Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

mäszig, adj. und adv.

mäszig, adj. und adv.
masz habend, in verschiedenen bedeutungen des substantivs; ahd. mâʒig, mhd. mæʒec.
1)
den umfang einer masz habend (vergl. das fem. masz 1, sp. 1727 unten, und masze 1, sp. 1731); bair. mäszig maszweise Schm. 1, 1659 Fromm.; alem. möszig, was eine masz hält Seiler 210ᵃ; im witzigen spiel mit der bedeutung 3, c unten (vgl. ähnliches unter masze sp. 1737): bair. mäszig trinken. Schm. a. a. o.; sowol! sagte der pfarrer, es gebühret mir aber rechte maasz zu halten. wol, antwortete jener, ein ehrlicher mann hält sein wort! und liesz ihm darauf einen mäszigen becher einschenken, denselben dem pfarrer zuzuzottlen. Simpl. 1, 106 Kurz;
sih eben um
den willigkum (den willkommbecher),
rund um und um!
auf dasz das mäszig gläsel
bald wider an mich kum.
Uhland volksl. 602;
auszerdem in zusammensetzungen mit zahlwörtern, eine zweimäszige kanne, ein dreimäsziger krug, ein funfzehnmäsziges fasz, von so viel inhalt.
2)
art und verhältnis habend (vgl. das fem. masz 4, sp. 1728 und masze 2, sp. 1732), gemäsz, conveniens; in der älteren sprache: wenn die kränch vliegent, sô setzent si sich wider den wint, und wenne si über daʒ mer vliegen wellent, sô eʒʒent si sant, dar umb, daʒ si mæʒig sein an der swær, sam Solînus spricht, und darumb nement si auch staindel in die füeʒ zuo dem selben flug. Megenberg 191, 16, um eine angemessene schwere zu erlangen, die dem winde widersteht; mit dativ: ain geltentz gut kaufen, swelches uns meszik sei. Schm. 1, 1661 Fromm. (von 1331); und mit genitiv: also die menschen, die nicht weiter thun, lassen oder leiden wollen, denn eben das sie ermessen können und begreifen, fülen, prüfen, die künden meines (gott spricht) verstands nicht meszig werden. Luther 3, 7ᵃ bei erklärung des spruches seid nicht wie rosz und meuler, die nicht verstendig sind, und nachdem in bezug auf thiere voraufgegangen, wo sie nicht fülen und prüfen, folgen sie nicht, und verstehen den geist nicht. später nur noch als zweites glied von zusammensetzungen, hier aber ungemein häufig verwendet, das erste glied zeigt eigentliche oder uneigentliche zusammensetzung, letztere mit genitiv: pflichtmäszig, rechtmäszig, gesetzmäszig; in circulmäszigen dingen. Fischart ehz. 18; berufsmäszig, frühlingsmäszig, volksmäszig, zwangsmäszig; feenmäszig (Wieland 12, 45), sklavenmäszig (1, 46) u. a.
3)
am gewöhnlichsten steht mäszig nach masz 5, sp. 1729 und masze 4, sp. 1734 mit betonung der beschränkung in der ausdehnung: mich dünkt, alle praktische weisheit der ganzen welt sei in diesen drei wörtchen: nichts zu viel, oder in dem einzigen wörtchen: mäszig, enthalten. Wieland 29, 152; in mehrfacher art.
a)
von dingen, die der grösze nach geschätzt werden können, nicht zu ausgedehnt, nicht gar grosz, dem kleineren sich nähernd (vergl. übermäszig, unmäszig):
der wurm ungehiure   raht sînen snabel her für:
sîn mûl wart im noch wîter   dan ein mæʒigiu tür.
Ortnit 571, 4 Amelung;
er solle sich ohn verzug nach ein paar mäszigen prügeln umsehen. ehe eines weibes 19; als er .. sich ein mäsziges gut kaufte. Göthe 17, 24;
ein mäszig feld, daran ein garten schlieszet,
ein steter quell, der nah am hause flieszet,
ein klein gehölz war meiner wünsche zug.
Hagedorn 1, 74;
ein schäferhund von mäszger grösze.
H. v. Kleist zerbr. krug, 9. auftr.;
das ist ein frischer und ein tüchtger strahl!
ein mäszger strom kann dieser quell einmal,
so gott der herr will, durch die lande dringen.
Freiligrath dicht. 1, 184;
oder von solchen, die nach umfang und menge geschätzt werden: mäsziges vermögen, modicae opes Steinbach 2, 54; ein mäsziger preis; haben um ein mäsziges geld in allen buchläden feil gestanden. Wieland 29, 59;
jüngling, so du wilt wirtschaft halten,
soltu mäsziger unkost walten.
H. Sachs fastn. sp. 1, 111, 357;
oder endlich von solchen der art nach bescheidenen, beschränkten: daʒ feur erlischt oft von übrigem plâsen und wirt wider enzunt von mæʒigem plâsen. Megenberg 72, 24; für sitze, schlafstellen und was man allenfalls sonst in einer mäszigen herberge verlangen könnte, war gesorgt. Göthe 21, 65; eine mäszige kälte, wärme;
Hofm. aus mäszigkeit entspringt ein reines glück.
Eug. wenn du ein mäszig ziel dir vorgesteckt.
9, 299;
adverbial: der apfel (des cederbaums) ist gel und hât dreirlai wesen an im, sam Jacobus spricht. daʒ auʒer tail hitzet, daʒ mitter tail ist mæʒig warm, daʒ dritt, daʒ inwendig ist sam des apfels herz, daʒ küelt. Megenberg 318, 10; ich bitte, wollet mich entschüldigen bei den meszig-verstendigen, denn der uberhoch verstendigen gunst und gnade, weis ich nicht zu verdienen. Luther 1, 288ᵇ; ich will hinfort meine stimme zwingen, und mäszig rufen. pers. rosenth. 4, 12; sein verstand, seine körperkräfte sind mäszig entwickelt.
b)
mäszig mit tadelndem beisinne, von nur untergeordneter art: ein mäsziger kopf, mediocre ingenium Steinbach 2, 54; in handwerks- und fabriksachen mochte er (Friedrich II.) wohl sich, besonders aber seinem volke, statt fremder vortrefflicher waaren, sehr mäszige surrogate aufnöthigen. Göthe 25, 105; die ersten lehrlingsproben eines Rafael, Tizian ... und von wem nicht sonst waren nichts weiter als schwache, von mäszigen künstlern gefertigte, auch wohl copirte bilder. 31, 218;
schreckensmänner wären sie gerne, doch lacht man in Deutschland
ihres grimmes, der nur mäszige schriften zerfleischt.
Schiller hist.-krit. ausg. 11, 126.
c)
mäszig, schranken haltend im essen und trinken, im genusz: ohne umlaut maszig, modestus frugalis, abstinens. voc. inc. theut. n 4ᵇ; gewöhnlich mit solchem: mäszig, der in allem maasz halt, moderatus, temperatus, parcus, frugalis, modestus, continens, sobrius. Maaler 281ᶜ; mäszig im trinken, nit trunken, siccus, sobrius, parcus et continens. 281ᵈ; mäsziger zimlicher mensch, mit kleinem wol vergnügt, frugalissimus homo. ebenda; so ein mäsziger fisch ist dieser, dasz er sich mit keinem aas in die fach reizen läszt. Forer fischb. 21ᵇ;
er greif der vrowen hin unde her:
'mich wundert hiute und immermêr,
wâ sô mæʒigeʒ wîp
næme alsô schœnen lîp,
sô veiʒt und sô gedrollen.'
S. Helbling 1, 1072;
es heiszt mäszig sein, bleiben, sich mäszig halten: sich mäszig halten, moderatione uti Steinbach 2, 54; wenn der magen meszig gehalten wird, so schleft man sanft. Sir. 31, 23; viel haben sich zu tod gefressen, wer aber meszig ist, der lebet desto lenger. 37, 34; es sol aber ein bischof unstreflich sein, eines weibes man, nüchtern, meszig, sittig, gastfrei. 1 Tim. 3, 2; so seid nu meszig und nüchtern zum gebet. 1 Petr. 4, 8; keiner arbeit was im zu viel, hitz und frost mocht er für ander leiden, essens und trinkens meszig, wachens und schlafens hett er kein acht. Livius von Schöfferlin 106ᵃ; der solle mit zierlichkeit der kleider mäszig sein. Schuppius 739; mach es nur mäszig (mit dem besuch des theaters). Göthe 18, 8;
ich armuͦt aber pleib fein meszig,
nüchter, gesundt, keüsch und demuͤttig.
H. Sachs fastn. sp. 1, 28, 210;
den ersten mäszig,
den andern fräszig,
den dritten tag toll und voll,
so bekömmt uns das aderlassen wohl.
Pistorius thes. par. 2, 11;
von jugend auf bedacht, arbeitsam, mäszig,
hatt er besiegt die kargen schicksalsmächte.
Uhland ged. 445;
von dingen, die solchem genusz dienen: zimlicher mäsziger brauch, usus temperatus. Maaler 281ᵈ; eine mäszige gasterei, moderatum, sobrium convivium. Stieler 1284; mäszige nahrung, moderati victus, ein mäsziger schmaus, moderatum convivium, mäszige speisen, moderatae escae, mäszige sitten, moderati temperatique mores. Steinbach 2, 54; adverbial: mäszig leben, parce, sobrie et continenter vivere, tenuiculo apparatu contentum esse. Stieler 1284; er gebraucht sich dessen mäszig, moderate hac re utitur. Steinbach a. a. o.; er führt sich mäszig auf, magna abstinentia est. ebenda;
ich kan gering und mesig zeren,
und nach dem wind den mantel keren.
H. Sachs fastn. sp. 1, 27, 171;
trink fürbasz ausz eim wasserbrunnen,
oder drink wein zimlich und meszig!
68, 472;
du dort, schenke mäszig ein!
denn erfahrung lehret,
scherz und freude scheucht der wein,
wenn er uns bethöret.
Stolberg 1, 118.
d)
mäszig, maszvoll, mit besonnener zurückhaltung in beziehung auf urtheil, empfindung, wort und that: moderatus meszig, ein meszig mensche Dief. 364ᶜ; her was zuchtig an geberdin, schemig an setin, meʒig an wortin, milde am gute. Ködiz 8, 4; her was meʒig an al dem des he began. 17, 15; so kann das jugendliche feuer eines brausenden geistes durch den bedachtsamern ernst des reifern mannes milder und mäsziger werden. Schiller hist.-krit. ausg. 1, 98; aber in diesen menschen stieg das griechische feuer einer mäszigen und ewigen liebe auf, wärmte ohne funken zu versprengen, und loderte aufrecht ohne zu knistern. J. Paul Qu. Fixl. 205; ich will mich entfernen, damit ich mäszig bleiben mag. Tieck 11, 61;
unträglich ist dein zorn, den du den sündern dräuest.
doch deine mildigkeit, die du hierbei verleihest,
ist mäszig ohne masz (überaus maszvoll).
die weisheit läszt von einer goldnen wolke
von zeit zu zeit erhabne sprüche tönen,
indesz auf wohl gestimmter laute wild
der wahnsinn hin und her zu wühlen scheint,
und doch im schönsten tact sich mäszig hält.
Göthe 9, 131;
ich soll entbehren, soll mich mäszig zeigen,
und so verdienen, dasz du mir vertraust.
148;
der mäszige wird öfters kalt genannt
von menschen, die sich warm vor andern glauben,
weil sie die hitze fliegend überfällt.
151;
herz. dasz doch gemäszigter dein trieb fortan
der ritterlichen übung sich erfreue!
Eug. dem ungemesznen beugt sich die gefahr,
beschlichen wird das mäszige von ihr.
276;
den willen meines kinds
zu mäsziger vernünftigkeit zu lenken.
312;
adverbial: ich nimb, sagt Amadis, so groszes gefallen, und frewde, ab dem, dasz ich e. l. sehe und höre, dasz ich mich nicht stark genug befinde, dieses hochvernügen mäszig zu tragen. Amadis 164; sodann, o liebster bruder, wann du verstand hast, ja damit du verstand habest, so theile mäszig unter der lieb deiner selbst und unter der lieb desz gemeinen nutzens, und mach, dasz du dir selbst der nechst seiest doch also dasz du andere nicht injurirest. Schuppius 757; alles diesz zusammen bewog die unterliegende parthei, ihre forderungen mäsziger einzurichten. Schiller hist.-krit. ausg. 7, 262; dasz sie (kinder aus gesitteten ständen) von eltern und lehrern angemahnt und angeleitet werden, sich mäszig, verständig, ja vernünftig zu betragen, niemanden aus muthwillen oder übermuth ein leids zuzufügen, und alle gehässigen regungen, die sich an ihnen entwickeln möchten, zu unterdrücken. Göthe 24, 104;
wer mag wohl überhaupt jetzt eine schrift
von mäszig klugem inhalt lesen!
12, 213.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1882), Bd. VI (1885), Sp. 1741, Z. 55.

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Zitationshilfe
„maszig“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/m%C3%A4szig>.

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