Will Karl Lauterbach das Gesundheitswesen neu ausrichten? Großstrukturen statt Praxen?
Mit den Gesetzesvorhaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach droht nach Einschätzung unseres Vorstands ein schleichender Systemwandel. Karl Lauterbach setzt auf Großstrukturen, die durch Kommunen oder den Staat gesteuert würden, nicht auf inhabergeführte Praxen, stellten Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Sibylle Steiner fest.
Bei Dr. Gassen entstand der Eindruck, dass Karl Lauterbach nicht nur die fachärztliche Versorgung ans Krankenhaus verlegen wolle, sondern auch die hausärztliche Versorgung, aber gleichzeitig würden den Vertragsärzten immer mehr Verpflichtungen aufgebürdet. So sollen sie künftig tagsüber neben ihrer Praxistätigkeit in Integrierten Notfallzentren (INZ) tätig sein.
Kioske und KI statt Praxen?
Wenn die Politik schon das #Gesundheitswesen grundlegend reformieren wolle, „dann mit Sorgfalt und im Dialog“, fordert Dr. Stephan Hofmeister. Der Minister spreche zwar mit allen, aber es gebe keine wirkliche Beteiligung. Auch die geplanten Jahrespauschalen für Hausärzte, die „einen tiefen, komplexen Eingriff“ in die Versorgung darstellten, seien wie andere Vorhaben nicht mit der KBV abgestimmt. Jetzt werde versucht nachzuschärfen, um das Schlimmste zu verhindern.
Anstatt die Praxen zu stärken, setzt man auf Gesundheitskioske, KI oder Primärversorgungszentren: „Das ist ein Paradigmenwechsel“, dass der Arzt oder die Ärztin nicht mehr der erste Ansprechpartner für die Patienten sein soll, sagte Hofmeister. Wenn ein anderes System gewollt sei, dann müsse man das der Bevölkerung sagen.
Bewährte Prinzipien werden über Bord geworfen
Die Politik will immer mehr „durchregieren“. Jüngstes Beispiel ist das geplante Gesunde-Herz-Gesetz, mit dem der Minister an dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorbei die Verordnung von Lipidsenkern per Gesetz regeln will, obwohl der G-BA bereits dazu berät.
Bewährte Prinzipien der evidenzbasierten Medizin, Methodenbewertung und des Wirtschaftlichkeitsgebots werden einfach „über Bord geworfen“, kritisierte Vorstandsmitglied Steiner.
Positiv bewertet Dr. Steiner die geplante Bagatellgrenze bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dadurch könnten rund 70 Prozent der Arzneimittelregresse verhindert werden. Ein großes Problem sind aber weiterhin Off-Label-Use-Verordnungen. Die ständige Unsicherheit, ob eine Regressforderung erhoben werde, ist untragbar und schrecke junge Ärzte von einer Niederlassung ab. Mit den vertraulichen Erstattungsbeträgen für Arzneimittel, die Lauterbach einführt, befürchten wir, dass sich die Regressgefahr noch erhöht.
Was kommt?
Am Mittwoch hatte das Bundeskabinett die #Notfallreform und das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz beschlossen, die beide auch die ambulante Versorgung betreffen.
Die parlamentarischen Beratungen zu den Gesetzentwürfen sollen nach der Sommerpause beginnen. Wir sind gespannt.
