Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

königin, f.

königin, f.
regina, ahd. chuningin, chuninginna, mhd. künigin, küniginne, künigîn, künegîn, küngin u. a., mnl. mnd. koninghinne, engl. aber queen (s. kone 2, b), altn. drôttning. Die formen wechseln anfangs. hd. im 15. 16. jahrh. zuweilen kunigen Dief. 490ᵃ, königen Petr. 86ᵇ, wie selbst schon später ahd. chuningen Graff 4, 447. gramm. 2, 171. 172. 320; dagegen auch merkw. mit doppelter endung küniginnin, in Murners geuchm.:
ich hat ein künigynnin schon ....
kam er in der künigynnin (l. künginnin) land.
kloster 8, 914,
auf derselben seite künigyn, aber 915 auch künegin, die sprache war eben damals noch in lebendigem flusse. natürlich auch küngin, z. b. Schwarzenberg 106ᵃ, s. könig II, 1, c. mit voller endung königinne Micrälius 1, 97 nach nd. weise, aber auch oberd. noch im 15. jh. küniginne H. v. Laufenberg bei Uhland 871. mit nachklang des mhd. -în auch künigein hörn. Seifr. str. 22 (: mein), wie kaiserein 30, doch nur im reime. Der pl. auch königin früher, wie bei allen diesen fem., z. b.: der zwo königin von Navarr und Engelland. Fischart bien. 133ᵃ (144ᵇ), mhd. vier künegîn Parz. 696, 7, ahd. kuningen pl. Graff 4, 447.
1)
eigentlich.
a)
do stuend die ander kron auch inn (in der kiste), damit man die edelen kuniginn auch gekront het zu Ungern. denkw. der Hel. Kottannerin 14 (9);
denn geht ihr nicht aus allen leidensproben
als eine königin hervor?
Schiller 410ᵇ.
b)
die mutter des königs heiszt, mit bei uns seltener anwendung der apposition, kurz königin mutter (Schiller 248ᵇ, der königin mutter in Denemark Elis. Ch. v. Orl. 232 Holl.), die verwitwete königin königin witwe, franz. reine mère und reine douairière, denen jenes nachgebildet scheint. denn die alte wendung für das erste war wol einfach die alte königin, wie noch das volk sagt. königin bedeutete nämlich bis ins 16. jh. oder länger königliche princessin, s. davon könig II, 3.
c)
der name galt auch von dem (ehelichen) verhältnis zwischen könig und königin: solt man den last sehen und betrachten, der in der ehe sich mit den jaren zuͦtregt, welche künigin wolt (würde) irem künig gfallen? Frank spr. 2, 68ᵇ, irem künig für ihrem gemahl. es war sicher mit künigin ebenso, wie altn. drôttning hans, 'seine königin' Möbius 65, engl. z. b. in Shakespeares Richard II. im personenverzeichnis queen to king Richard, 'könig Richards königin', vgl. schon ags. þäs câseres cvên Grein 1, 175, wo freilich die bedeutung gattin sich einmischt.
2)
Maria heiszt mhd. künigîn, genauer himelkünigîn, der engel küniginne u. a., mnl. coninghinne hor. belg. 10, 72. 73 u. ö., wie keiserin, vgl. himmelskönigin:
du edli küniginne.
Uhland volksl. 871,
und wie ernstlich das gemeint war, zeigt z. b. folg.:
ain junkfraw schön und auserwelt,
von künges stamm geporen.
844;
o königin, gnädige fraw,
o königin, o königin,
zu uns herab vom himmel schaw,
o königin Maria.
kath. kirchenlied (17. jh.);
o himmlische frau königin,
durch alle welt ein herscherin,
du herzogin zu Franken bist,
das herzogthum dein eigen ist.
Ditfurth fränk. volksl. 1, 47;
und also sprechend liesz sie das gewand
der hirtin fallen und als königin
der himmel stand sie da im glanz der sonnen.
Schiller 459ᵈ (jungfr. v. O. 1, 10).
ähnlich feenkönigin, zwergenkönigin, schlangenkönigin.
3)
übertragen, von frauen, jungfrauen.
a)
die geliebte heiszt schon mhd. des herzen küniginne oder blosz küniginne wb 1, 913ᵇ. 914ᵃ, vgl. besonders Tristan 22, 8 ff.:
vil werde küniginne ...
neinâ, küniginne!
minn. frühl. 93, 1. 24;
diu mich ir genâden ie verzêch von kindes beine ...
mînes herzen küneginne ich meine.
Neidhart 48, 7 H.;
genâde, ein küniginne!
Walther 118, 29;
wan nieman in der werlte lebt,
ern vinde sînes herzen küneginne.
MS. 1, 61ᵇ.
auf der schönen insel thronet
seines herzens königinn.
Bürger elegie als Molly sich losreiszen wollte;
und jeder schönen winzerin,
die uns die trauben las,
weih ich als meiner königin
ein volles deckelglas.
Hölty trinklied;
kröne dich der reif der hoheit, die geliebte wird ... deine königin sein. Immermann Münchh. 4, 61 (111).
b)
königin der schönheit, anmut, liebe u. dergl., die die schönheit wie ihr reich beherscht:
wie von auszen so von innen
dünkt auch nüchtern meinem sinn
sie der höchsten königinnen
aller anmuth königinn.
Bürger a. a. o.;
läszt zu einer solchen frage
die königinn der liebe sich herab?
Wieland Idris 1768 4, 58, später k. der reize.
altfranz. roine de biaute, aber von der jungfrau Maria Mätzner altfranz. lieder 39, 39.
c)
königin der frauen, die beste, herrlichste frau:
je dennoch ist sie weg, die königin der frauen,
der spiegel aller zucht.
Opitz 2, 99;
nun euch, ihr königin der tugendhaften frauen.
2, 108;
frau Aja ist die königin aller weiber. Wieland in Mercks briefs. 1, 247.
d)
herscherin, herrin: mir zur lust schuf er diese gegend zum paradiese ... ich bin eine königin in diesem gebiet. Schiller 311ᵃ; wenn sie (Luciane) .. sich vor allen auszeichnet und durch ein angebornes herschendes wesen sich zur königin des kleinen kreises macht. Göthe 17, 17. hauskönigin Garg. 64ᵇ (107) von der hausfrau.
e)
bei festen u. dgl.: die königin des festes, des balles, die schönste oder vornehmste, die gefeierte:
wo den sokratischen becher die schöne begleiterin kränzte,
Medons blühende braut, die königin unserer feier.
Neubeck gesundbr. (1798) 99.
auch unterm volke (man vergl. könig 8. 9), so auf der Eifel zur kirmes, wo 'die kirmesburschen' (s. d.) unter sich einen könig wählen und dieser unter den mädchen eine königin, s. Schmitz 1, 49; ebenso maikönig und maikönigin beim maifeste, franz. roi, reine de mai, nordd. maigraf, gräfin, s. myth. 738. 737, besonders s. 1225, da wählen und krönen geistliche und volk im 13. jh. zu ostern und pfingsten eine königin. könig und königin bei kinderfesten Meier schwäb. sagen s. 433. 438. blumenkönigin, rosenkönigin mögen ebenso aus alter volkssitte stammen, vergl. blumengraf myth. 735, blumenkönig (Fischart): nun sprichstu 'lieber got, ich muͦsz mir selber auch etwan nueren! wer kan allwegen mit ernst umbgon? solten wir (nonnen) nit etwan (manchmal) kürzweil suͦchen? solten wir nit 'ain künigin machen' und etwan auch also schimpf (scherz) treiben als ir weltlichen etwan thuͤend?' Keisersberg geistl. spinnerin M 5ᵃ, die das spiel anstellt, leitet. es heiszt aber auch das spiel selbst so, bei Fischart der königin (spielen) Garg. 167ᵇ (Sch. 308ᵇ); s. besonders Murner unter könig 9. in Boccaccios decamerone wird für jeden tag eine leitende 'königin' gewählt. in der Eifel findet sich auch die sitte, dasz die gemeinde die brautkrone hält, die eine jährlich gewählte königin in verwahrung hat. Schmitz 1, 53.
4)
von andern wesen und dingen.
a)
in der natur: bienenkönigin, vgl. könig 13;
(buhlten um sie) wie hummeln um ihre königin.
Wieland (1856) 10, 168, Gandalin 1. buch;
der büsche königinn, die holde nachtigall.
Brockes 1, 65;
die königinn der büsche.
die rose königin der blumen; königin der nacht, der mond, königin des tages, die sonne, letztere auch königin des lichts Uz 2, 169, des himmels. königin der Südsee, eine muschel.
b)
überhaupt unter mehrern seines gleichen das beste, herrlichste, herschende, vgl. könig 11, vorhin c:
wanne aller sprâche (pl.) lêrerîn
ist kriechisch. sô muoʒ jüdisch sîn
der sprâche muoter über lant ...
aber aller sprâche künigîn
über al die werlt ist latîn.
Renner 246ᵃ;
die königin der see ... Parthenope (Neapel).
Opitz 1, 35;
die Thonau ... der wässer königin.
2, 94;
diese königin der städte (Berlin). Lessing 12, 177;
das denkmal grauer zeit, der sonnenkinder sitz,
der städte königin (das alte Mexico).
Gotter 2, 370;
(Venedig) diese königin der meere. Klinger 4, 253; die weltkönigin Roma. J. Paul Tit. 4, 82;
und von der Donau flut, die stolz mit ihrem Wien
sich schwellt, der flüsse königin.
Haller (1777) 284;
sofort bemerkt' er einen baum,
die königinn der hohen buchen.
Lichtwer fab. 1, 9;
wie wann ein wintersturm die königinn der tannen
aus ihren wurzeln hebt.
Uz 1, 144 (91).
die königin im schachspiel, mhd. kuniginne myst. 1, 164.
c)
geistig: (hier lehre ich) wie diu sêle des lîbes chuniginne sî. welsch. gast s. 412, s. im gedichte 9482. 9551. 9588; da preiset man den gehorsam der kirchen, und nennet in ein königin aller tugent. Luther 7, 284ᵃ (Witt. 1572); die hoffart ist ein königin und wurzel aller sünden und laster. Albertinus narrenhatz 27; frau Untreu ist königin bei hofe. Simrock spr. 10774;
ein drängend heer (von begierden)! doch eine ward herlicher
vor allen andern! eine ward königin
der andern alle, deines bildes
letzter und göttlichster zug, die liebe!
Klopstock ode an gott;
allmächtge liebe! göttliche! wol nennt
man dich mit recht die königin der seelen.
Schiller 501ᵇ;
dein unsterblicher fusz weilet, o königin (fantasie),
an den quellen des morgenroths.
Hölty (1814) 128;
uranfängliche schönheit! königin der welt!
Göthe 13, 148 (künstlers erdenw.);
wahre königin ist nur des weibes weibliche schönheit,
wo sie sich zeige, sie herscht.
Schiller 85ᵇ;
die meinung, diese königinn der welt, ist es insbesondere in dieser stadt (Paris). ungen. bei Gellert (1784) 8, 88, meinung für öffentliche meinung.
5)
alchymistisch (s. könig 14):
erschien darauf mit bunten farben
die junge königin im glas.
Göthe 12, 58,
s. Düntzers erklärung des Faust (1850) 1, 205. das silber hiesz die königin alchymistisch, wie gold könig.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1868), Bd. V (1873), Sp. 1702, Z. 15.

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Zitationshilfe
„konigin“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/k%C3%B6nigin>.

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