Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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aufsatz, m.

aufsatz, m.
in mehrfacher bedeutung,
1)
was auf den tisch gesetzt wird, tracht, speise:
um vielen aufsatz darf mein tisch mich nicht verklagen,
der gurgel ess ich nicht, ich esse nur dem magen.
er besinnt sich noch ganz genau darauf, was man für gerichte bei dem ersten aufsatze gebracht hat. Rabener 1, 123;
prangte geformt vom konditor ein anschaunswürdiger aufsatz.
Voss 2, 216;
viel güldne schüsseln, teller, aufsätz und silberne gefäsze standen auf der tafel. Brockes 8, 294; ein aufsatz von porcellan. Gellert 3, 173.
2)
kopfputz der frauen: wird verurtheilet, mit sechs daumen hohen spitzigen schuhen und einem achtzehn daumen hoch aufgethürmten aufsatz von ziegenhaaren zu erscheinen. Wieland 13, 207; frisur und aufsatz waren gesuchter, sie war mit allen ihren juwelen geschmückt. Göthe 18, 320; äuszert uns der bräutigam, dasz wir ihm in einer morgenhaube besser als in dem schönsten aufsatze gefallen. 19, 287; wollt eben einen aufsatz probieren, sah einen frauenkopf auf einem geschnittnen steine, der haaraufsatz gefiel mir. Fr. Müller 3, 139.
3)
schmale, aufgenähte streifen am hemd oder kleid.
4)
aufsätze in zimmern:
verzierung der zimmer durch tapeten, aufsätze und alles schöne ameublement.
Kant 7, 187;
ofenaufsatz.
5)
aufsatz, was niedergeschrieben, zu papier gebracht, abgefaszt wird: kleiner aufsatz, zerstreute aufsätze, abhandlungen geringes umfangs.
6)
aufsatz, satzung, auflage, impositio, statutum, traditio: warumb übertreten deine jünger der eltesten aufsetze? Matth. 15, 2; warumb übertretet ir denn gottes gebot umb euer aufsetze willen? 15, 3; halten also die aufsetze (goth. anafilh) der eltesten. Marc. 7, 3. 5. 8; in solch vergessen und unacht füren uns die groszen gebrenge des ablasz und das engsten der aufsetz in der beicht. Luther 1, 85ᵃ; wir der vicarius, priores und brüdere des ordens s. Augustini zu Witemberg versamlet, haben von den gelübden, vom bettel und andern aufsetzen des ordens dermaszen, wie folget, beschlossen. 2, 1ᵃ; lesen wir doch, das die apostel haben der kirchen aufsetze und gebot gegeben uber die, so sie von Christo empfangen hatten. 3, 518ᵇ; und gehet also dis erste concilium gewaltiglich wider der menschen aufsetze. 3, 519ᵇ; zu dem, so ist diser artikel nicht ein lere oder aufsatz auszer der schrift von menschen ertichtet. 5, 490ᵃ; ir habt gottes gebot aufgehaben durch eure eigen aufsetze. 6, 27ᵇ; das man sie aber in gnaden müste halten, das war ein ubergebot und aufsatz, damit uns gott uber seine gebot beschweret und brandschatzet. 6, 28ᵃ; ich hab gehört, wie das e. f. gn. nach abgang dieses aufsatzes wolte eine andere (so) und vielleicht schwerer aufsetzen. br. 1, 78;
die land hart beschweren und schetzen
mit gar unbillichen aufsetzen.
H. Sachs I, 255ᵈ;
wies unter meim herr vatter war,
on alle aufsetz ganz und gar.
III. 1, 76ᶜ;
auch zu mehrung königlicher schetz
hat er gemachet viel aufsetz.
III. 1, 101ᵈ;
vil unnotig er aufsetz macht,
damit er die gemein beschwert.
Ayrer 259ᵃ;
ihr rechtsgelehrte, die ihr die aufsetze und gebote des gesetzes verstehet. pers. baumg. 4, 5.
7)
aufsatz, aufgeld, zinsen von dargeliehenem geld: wenn dein bruder darbet, so leihe im on aufsatze. Luther 1, 50ᵃ; sie leihen on aufsatz, halten guͦte pollicei. Frank weltb. 227ᵃ; ohn aufsatz, betrieglichen vortheil. Frankf. ref. 7, 6, 5.
8)
aufsatz, nachstellung, feindschaft, insidiae, ursprünglich wol aufgestelltes netz und garn: mir ist unverborgen mit was aufsatz dir heut etliche begegnet. Galmy 139; umb seiner tyrannei, geitzs und aufsatzs willen. Luther 3, 248ᵇ; darumb das er solchs alles mit unrechtem gut, durch aufsetz und würgen gewonnen. 3, 250; aus schalkheit und aus aufsatz. Keisersb. gunkel 8; mit list und aufsatz. Hedio com. 45; denn ihm der aufsatz nit ganz verborgen ist, so wir lang gegen ihn gebraucht haben. 166; von stund an sich zur herzogin füget, ir solchen aufsatz und hinderlist zu wissen thet. 183; die bedrächtliche ufsetz und anschlege, so uber in und seine brüder angestalt wurden. Aimon vorr.; bucher, die mit ufsatz und stracks mit ufgeworfen titel wider uns geschrieben sind. Reuchlin augensp. 15ᵃ; wie wol er mir meine wort mit ufsatz nit recht nachsagt. 38ᵇ; mit ufsatz oder usz fürsatz. Reuchlin verst. 9ᵇ; wenn das gewächs in seinem ersten und zarten alter ist, so erleidet es groszen aufsatz von den würmern. Muralt eidg. 56; sie werden zu fliegen bewegt, so sie gefahr oder aufsatz anderer groszen fische förchten. Forer fischb. 18ᵃ; als aber Benedictus den groszen ufsatz und unwillen gespürt, gab er das pabstumb uf. Tschudi 1, 17; die zu Athen haben ihr beste burger durch neid und aufsatz vertrieben. Rihel Livius 857;
thet vor den jungen sönen warnen,
vor iren aufsetzen und garnen.
H. Sachs III. 1, 178ᶜ;
sintemal gar oft auch verräterei und aufsatz durch markatender, sudler und andre ihres gleichen ist gebraucht und zuwegen bracht. Kirchhof mil. disc. 95; sintemal vor irem (der festungen) ausfall und aufsatz sicher weder ins läger noch daraus niemand ziehen kan. 197; dasz er zu dem streit all augenblick gerüst und durch kein aufsatz möge von den barbaren uberfallen werden. Fronsp. 3, 134ᵃ;
sie brauchen aufsetz, list und witz,
wie sie mich mögen fangen.
Waldis ps. 140, 2;
denn falken und die leidig katz
thun mir beide groszen aufsatz.
froschm. D 7ᵃ;
dasz du mögest ja das heer
und aufsatz alles leids vermeiden.
er ward durch aufsatz gefangen. Zinkgr. ap. 48, 27.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1852), Bd. I (1854), Sp. 718, Z. 12.

aussatz, m.

aussatz, m.
lepra, eine im alterthum weit verbreitete hautkrankheit, die unter sehr abweichenden namen auftritt. den Gothen hiesz sie þrutsfill, d. i. hautverdrusz, hautbeschwerde, entsprechend dem böhm. trud, poln. tra̜d. der ags. ausdruck war hreof oder hreofel, dem auch in einigen ahd. denkmälern hruf, ruf, riobsuht zur seite steht, mhd. überwog miselsuht. nie begegnet ahd. mhd. ûʒsaz für lepra, wol aber ein ahd. ûʒsâzeo oder ûʒsazeo für leprosus (Graff 6, 305) und mhd. ûʒsetzel, ûʒsetzic leprosus; diese scheinen eigentlich einen von der menschlichen gesellschaft ausgesetzten, ausgeschiednen zu bezeichnen (wie auch ûʒsetze anderwärts bedeutet non suo loco locatus. Oberlin 1914); es ist bekannt, dasz die miselsüchtigen abgesondert lebten, wie sie auch sondersieche hieszen. Die herleitung des sächlichen begrifs aus dem persönlichen hat etwas seltsames, wir begegnen hier wiederum einem willkommnen beispiel dafür, dasz der sprachgeist die vorstellung der sache aus empfindungen des personenverhältnisses hervorgehen liesz. nicht unähnlich war der ursprung unseres elend miseria und elend miser aus dem persönlichen alilanti exsul, captivus, oder unseres arm pauper aus dem persönlichen umarmt, bemitleidet (sp. 554). ûʒsazeo war also der seines unheilbaren übels wegen ausgesetzte, und bald fieng man an den leprosus überhaupt einen aussätzigen, endlich gar die lepra den aussatz zu nennen, ohne dasz weiter an die absonderung gedacht wurde, so wenig als bei elend an exil und gefangenschaft. Wer diese geschichte des worts bestreiten und annehmen wollte, aussatz meine vielmehr einen ausschlag, der aus der haut vordringe, sich aussetze, müste ein ahd. ûʒsaz = lepra aufweisen, nach welchem ûʒsazeo gebildet worden sei, und darthun dasz aussetzen soviel als ausschlagen, ausfahren bedeuten könne; die analogie von fraseʒ aerugo würde eher ein ûʒseʒ fordern. die gänzliche abwesenheit des sächlichen wortes neben den häufigen persönlichen räth aber jenes aus diesen abzuleiten. aussatz für lepra selbst mag erst im 14. 15 jh. vorkommen, mit aussatz ganz umbgeben findet sich fastn. sp. 797, 8; Diefenbachs wörterbuch von 1470 sp. 167 hat ausseczickeit, Dasypodius 114ᵇ aussetzigkeit, 300ᵃ aussatz, Maaler 45ᵇ aussatz; bei Luther wird aussatz ganz entschieden und sehr oft gebracht, offenbar nahm er es für das ausfahrende, sich ansetzende, für flecken, macula, und hatte keinen gedanken mehr an die aussetzung des kranken: wenn einem menschen an der haut seines fleisches etwas aufferet, oder schebicht oder eiterweisz (lucens pustula), als wolt ein aussatz werden. 3 Mos. 13, 2; besprengen den, der vom aussatz zu reinigen ist. 14, 7; so ists gewis ein fressender aussatz. 2 Sam. 3, 29; und da er mit den priestern murret, fuhr der aussatz aus an seiner stirn (vulg. orta est lepra in fronte ejus). 2 chron. 26, 19; alsbald ward er von seinem aussatz rein. Matth. 8, 3; gieng der aussatz alsbald von im. Marc. 1, 42; sihe da war ein mann voll aussatzes. Luc. 5, 12;
die pest
steckt die glieder selbst mit scharfem aussatz an.
Gryphius 1, 314;
er (Jesus) schaut der lamen lauf,
der aussatz musz vergehn.
2, 392.
figürlich heiszt es: aussatz (schandmal) der menschheit. Schiller 122ᵃ. man hat auch einen flechtenüberzug an den bäumen aussatz genannt. seinem eigentlichen gehalt nach könnte aussatz (wie ansatz, besatz, umsatz) das aussetzende oder ausgesetzte in manigfacher abstraction aussagen, die vorherschende der lepra scheint aber alle gehindert zu haben, Schmeller 3, 297 hat aussatz für tadel, man sagt aussatz, das ausgesetzte im spiel, seinen aussatz wieder gewinnen; anderemal steht aussatz für vorsatz (scr. rer. lusat. 2, 376); einigemal bezeichnet es, was das folgende aussatzung: der wird nicht stolz und hoffärtig werden, wann ihn andere leute höher schätzen und halten, als er nach aussatz (anschlag) seines eigenen gewissens ist. Schuppius 309. s. aussetzen und hernach aussatzung.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1852), Bd. I (1854), Sp. 943, Z. 33.

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Zitationshilfe
„aufsatz“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/aufsatz>.

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