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Recyclingspezialist Metalle für 169 Millionen Euro verschwunden: Aurubis feuert drei Vorstände

Ein Aurubis-Schriftzug steht über dem Eingangstor zum Werk Ost in Hamburg
Aurubis – hier der Eingang zum Werk Ost in Hamburg – ist ein auf Kupfer- und Recycling spezialisiertes Unternehmen
© Georg Wendt / DPA
Beim Kupfer- und Recyclingspezialist Aurubis müssen drei Vorstände gehen – das hat der Aufsichtsrat entschieden. Auslöser waren massive Metalldiebstähle sowie ein Chemieunfall.

Nach lange unentdeckten Millionenschäden durch Betrug und Diebstahl bei der Hamburger Aurubis AG müssen Vorstandschef Roland Harings und zwei weitere Vorstände das Unternehmen vorzeitig verlassen. Das gab der Kupfer- und Recyclingspezialist am Dienstag nach einer Sitzung des Aufsichtsrates bekannt.

"Die drei Vorstandsmitglieder tragen damit den besonderen Herausforderungen der Aurubis im abgelaufenen Geschäftsjahr Rechnung, insbesondere mit Blick auf die schwerwiegenden Betrugs- und Diebstahlsfälle im Werk Hamburg und Vorkommnisse im Bereich der Arbeitssicherheit", hieß es in der Mitteilung. Im vorigen Jahr waren drei Mitarbeiter bei einem Stickstoff-Austritt bei Aurubis ums Leben gekommen.

Die Fälle von Diebstahl und Betrug waren lange unentdeckt geblieben. Das hatte auch Kritik am Risikomanagement der Unternehmensführung geweckt. Bereits kurz vor Weihnachten hatte der Aufsichtsrat den Vorstand deshalb quasi auf Abruf gestellt. Es sei nicht auszuschließen, dass es zu einer vorzeitigen Trennung von einzelnen oder mehreren Vorstandsmitgliedern komme.

Aurubis-Aufsichtsrat verzichtet auf Schadenersatz

Eine Anwaltskanzlei hat im Auftrag des Aufsichtsrates daraufhin die Verantwortung des Vorstands im Zusammenhang mit den Straftaten untersucht. Auf Basis des Rechtsgutachtens der Kanzlei hat nun "der Aufsichtsrat beschlossen, nach aktuellem Stand von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die drei Vorstandsmitglieder abzusehen."

Harings, dessen Vertrag eigentlich bis Mitte 2027 lief, hatte sich Mitte Dezember noch zuversichtlich gezeigt, "dass die Untersuchungen ergeben, dass wir hier mit allen Sorgfaltspflichten und mit aller Verantwortung das Unternehmen geführt haben". Zu Beginn dieser Woche berichtete das Unternehmen dann über "weit fortgeschrittene Gespräche mit drei Vorstandsmitgliedern" in Bezug auf die vorzeitige Beendigung ihrer Tätigkeit.

Nun verlässt Harings Aurubis zum Geschäftsjahresende am 30. September. Produktionsvorstand Heiko Arnold gibt seinen Posten bereits zum 29. Februar ab, Finanzvorstand Rainer Verhoeven zum 30. Juni. Allein die erst Anfang 2023 bestellte und für das Recyclinggeschäft zuständige Vorständin Inge Hofkens behält ihr Vorstandsmandat. Nachfolger für die drei ausscheidenden Manager stehen noch nicht fest. "Der Aufsichtsrat hat den Prozess für eine zeitnahe Besetzung der Positionen in Gang gesetzt", hieß es. Zudem wird das Aufsichtsratsmitglied Markus Kramer von März bis September aus dem Kontrollgremium in den Vorstand entsandt.

Metalldiebstahl und Chemieunfall

Aurubis war in mehreren Fällen bis in die jüngste Zeit das Ziel von Kriminellen. Unter dem Strich sprach das Unternehmen im Dezember bei der Präsentation der Jahresergebnisse für 2022/23 (30. September) von einem Fehlbestand an Metallen von 169 Millionen Euro. Die Bilanz des vergangenen Geschäftsjahres war zudem von einem tödlichen Chemieunfall überschattet. Dabei war Stickstoff ausgetreten; drei Männer im Alter von 24, 49 und 53 Jahren starben an den Folgen.

Finanziell besonders schmerzlich war für das Unternehmen ein großangelegter Betrug. Aufgefallen war dieser bei regelmäßigen Überprüfungen des Metallbestands. Es gab erhebliche Abweichungen vom Sollbestand sowie Abweichungen bei Sonderproben bestimmter Recycling-Lieferungen. Aurubis geht davon aus, dass manipulierte Proben mit hohen Gehalten wertvoller Metalle abgegeben wurden, die Lieferungen dann aber deutlich weniger wertvolle Metalle enthielten – wodurch letztlich überhöhte Rechnungen bezahlt wurden.

Gestohlenes Material mit 5000 Kilo Silber und Gold

Schäden richteten aber auch Edelmetall-Diebstähle an. So nahm die Polizei erst in der vorigen Woche einen Mitarbeiter beim Verlassen des Hamburger Werksgeländes fest. In seinem Rucksack waren nach Polizeiangaben mehrere Kilogramm eines Zwischenprodukts gefunden worden. Der Mann und zwei weitere Tatverdächtige sollen seit August vergangenen Jahres bei mehreren Diebstählen Material im Wert eines mittleren sechsstelligen Betrages entwendet haben.

Wegen ähnlicher Diebstähle im Jahr 2020 läuft zurzeit ein Prozess gegen sechs Angeklagte vor dem Landgericht Hamburg. Vier der Beschuldigten hatten am Montag ein Geständnis abgelegt. Die sechs Männer sollen Zwischen- und Nebenprodukte vom Aurubis-Firmengelände im Stadtteil Veddel abtransportiert haben. Das gestohlene Material soll laut Anklage rund 5000 Kilo Silber und Gold im Wert von insgesamt elf Millionen Euro enthalten haben.

tkr DPA

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