Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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mutwillig, adj. und adv.

mutwillig, adj. und adv.
mit mutwillen, mhd. muotwillec; in verschiedenen bedeutungen seines subst.
1)
(vergl. mutwille 1) freiwillig, aus eigenem antrieb: muotwillige gesellen (die freiwillig kriegsdienste thun). Justinger bei Lexer wb. 1, 2248; von mutwilligem ungfell (was man freiwillig erlangt). Brant narrensch. 45 überschr.; so wir mutwillig sündigen, nach dem wir die erkenntnis der warheit empfangen haben. Hebr. 10, 26 (ἑκουσίως γὰρ ἁμαρτανόντων ἡμῶν).
2)
nach eigenem belieben, willkürlich (vergl. mutwille 2): iʒ sint etelîche mûtwillige lûte under pfaffen und under leigen, di al zu sêre bûwen ûf iren eigenen sin und alsô geborn werden ûʒ blûte und ûʒ vleische und ûʒir ire eigen sinnekeit, und daʒ sint alleʒ valsche sinne. d. myst. 1, 34, 4; das er den spruch, quodcunque ligaveris etc. dahin deutet, das er gewalt hab, die ganze christenheit mit seinen mutwilligen gesetzen zu beschweren. Luther 1, 356ᵇ.
3)
am häufigsten nach mutwille 3, voll leichtfertiger bosheit, frevelhaften eigensinnes oder übermutes: mutwillig, protervus, vulg. widerspennig. voc. inc. theut. o 3ᵇ; muͦtwillig, procax, petulans, petulcus, lascivus. Dasyp.; wenn ein vernünftiger, ein gute lere höret, so lobet er sie, und breitet sie aus, höret sie aber ein mutwilliger, so misfelt sie jm, und wirft sie hinder sich. Sir. 21, 18; es ist oft einer alt von jahren und in muth ein muthwilliger bub. Lehmann flor. 1, 167; mutwillig sein, werden: muͦtwillig sein, protervire. Dasyp.; ein verwehnet kind, wird mutwillig, wie ein wild pferd. Sir. 30, 8; mancher loser sack ist so muthwillig, dasz, wenn sie ihr mühtlein anders nicht kühlen kan, so kühlet sie es an den kindern, stöst und schlägt dieselbe heimlich. Schuppius 349; mutwillige handlungen: muͦtwillige begärung, procacitas. Dasyp.; des muthwilligen unnöthigen appellirens wegen. reichstagsabschied von Speyer 1570, § 66; kein wein, korn oder meel muthwilliger weisz auslaufen lassen. reuterbestallung von 1570, tit. 69; und es eitel wucherer und leutschinder regnet, die mutwillige steigerung im getreide machen. Mathes. Sar. 3ᵇ; sondern treibet euren mutwilligen frevel mit mir. Henneberger preusz. landt. 392; dasz er sich sonder zweifel unterstehen werde, allerlei muthwillige handlungen anzurichten. Schweinichen 1, vorrede x; mutwillig, adverbial: ja mutwillig thut jr unrecht, im lande, und gehet stracks durch mit ewren henden zu freveln. ps. 58, 3; betler, die einmal unverschamt, muͦtwillig sich in betelorden geben haben. S. Frank sprichw. 2, 76ᵃ; mutwillig mit dem namen gottes scherzerei treiben. Kirchhof wendunm. 432ᵃ; darumb man sich vor abgötterei huͦten und fürsehen solle, damit man jhme nicht muthwillig zeitlich und ewigen schaden zufuͦge. Sandrub kurzweil 80; das setzt er auf das spiel, versucht gott, und kommt oft muthwillig umb alles was er hat. Schuppius 199.
4)
mutwillig, einem begehren geneigt, ein verlangen theilend (vergl. mutwille 4):
Judith sich zierlich gen jhm (Holofernes) neigt,
sich muthwillig gegen jhm erzeigt.
H. Sachs bei Schm. 1, 1696 Fromm.
5)
geil, wollüstig (mutwille 5): muͦtwillig, seinen gelüsten ergäben, dem wollust underworfen, libidinosus, lascivus, dissolutus, procax, protervus. Maaler 296ᵃ; ein ungehaltsamer, mutwilliger man, der sich mit seiner bulerin nebenzu vergisset. Fischart ehz. 20; mutwillige freiheit (vergesz der ehelichen treue). ebenda;
das erste und das gröste theil (der gäste)
wer (wäre) muͦtwillig, verwehnt und geil.
Grobian. H 2ᵃ (v. 1941).
6)
die heutige bedeutung von mutwillig (vergl. dazu mutwille 7) schlieszt sich an die von oben 3 an, hat aber gewöhnlich die frühere schärfe eingebüszt; mit tadelndem beisinn noch in mutwillig zerstören, verderben, ein mutwilliger bankerott, mutwillige vernichtung fremden eigenthums; sollte ich denn so eine fremde herrschaft wieder von meiner thüre wegfahren lassen? sollte ich einem andern wirthe so einen verdienst muthwillig in den rachen jagen? Lessing 1, 512; ergeben sie sich in ihr schicksal, dem sie muthwillig entgegen rannten. Göthe 14, 234; öfter ganz ohne solchen, wie fröhlich-keck, munter und ungebunden, an den sinn von ausgelassen streifend: man .. schweifte mit muthwilligem behagen über hohe und mittlere weltverhältnisse hin. 17, 110; eben so gab ihm der übergang von scherz und lust zu miszbehagen und krankheit und wie sich dieses bei einzelnen gliedern der gesellschaft gezeigt, reichen stoff zu muthwilliger schilderung. 28, 86; nach kurzer rast, frisch und mit muthwilliger behendigkeit, sprangen wir den von klippe zu klippe, von platte zu platte in die tiefe sich stürzenden fuszpfad hinab. 48, 119;
Marthe. und unser pärchen? Meph. ist den gang dort aufgeflogen.
muthwillge sommervögel!
12, 167;
mädchen, du bist muthwillig und wähnst, es bedeute was rechtes,
heute geboren zu sein, du achtzehnjähriges küchlein!
Voss Luise 1, 590;
was du für tand aussinnst, muthwillige!
3, 1, 176;
adverbial mutwillig springen, hüpfen; seine braunen locken flogen muthwillig im winde. Schiller hist. - krit. ausg. 2, 246 (räuber, trauersp. 2, 3);
die schleuderten stäbe, und schrieen halloh!
die sprudelten witze wie schlossen,
mir wards im herzen gar keck und froh,
muthwillig wie unter genossen.
mutwillig auch in die bedeutung von oben 5 überstreifend, ausgelassen, in bezug auf die forderungen der schamhaftigkeit: wo eine wahrhaftige Phryne an schönheit .. mit erröhtendem und lächelndem stolze sich endlich ganz nackend zeigte, in den verschämtesten, und muthwilligsten stellungen. Heinse Ardingh. 1, 406; ein unerschöpflicher vorrath von muthwilligen erzählungen und anekdoten. Wieland 6, 267; seine (Göthes) damals noch muthwilligere phantasie hatte die schranken der regel zu eng gefunden und übertreten. Schiller hist.-krit. ausg. 6, 240; in der that, mein herr, ihr gesetzter ton und ihr fast muthwilliger stil passen nicht sonderlich zusammen. Kotzebue dram. sp. 3, 221.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 15 (1885), Bd. VI (1885), Sp. 2835, Z. 46.

mutwilliglich, adv.

mutwilliglich, adv.:
mutwilliglich, proterve. voc. inc. theut. o 3ᵇ; muͦtwilligklich, proterve, proterviter, petulanter, libidinose. Dasyp.; muͦtwilligklich, mit unordentlicher begird, libidinose, licentiose, petulanter, proterve, impotenter. Maaler 296ᵃ; weis ers aber, und schreibet doch mutwilliglich also, ists so viel deste erger. Luther 3, 52ᵃ; hab ich drinnen etwa gefeilet (das mir doch nicht bewust, und freilich ungern einen buchstaben mutwilliglich wolt unrecht verdolmetschen) darüber wil ich die papisten nicht zu richter leiden. 5, 140ᵇ; mutwilliglich auf gnad und vergebung sündigen, ist nicht zu leiden. 383ᵃ; solchs wissen sie selbs wol, und doch frevelich und mutwilliglich schenden und lestern. 6, 281ᵇ; sie essen auf den bergen, und handeln mutwilliglich in dir. Hes. 22, 9; und reizten in mutwilligklichen zu krieg. Livius von Schöfferlin 11.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 15 (1885), Bd. VI (1885), Sp. 2837, Z. 3.

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Zitationshilfe
„mutwillig“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/mutwillig>.

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