Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

vorgehen

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GrammatikVerb · geht vor, ging vor, ist vorgegangen
Aussprache  [ˈfoːɐ̯geːən]
Worttrennung vor-ge-hen
Wortzerlegung vor- gehen
Wortbildung  mit ›vorgehen‹ als Grundform: Vorgang · Vorgehen
eWDG

Bedeutungen

1.
vorwärts, nach vorn gehen
Beispiele:
der Schüler geht zum Lehrer, an die Tafel vor
er sollte ans Rednerpult vorgehen
Militärzum Sturm, in Schützenlinie vorgehen
Wir mußten […] in Gräben vorgehen und geräuschlos kriechen [ RennKrieg337]
2.
umgangssprachlich vorausgehen
Beispiele:
du kannst schon vorgehen, ich komme gleich nach
er ließ sie vorgehen
3.
eine höhere Stufe in einer Rangordnung einnehmen, den Vorrang haben
Beispiele:
zuerst musst du deine Schulaufgaben erledigen, das geht vor
die Gesundheit, unsere Sicherheit geht vor
seine Arbeit ging allem anderen vor
der Anstand fordert, dass das Alter vorgeht
4.
bestimmte Maßnahmen ergreifen, in einer bestimmten Weise handeln
Beispiele:
energisch, streng, geschickt, unentschlossen, selbständig, rücksichtsvoll, mit größter Vorsicht, willkürlich vorgehen
er ging dabei methodisch und gründlich vor
wie soll man in dieser Angelegenheit vorgehen?
gegen jmdn., etw. vorgehen
gegen jmdn., etw. einschreiten
Beispiele:
gegen solche Verbrecher muss man mit allen Mitteln, mit aller Schärfe vorgehen
er wollte gegen die Schuldigen gerichtlich vorgehen
gegen derartige Äußerungen entschieden vorgehen
5.
die Uhr geht vordie Uhr geht zu schnell, eilt der Normalzeit voraus
in gegensätzlicher Bedeutung zu nachgehen
Beispiel:
deine Uhr geht zehn Minuten vor
6.
etw. geht voretw. geschieht (nach und nach), vollzieht sich
Beispiele:
irgendetwas (Geheimnisvolles, Sonderbares) war inzwischen vorgegangen
aus der Zeitung erfährt man, was in der Welt vorgeht
was mag in diesem Menschen, hinter seiner Stirn jetzt vorgehen?
er sah nicht, was um ihn herum vorging
mit ihm war eine Veränderung vorgegangen
was geht hier vor? (= was ist hier los?)
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
gehen · abgehen · Abgang · angehen · aufgehen · Aufgang · ausgehen · Ausgang · begehen · eingehen · Eingang · entgehen · ergehen · hintergehen · übergehen · Übergang · untergehen · Untergang · vergehen · Vergehen · Vergangenheit · vorgehen · Vorgang · Vorgänger
gehen Vb. ‘sich zu Fuß fortbewegen’. Im Paradigma von nhd. gehen sind die Formen von zwei verschiedenen, nicht miteinander verwandten Verben vereinigt. Das gemeingerm. starke Verb ahd. gangan (8. Jh.), mhd. gangen, asächs. aengl. gangan, mnl. ganghen, anord. ganga, got. gaggan gehört zu den reduplizierenden Verben und ist vielleicht als Rückbildung aus einem jan-Verb germ. *gangjan (vgl. ahd. zigengen ‘zergehen machen, vernichten’, um 1000, mhd. gengen ‘gehen machen, losgehen’, aengl. gengan ‘gehen, reisen, reiten’) anzusehen. Es ist verwandt mit 1Gang (s. d.) und außergerm. mit aind. jáṅghā ‘Unterschenkel’, jáṁhaḥ ‘Flügel, Schwinge’, lit. žeñgti ‘schreiten, gehen’ und vielleicht griech. kochṓnē (κοχώνη) ‘Stelle zwischen den Schenkeln, Hinterbacke’. Erschließbar ist ie. *g̑hengh- ‘schreiten, Schritt, Schenkelspreize, Schamgegend’. Auf dieses durch ahd. gangan vertretene Verb gehen das Prät. (ging) und das Part. Prät. (gegangen) von nhd. gehen zurück. Daneben steht gleichbed. ahd. gān (8. Jh.) und (zunächst nur bair. und frk.) gēn (8. Jh.), mhd. gān, gēn, asächs. -gān, mnd. aengl. gān, engl. to go, mnl. gaen, nl. gaan, anord. aschwed. , krimgot. geen, das ahd. nur durch den Infinitiv und athematisch gebildete Präsensformen (gām, gās(t), gāt usw. neben gēm, gēs(t), gēt usw.) belegt ist (vgl. aber aengl. Part. Prät. gegān), die Infinitiv und Präsens des nhd. Verbs gehen ergeben haben. Dieses Verb verbindet sich mit griech. (homerisch) kichā́nein (κιχάνειν) ‘erreichen, erlangen, antreffen’, aind. jíhītē ‘springt auf, begibt sich zu’ und führt auf eine Wurzel ie. *g̑hē-, *g̑hēi- ‘leer sein, fehlen, verlassen, fortgehen’, dann auch ‘gehen’, wobei eine Identität mit ie. *g̑hēi-, *g̑hē- ‘gähnen, klaffen, offenstehen’ erwogen wird (s. gähnen), da sich ‘fortgehen’ aus ‘klaffend abstehen’ entwickelt haben kann. – abgehen Vb. ‘sich entfernen, fehlen, sterben, abschreiten’, ahd. abagangan, -gān ‘aufhören, vergehen’ (um 1000), mhd. abegān ‘abnehmen, etw. versagen, fehlen’; Abgang m. ‘Weggang, Tod, Weg nach unten’, mhd. abeganc ‘das Hinabgehen, ein hinabführender Weg, Mangel, Abfall’. angehen Vb. ‘beginnen, betreffen, um etw. bitten’, ahd. anagangan, -gān, -gēn (um 800), mhd. anegān ‘anfangen, hineingehen, folgen, angreifen’. aufgehen Vb. ‘sich öffnen, emporsteigen, sichtbar werden’, ahd. ūfgangan, -gān, -gēn (8. Jh.), mhd. ūfgān, -gēn ‘aufgehen, sich erheben, entstehen, gedeihen’; Aufgang m. ‘Erscheinen, Weg nach oben, Treppe’, ahd. ūfgang (8. Jh.), mhd. ūfganc. ausgehen Vb. ‘fortgehen, sich aufbrauchen, enden, abzielen auf etw.’, ahd. ūʒgangan, -gān, -gēn ‘hinausgehen, aufhören’ (8. Jh.), mhd. ūʒgān, -gēn ‘heraus-, hervorgehen, über die Ufer treten, zu Ende gehen, sich verlieren’; Ausgang m. ‘das Hinausgehen, Schluß, Ende, Weg nach außen’, ahd. ūʒgang (um 800), mhd. ūʒganc ‘das Herausgehen, Ausgang, Ende’. begehen Vb. ‘besichtigen, entlanggehen, feiern’, ahd. bigangan, -gān, -gēn (8. Jh.), mhd. begān, -gēn ‘erreichen, antreffen, sorgen um etw., feiern, zu Grabe geleiten’. eingehen Vb. ‘hineingehen, eintreffen, sich mit etw. oder jmdm. beschäftigen, kleiner werden, schrumpfen, aufhören zu existieren’, ahd. ingangan, -gān, -gēn ‘hineingehen, ein-, betreten, eindringen, überfallen’ (8. Jh.), mhd. īngān, asächs. mnd. ingān, got. inngaggan. Eingang m. ‘Öffnung, Tür, Ankunft, Weg nach innen’, ahd. ingang (8. Jh.), mhd. īn-, inganc. entgehen Vb. ‘entkommen, nicht bemerkt werden’, ahd. intgangan, -gān, -gēn (9. Jh.), mhd. engān, -gēn ‘entkommen, fortgehen, verlorengehen, sich entziehen’. ergehen Vb. ‘angeordnet werden’, reflexiv ‘spazierengehen’, auch unpersönlich mir ergeht es gut, schlecht, ahd. irgangan, -gān, -gēn (9. Jh.), mhd. ergān, -gēn ‘zu gehen beginnen, kommen, geschehen, sich ereignen, einholen, zu Ende gehen’. hintergehen Vb. ‘betrügen, täuschen’, spätmhd. hindergān ‘von hinten herangehen, überfallen, betrügen’. übergehen Vb. ‘nicht beachten, übersehen, überlaufen, überfließen’, ahd. ubargangan, ubar(i)gān ‘überströmen, hinübergehen’ (8. Jh.), mhd. übergān, -gēn ‘übergehen, -fließen, vorübergehen, über etw. gehen, überfallen, übertreten’; Übergang m. ‘überführender Weg, das Überschreiten, Wechsel’, ahd. ubargang ‘das Herausgehen, Abweichung, Verderben, Seuche, Pest’ (8. Jh.), frühnhd. übergang ‘das Hinübergehen, Durchgang, Stelle, wo man hinübergeht’ (15. Jh.). untergehen Vb. ‘zugrunde gehen, versinken’, ahd. untargangan, -gān, -gēn (um 800), mhd. untergān, -gēn ‘dazwischentreten, überkommen, befallen, versperren’; Untergang m. ‘das Zugrundegehen, Scheitern, Sinken’, ahd. untargang (9. Jh.), mhd. underganc ‘Verderben, Sinken (der Sonne), Unterwerfung, Schiedsgericht’. vergehen Vb. ‘aufhören zu existieren, vorbeigehen, verstreichen’, reflexiv ‘gegen eine Norm verstoßen, ein Verbrechen an jmdm. ausführen’, ahd. firgangan, -gān, -gēn ‘vorwärtsgehen, verstreichen’ (9. Jh.), mhd. vergān, -gēn, auch ‘übergehen, meiden, auseinandergehen, sich verirren’; Vergehen n. ‘zu bestrafende Handlung, Verbrechen’ (18. Jh.), vgl. mhd. vergān ‘das Vorübergehen, Hinweggehen’; Vergangenheit f. ‘zurückliegende, verflossene Zeit’ (18. Jh.), in diesem Sinne grammatischer Terminus für Zeitformen des Verbs, die ein Geschehen oder Sein als vergangen darstellen (19. Jh.), vgl. di vergangen zeit (um 1400), die verlauffene Zeit (Anfang 17. Jh.). vorgehen Vb. ‘vorwärtsgehen, nach vorn gehen, den Vorrang haben, sich ereignen’, ahd. foragangan, -gān, -gēn (8. Jh.), mhd. vor-, vürgān ‘vorangehen, übertreffen’; Vorgang m. ‘Ereignis, Ablauf eines Geschehens, in den Akten festgehaltener Fall’, mhd. vor-, vürganc ‘das Vorausgehende, Einleitung, Vortritt, Fortschritt, Erfolg’; Vorgänger m. ‘in Amt oder Stellung Vorangegangener’, spätmhd. vorganger, -genger.

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

Priorität haben · Vorrang haben · an erster Stelle stehen · ganz oben auf der Agenda stehen · ganz oben auf der Tagesordnung stehen · schwerer wiegen · vordringlich sein · vorgehen · vorrangig behandelt werden · vorrangig sein · wichtiger sein · zuerst kommen  ●  prioritär (sein) geh.
Assoziationen
  • (die) Zeit drängt · (es ist) allerhöchste Zeit · (es ist) an der Zeit · (es ist) fünf vor zwölf · bedrohlich nahekommen (Termin) · brandeilig · dringend · eilig · es bleibt wenig Zeit · in engem Zeitrahmen zu erledigen · pressant · vordringlich · vorrangig  ●  (es ist) 5 vor 12 fig. · (es ist) Eile geboten geh. · (es ist) allerhöchste Eisenbahn ugs. · höchste Eisenbahn ugs. · höchste Zeit ugs. · zeitkritisch fachspr., Jargon
  • (absolute) Priorität haben · (absoluten) Vorrang haben · brennend (wichtig) · höchste Priorität haben · keinen Aufschub dulden · keinen Aufschub vertragen · von größter Wichtigkeit · von äußerster Wichtigkeit · äußerst dringlich · äußerst wichtig  ●  (jemandem) unter den Sohlen brennen fig. · Chefsache fig. · auf den Nägeln brennen fig. · unter den Nägeln brennen fig. · (es) muss eine (schnelle) Lösung her ugs. · hochnotwichtig geh. · von höchster Dringlichkeit geh.
  • Haupt... · größt · wichtigst  ●  (...) Nr. 1 fig., Abkürzung · (...) Nummer 1 fig.
  • angegangen werden müssen · anliegen · anstehen · zu erledigen sein  ●  zu tun sein ugs.
  • das Wichtigste (im Leben) sein (für) · die Hauptsache sein (für) · jemandes einziges Interesse gilt (einer Sache) · nur für eins Interesse haben  ●  alles dreht sich (nur) um (bei jemandem) ugs.
  • an erster Stelle (stehen / rangieren) · erst einmal · in erster Linie · vor allem · vor allem anderen · vorrangig · zu allererst · zuerst einmal · zunächst (einmal)  ●  erstmal ugs. · primär geh. · zuerst (kommen) ugs. · zuvörderst geh., sehr selten

abgewickelt werden · ablaufen (Ereignis) · im Gange sein · laufen · seinen Lauf nehmen · verlaufen · vonstatten gehen · vorgehen · über die Bühne gehen  ●  (sich) vollziehen geh. · gehen ugs., variabel
Assoziationen

(etwas) eindämmen · Maßnahmen ergreifen (gegen) · angehen (gegen) · bekämpfen · vorgehen (gegen)  ●  (einer Sache / jemandem) zu Leibe rücken fig. · zu Felde ziehen (gegen) fig.
Assoziationen

eine zu späte Zeit anzeigen · vorgehen (Uhr)  ●  ihrer Zeit voraus sein ironisierend · zu früh dran sein ugs.
Assoziationen
  • früher als normalerweise · früher als sonst · früher als üblich · ungewöhnlich früh(zeitig) · verfrüht · vor der Zeit · vorzeitig · zu früh  ●  seiner Zeit voraus geh., scherzhaft
  • auf eine spätere Zeit (ein)stellen · vorstellen (Uhr)
  • Uhrzeit · Zeit
  • falsch gehen (Uhr) · nicht die richtige (korrekte / wirkliche) Zeit anzeigen  ●  nach dem Mond gehen ugs., fig.
Antonyme

Typische Verbindungen zu ›vorgehen‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›vorgehen‹.

Verwendungsbeispiele für ›vorgehen‹

maschinell ausgesucht aus den DWDS-Korpora

Bei der Wahl der Platten solltest du nicht unbedacht vorgehen. [Braun, Anne u. Nell, Edith: Man muß sich nur zu helfen wissen, Leipzig: Verl. für die Frau 1971, S. 25]
Ich nahm mir vor, dieses Mal auf andere Weise vorzugehen. [Hasler, Ulrich E.: Eubiotik, Heidelberg: Haug 1967, S. 41]
Wir gehen für diese Überlegung in der umgekehrten Reihenfolge vor. [Weizsäcker, Carl Friedrich von: Bewußtseinswandel, München: Hanser 1988, S. 114]
Seinen eigenen Worten zufolge ist er tatsächlich in dieser Art vorgegangen. [Hijiya-Kirschnereit, Irmela: Selbstentblößungsrituale, Wiesbaden: Steiner 1981, S. 191]
Jetzt will man mit schärferen Bestimmungen gegen das »Abzocken« vorgehen. [Die Zeit, 16.09.1999, Nr. 38]
Zitationshilfe
„vorgehen“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/vorgehen>.

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