. verdamnen (neben verdampnen); unser nennen hat sich aus ahd. nemnan ergeben, indem eine durch andere angleichung entstandene form nemmen, die mhd. und im ältern nhd. sich findet: das er etlich buchstaben und sunderlich etlich vocal kant und nemmen kan. Ulensp. no. 29, s. 41 Lappenb.;
söllind ir drum üch nit meister nemmen (: schemen).
N. Manuel 186, 1481 Bächtold,
vor jener gewichen ist. im lehnworte zimmet, zimmt steht mm umgekehrt für nm: ahd. cinment, später zinmend, und dann im 15. jahrh. zimmat, neben der volleren form cynnamet, die Luther braucht. in immer, nimmer ist mm die folge einer mit vocalkürzung verbundenen wortentstellung (êomêr, iomer, iemer, nêomêr, niomêr, niemer). in den formen im, am für in dem, an dem wird einfaches m geschrieben, doch verlangte man früher auch hier doppelte schreibung: am, cum, ist besser geschryben mit zwyfachem m, amm, dann es gilt an dem. Maaler 15ᶜ; mhd. lautete die zusammenziehung inme, anme.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1881), Bd. VI (1885), Sp. 1359, Z. 1.

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„M“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/M>.

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