[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K →‎Sekundärliteratur zur Laxdæla saga: Leerzeichen nach Punkt eingefügt
Xqbot (Diskussion | Beiträge)
K Bot: Entferne Vorlage: Navigationsleiste Isländersagas
 
(17 dazwischenliegende Versionen von 12 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1:
[[Datei:Guðrún Ósvífursdóttir 1994-07-09-00-150.jpg|mini|320px|GrabGedenkstein der Guðrún am [[Helgafell (Helgafellssveit)]] auf [[Snæfellsnes]]]]
Die '''Laxdæla saga''', die [[Isländersagas|Saga]] von den Bewohnern des ''Laxárdalr'' ('Lachsflußtal'), ist ein literarisches Werk des 13. Jahrhunderts. Sie steht gleichberechtigt neben anderen großen Sagas wie der [[Brennu Njáls saga|Njáls saga]], der [[Grettir der Starke|Grettis saga]] oder der [[Egils saga]], und bildet einen Höhepunkt der isländischen Erzählkunst des Mittelalters. Sie ist die erste Familienchronik, die bewusst zu einem literarischen Werk ausgearbeitet ist. Die Laxdæla saga gehört zu den längsten und komplexesten der [[Isländersagas]]. Sie thematisiert Ereignisse, die zwei der einflussreichsten Familien am [[Hvammsfjörður]] im 9. Jahrhundert bis ins 11. Jahrhundert betreffen, und die sich über sieben Generationen erstrecken.
 
== Entstehung und Verfasser ==
Die Laxdæla saga wurde sehr wahrscheinlich zwischen 1230 und 1250 verfasst, bezieht sich aber auf eine sehr viel frühere Zeit, denn die Genealogien der Saga reichen nur bis ins 11. Jahrhundert. Die Saga schließt die für die [[Geschichte Islands|isländische Geschichte]] so bedeutende Christianisierung (um 999 oder 1000) ein.<br />
Als Quelle für die Komposition seiner Saga benutzte der Autor sehr wahrscheinlich die mündliche Überlieferung. Das Material für seine Genealogien entlehnte er der [[Landnámabók]]. Die Sicht auf die isländische Gesellschaft ähnelt der in der ''Íslendingabók''.<ref>SörensenSørensen 2001 S. 79.</ref> Die in der Saga geschilderten Ereignisse liegen bis zu 300 Jahre zurück, und sollen sich in Westisland (im Westviertel), im Gebiet des [[Breiðafjörður]] und des [[Borgarfjörður (westisländischer Fjord)|Borgarfjörður]], insbesondere in der Umgebung von Hjarðarholt und Helgafell, zugetragen haben.<br />
Der [[Autor]] der Laxdæla saga ist unbekannt geblieben. Er muss aber ein viel belesener, gebildeter Mann gewesen sein, der in seiner Saga geschickt die Stilmittel der kirchlichen Literatur seiner Zeit einsetzte. Er war wahrscheinlich ein Geistlicher, der sich aber auch von den mittelalterlichen [[Ritterroman]]en, die seit dem 13. Jahrhundert zunehmend ins Isländische übersetzt wurden, inspirieren ließ.
 
== Stilistische Mittel ==
In seiner Saga verwendet der Autor eine [[auktoriale Erzählsituation]]: er ist gleichzeitig Erzähler (Auctor), Schöpfer und Erfinder seiner Geschichte, ein allwissender Erzähler, der selbst nicht an der Handlung teilnimmt. So weiß er immer genau, was seinen Protagonisten zustößt, gleichgültig zu welcher Zeit und an welchem Ort. Er kommentiert das Geschehene, und mischt sich in die Ereignisse ein. Seine Sicht auf den Handlungsablauf bleibt dabei äußerlich, ein Perspektivenwechsel - innere Befindlichkeit, äußere Realität - findet nicht statt. Er berichtet unpersönlich, ohne je selbst aktiv das Wort zu ergreifen. Erkennbar ist der auktoriale Erzähler auch an dem durchdachten Textaufbau einer Isländersaga. Wirklichkeitsnähe und naturalistische Lebendigkeit charakterisieren die Laxdæla saga, wie jede andere Sagas der gleichen Gattung.
 
Die inneren Prozesse seiner Protagonisten artikuliert der Autor in knappen, aber sehr präzisen [[Dialog]]en. Die Personen der Saga porträtiert er deutlich in ihren hervorragendsten Eigenschaften, Fähigkeiten und Kompetenzen, Stärken und Schwächen. Er macht sie durch Kleidung, Aussehen und Auftreten lebendig und als Persönlichkeiten für seine Leser wahrnehmbar. Seine persönliche Einstellung und Meinung, hinsichtlich Handlung und Kommunikation sowie der Qualität der Beziehungen seiner Protagonisten, verbirgt er geschickt hinter dem Urteil der Allgemeinheit, meist enthält er sich subjektiver Stellungnahme und Kommentar.
Zeile 24:
== Synopsis ==
[[Datei:Laxardalur 3.jpg|mini|Blick über Laxárdalur nach Höskuldsstaðir.]]
Die Laxdæla saga fokussiert auf die Nachkommenschaft des Ketill flatnefr, eines einflussreichen [[Herse (Wikinger)|Hersen]] aus Raumsdalr in Westnorwegen, der mit seiner Tochter Unnr djúpúðga und anderen Verwandten vor den Macht- und Territorialansprüchen von König [[Haraldr hárfagra]] (Schönhaar) nach Schottland flieht. Seine Söhne, die von den unbegrenzten Siedlungsmöglichkeiten auf Island gehört haben, segeln dorthin. Nach dem Tod ihres Vaters zieht Unnr auf die [[Orkney]]s und [[Färöer]] weiter, und von dort schließlich auch nach Island in den Breiðafjörður, wo sie sich in Hvammr ansiedelt. Dort verheiratet sie ihre Enkelin Þorgerðr mit einem gewissen Kollr und gibt ihr als Mitgift Land im Laxárdalr. Ihr beider Sohn ist Höskuldur. Nachdem Unnr ihre Gefolgsleute versorgt und ihren Enkel Ólafr feilan verheiratet hat, stirbt sie. Kollr stirbt bald nach ihr, und Höskuldr übernimmt den elterlichen Hof und nennt ihn Höskuldsstaðir. Höskulds Mutter Þorgerðr reist nach Norwegen zu ihren Verwandten, wo sie den reichen Lehnsmann Herjólfr heiratet. Ihr gemeinsamer Sohn ist Hrútr. Nach Herjólfrs Tod kehrt sie zu Höskuldr nach Island zurück, und bleibt bis zu ihrem Tod dort. Höskuldr übernimmt nach Þorgerðs Tod auch das Erbe seines Halbbruders Hrútr. Höskuldr heiratet Jórunn Bjarnardóttir und hat mit ihr vier Kinder: Þorleikr, Bárðr, Hallgerðr und Þuríðr.
 
Höskuldr, der ein mächtiger und einflussreicher Mann geworden war, verspricht seinen Nachbarn Unterstützung gegen den Unruhestifter Víga-Hrappr, fährt aber dann nach Norwegen um Bauholz einzukaufen. In Norwegen erwirbt er auch die stumme Sklavin Melkorka von einem russischen Kaufmann. Nach der Rückkehr nach Island wird Ólafr pái geboren, Höskulds Sohn von Melkorka, die sich als irische Prinzessin, Tochter des Irenkönigs Mýrkjartan, zu erkennen gibt.
 
Der erste ernsthafte Konflikt zwischen den Nachkommen des Ketill flatnefr entzündet sich zwischen den Halbbrüdern Höskuldr und Hrútr um das gemeinsame Erbe. Höskulds Besitzstreben verletzt die Rechte Hrúts.<br />
Hrútr, der lange bei seinen Verwandten in Norwegen lebte, kommt schließlich auch nach Island, und fordert von Höskuldr sein Muttererbe, das dieser ihm aber verweigert. Nach Jahren geduldigen Wartens stiehlt Hrútr mit einer Schar angeworbener Männer einen Teil von Höskulds Vieh, und tötet bei einer Auseinandersetzung einige der Knechte Höskulds, die dem Vieh nachjagen, um es zurückzugewinnen. Auf den Rat seiner Frau Jórunn vergleicht sich Höskuldr mit seinem Halbbruder Hrútr; der Streit zwischen beiden wird beigelegt.<br />
Höskulds Kinder werden erwachsen, und Melkorka sendet Ólafr pái zu ihrem Vater nach Irland. Ólafr beschließt allerdings vorher nach Norwegen, zu König [[Harald II. (Norwegen)|Harald Graumantel]], zu reisen, um sich am Hof vorzustellen. Nach Island zurückgekehrt heiratet er Þorgerðr Egilsdóttir, die Tochter des Skalden [[Egill Skallagrímsson]]. Sie haben fünf Kinder: Þuríðr, Kjartan, Halldórr, Steinþórr, Bergþóra und Þorbjörg.
 
Zeile 36:
Ungefähr zur selben Zeit wird Bolli geboren, Þorleiks Sohn und Höskulds Enkel. Aber schon kurz darauf stirbt Höskuldr, der seinen Besitz seinem Sohn Ólafr pái hinterlässt, Sohn der Melkorka und Halbbruder Þorleiks. Dieser ist über seines Vaters Entscheidung erzürnt, und überwirft sich mit Ólafr. Um sich mit seinem Halbbruder Þorleikr zu versöhnen, übernimmt er die Erziehung von Bolli, wodurch er sich Þorleikr sozial unterordnet.
Kjartan, der Sohn von Ólafr und Þorgerðr, wird geboren, und Bolli und Kjartan wachsen als Ziehbrüder gemeinsam in Ólafrs Haus auf.<br />
[[Datei:Hjardarholt 2.jpg|mini|HarðarholtHjarðarholt, der Wohnsitz erst Ólafur páis, dann seines Sohnes Kjartan.]]
Ólafr kauft sich auf einem Handelsschiff ein und reist erneut nach Norwegen, wo er Geirmundr trifft und diesen gezwungenermaßen mit zurück nach Island nimmt. Geirmundr wirbt um Ólafs Tochter Þuríðr, die er schließlich gegen Ólafrs Willen, aber mit Unterstützung ihrer Mutter Þorgerðr heiratet. Aber schon nach drei Jahren verlässt Geirmundr seine Frau Þuríðr und segelt zurück nach Norwegen. Eine Windstille im Breiðafjörður verzögert die Abreise Geirmunds, so dass es Þuríðr gelingt, ihm sein Schwert Fótbítr, seinen wertvollsten Besitz, zu stehlen. Geirmundr belegt dieses Schwert mit einem schrecklichen Fluch: Es soll den Mann aus ihrem Geschlecht töten, dessen Tod die Familie am meisten schmerzt. Dieses Schwert schenkt Þuríðr Bolli, dem Pflegesohn Ólafrs.<br />
Nachdem Ólafr den Ochsen Harri geschlachtet hat, erscheint ihm eine Frau im Traum und weissagt ihm den Tod seines Sohnes Kjartan, als Buße für den Tod ihres Sohnes Harri.
Zeile 45:
Ein gewisser Eldgrímr versucht die Pferde in seinen Besitz zu bringen, wird aber von Þorleiks Onkel, Hrútr, gestellt und erschlagen. Þorleikr wertet dies als einen Übergriff, wirft seinem Onkel vor, ihm die berechtigte Rache an Eldgrímr missgönnt zu haben, und überwirft sich erneut mit ihm. Aus Rache bewegt er die Kotkell-Leute dazu, Hrút zu entehren. Diese setzen einen Schadenzauber in Gang, bei dem Hrúts Sohn Kari getötet wird. Hrútr und Ólafr töten Kotkell und seine Familie, aber Ólafr pái kann für eine gewisse Zeit Frieden zwischen seinen Verwandten stiften, veranlasst aber seinen Sohn Þorleikr, Island zu verlassen, damit er der Rache Hrúts entgeht.
 
Den Höhepunkt der Konflikte zwischen den Verwandten bildet die tragische Konstellation Kjartan - Guðrún – Bolli.<br />
Kjartan und Guðrún verlieben sich und regeln ihre Beziehung. Anschließend verlassen er und Bolli Island und reisen an den norwegischen Königshof. Nach Monaten kehrt Bolli alleine zurück und verbreitet in Island das Gerücht von einer Affäre zwischen Kjartan und Ingibjörg, der Tochter des norwegischen Königs [[Olav I. Tryggvason|Ólafr Tryggvason]]. Durch diese List gewinnt Bolli Guðrún zur Frau. Kjartan wird vom König erst später entlassen. Bei seiner Abreise erhält er ein Schwert vom König und ein Kopftuch von der Prinzessin. In Island angekommen, fühlt er sich um seine Liebe betrogen.
 
Zeile 64:
Ósvífr und Gestr sterben und werden in einem gemeinsamen Grab beerdigt.
 
Þorleikr, Bollis ältester Sohn, verlässt Island, und begibt sich an den norwegischen Königshof, wo er ein Gefolgsmann von [[Olav II. Haraldsson|Ólaf dem Heiligen]] wird. Guðrúns jüngster Sohn, Bolli, heiratet [[Snorri Sturluson|Snorris]] Tochter Þórðis. Snorri arrangiert als abschließende Versöhnung für die Erschlagung Bollis eine Geldbuße der Ólafssöhne.
 
Bolli folgt seinem Bruder nach Norwegen, reist aber von dort weiter nach Dänemark und Konstantinopel, während sein Bruder Þorleikr nach Island zurückkehrt.
Zeile 72:
Snorri goði Þorgrímsson stirbt.
[[Datei:Helgafell 02.jpg|mini|Hof und Kirche von Helgafell heute. Auf dem Friedhof hinter der Kirche wird das Grab Guðrúns gezeigt.]]
Ihr Alter verbringt Guðrún als fromme Christin in Helgafell (bei [[Stykkishólmur]] auf Snæfellsnes), wird Islands erste Nonne und Einsiedlerin, und stirbt hochbetagt.
 
Es gibt einen in Island berühmten Satz, der oft zitiert wird: Als Bolli einmal seine Mutter besuchte, fragte er sie eindringlich, wen sie, die doch viermal verheiratet war, am meisten geliebt habe. Darauf antwortete sie mit dem Vers:
Zeile 83:
== Kommentar ==
=== Historizität ===
Die Verknüpfung der Laxdœla saga mit der historischen Geschichte beruht auf zwei Säulen: Die Landnahme und die Christianisierung. In der [[Sagakritik]] wurde besonders die Schilderung der Landnahme bezweifelt, weil sie in wesentlichen Punkten von der Landnáma und der [[Eyrbyggja saga]] abweicht. Der markanteste Unterschied besteht in der geringen Beachtung der Beziehungen der Ketill-Familie zur anderen Seite der Nordsee. Landnámabók und Eyrbyggja saga schildern, dass Ketill zunächst zu den [[Hebriden]] segelte und sich dort niederließ. Erst einige Jahre später kommen Ketils Kinder und der Schwiegersohn Helgi nach Island. In der Laxdœla saga ist es nur Ketill, der mit seiner Tochter Unnr und vielen seiner Freunde lossegelt und zwar nicht zu den Hebriden, sondern nach Schottland. Seine Söhne Bjørn und Helgi und Þórunn hyrna und Helgi inn magri segeln direkt nach Island. Unnrs Ehemann, der nach den anderen Quellen sich im Westen niederlässt, wird in der Laxdœla saga gar nicht erwähnt. Rolf Heller geht davon aus, dass der Verfasser die anderen Berichte kannte und bewusst verändert hat. Andere gehen von einer selbständigen Tradition aus. Wie auch immer, die Laxdœla saga betont den norwegischen Ursprung und vermindert die keltischen Beziehungen.<ref>Sørensen 2001 S. 72 f.</ref>
 
Die narrative Darstellung der Geschichte hat andere Maßstäbe als die Strukturanalyse und die Quellenkritik. Die Frage kann also nicht lauten, ob die dargestellten Ereignisse historisch sind, sondern wie der Verfasser „Geschichte“ verstand. Die Erzählung der Saga über die Auswanderung von Norwegen und über Melkorka ist nicht historisch in heutigem Sinne, aber sie beinhaltet eine Deutung der frühen isländischen Geschichte. Die Saga verweist zweimal auf Ari inn froði: Er wird einmal als Quelle für den Fall Þorsteins in Katanes angeführt, und am Ende der Saga wird er als Urenkel von Þorkell Eyjólfsson und Guðrún genannt. Auch in Aris Buch wird das keltische Element in der isländischen Gesellschaft wie in der Laxdœla saga unterdrückt. In der Íslendingabók nennt er vier repräsentative Landnahmefamilien und kennzeichnet alle vier als norwegisch. Unter diesen vieren sind Auðr Ketilsdóttirs und Helgi inn magris Familien, aber ohne Hinweis auf ihre Verbindungen in den keltischen Raum. So betont Ari den norwegischen Ursprung der Isländer. Aber er beschreibt ebenso die Trennung von der norwegischen Gesellschaft, indem er Island als ein Land mit eigenen Institutionen schildert, die auf eigenen gesonderten Beschluss das Christentum annimmt. Man kann davon ausgehen, dass die Darstellung in der Laxdœla saga über das Verhältnis zur keltischen und norwegischen Umwelt dem zeitgenössischen isländischen Selbstverständnis entsprach.<ref>SörensenSørensen 2001 S. 79.</ref>
 
=== Aussageabsicht ===
Ein Grundzug der Saga ist das Motiv der Ebenbürtigkeit der Familienbeziehungen im Kontrast zur hierarchischen Ordnung in Norwegen sowie der Propagierung innerisländischer Ehen und die Ablehnung von Nichtisländern als prinzipiell gefahrbringend. Die meisten Ehen sind unproblematisch, Ausdruck einer friedlichen Gesellschaftsordnung Ehen, die die sozialen und geografischen Grenzen Überschreiten, sind von vornherein konfliktträchtig. Das gilt besonders für die Verheiratung von Frauen an Männer, die reich, aber nicht ebenbürtig sind: Vigdís an Þórðr und Guðrún an Þorvaldr. Auch Guðrúns Ehe mit Bolli baut nicht auf Ebenbürtigkeit, zwar wohl von Geburt, aber nicht in der menschlichen Qualität. Kjartan ist der bessere Mann als Bolli. Das führt zu einem unvermeidbaren Konflikt. Die Generation der Landnehmer bekräftigt ihre Loslösung durch Ehen innerhalb des Landes und nicht mit Leuten aus Norwegen. Zwei solcher Ehen führen zum Konflikt: Zum einen Þorgerðrs, der Witwe Dala-Kolls, Ehe mit dem Norweger Herjólfr. Höskuldr, ihr Sohn, kritisiert die Reise seiner Mutter nach Norwegen und lehnt später das Erbrecht seines Halbbruders Hrútr ab. Der Streit wird zwar beigelegt, hat aber Folgen in der nächsten Generation. Der Halbnorweger Hrútr kommt nach Island in eine Gesellschaft, wo für ihn kein Platz vorgesehen ist, so dass er Vermögen und Prestige von anderen nehmen muss. Zum anderen die isländisch-norwegische Ehe zwischen Þuríðr und Geirmund. Óláfur pá ist dagegen und will auch Geirmund nicht nach Island mitnehmen. Es kommt zwar nicht zu ernsthaften Konsequenzen, weil der Vater und dessen Kind umkommen. Aber die symbolische Bedeutung ist unübersehbar. Die Frucht ist das Schwert Fótbítr, mit dem Kjartan später von Bolli erschlagen wird. Der Leser wird darauf vorbereitet, die Reise Kjartans nach Norwegen zu verstehen. Aber auch hier führt der zu nahe Kontakt zu Norwegen zum Unglück: Die Symbole, die er aus Norwegen mitbringt, sind das Schwert des Königs und das Kopftuch der Prinzessin. Beides symbolisiert einen Status, der keinen Platz in der isländischen Häuptlingsgesellschaft hat. Nicht nur die Symbole selbst, sondern auch deren Eigentümer müssen vernichtet werden.
 
Eheliche Verbindungen zwischen Isländern und Personen aus dem keltischen Raum kommen in Handlung der Saga nicht vor. Zwar gibt es eine Ehe zwischen Eyvindr und der irischen Prinzessin Rafarta, aber deren Nachkommen spielen keine Rolle. Weder wird Álfdís von den Hebriden, die Frau von Ólafr feilan erwähnt, noch die Tatsache, dass Guðrún Ósvífsdóttir von König Bjólan abstammt, was beides in der Landnáma berichtet wird, finden sich in der Saga. Möglicherweise wollte er dieses Motiv erst in der Geschichte um Myrkjartan und Melkorka bringen. Die Gefahr, die aus dem irischen Element aufkommt, wird zuerst durch die Friedensstörung von Hrafn und Kotkell – nach Heller vom Autor erfundenerfundene Personen – die von den Hebriden stammen. Die keltischen Gebiete sind in der Saga prinzipiell feindlich dargestellt. Ólafrr pá kommt nach Irland und kann sich nur durch seine irischen Sprachkenntnisse und seinerseine Abstammung vor den Angriffen der Bewohner retten. Melkorkas Geschichte wäre bedeutungslos, wenn sie nur eine irische Sklavin gewesen wäre. Aber dadurch, dass sie sich als irische Prinzessin herausstellt, gewinnt Ólafr pá seine besondere Stellung und seine besondere Qualität. Wenn Ólafr pá bei seiner Reise nach Irland das Angebot seines Großvaters, in Irland als König zu bleiben, angenommen hätte, so wäre die Blutfehde in Island ausgeblieben und der Saga hätte die Analyse der Prinzipien der Machtbalance in der isländischen Gesellschaft gefehlt. Deshalb ist es unwichtig, ob die Reise historisch ist. Die Saga erzählt von der Störung der Balance, die das Prinzip der isländischen Gesellschaft war.<ref>Für den vorstehenden Abschnitt Sørensen 2001 S. 74 ff.</ref>
 
Bei den Nachkommen Unnrs wird die unterschiedliche soziale Stellung zwischen Ólafr feilans als dem einzigen Sohn der Familie und der Tochter Þorgerðr dadurch gekennzeichnet, dass Ólafr den Haupthof Hvammr, sie jedoch Laxárdalr als Mitgift erhält. In der Erzählung kommt das auch dadurch zum Ausdruck, dass die Hochzeit Ólafrs ausführlich geschildert wird, während ihre Heirat mit Kollr nur erwähnt wird. Die schwerwiegendste Ursache dafür, dass die soziale Ordnung zerbricht, ist Ólafr pá, der sein soziales Prestige und sein Vermögen auf Kosten anderer erwirbt, was die Saga ausführlich schildert. Er erhält als unehelich Geborener Land, das die Nachkommen von Ólafr feilan als Erbe beanspruchen. Die Feier des Begräbnisbieres, das Ólafr pá für seinen Vater ausrichtet, gerät wesentlich festlicher als die Hochzeitsfeier von Unnr mit Ólafr feilan. Der Schwerpunkt verschiebt sich von den Nachkommen Ólafr feilans zu den Nachkommen Þorgerðrs und von Höskulds ehelichen Nachkommen zum Sohn der Sklavin Melkorka. Aber eine solche Verschiebung kann die isländische Gesellschaft nicht dulden, wie die Saga nun schildert. Schon dass Ólafr pá bei seinem Aufenthalt in Norwegen im Ansehen des Königs so hoch steigt, dass ihm sogar angeboten wird, die Schwester des Königs zu heiraten, muss bei seiner Heimkehr nach Island die prinzipielle Gleichheit der Familien stören, was letztendlich zur blutigen Fehde führt. Nach dem Tod kommt es zu weiteren Ehen, die die Geschichte weiterbringen. Aber von der die Familie von Hjarðarholt hört man nichts mehr. Ihre Rolle war es, die Kräfte zu repräsentieren, die die isländische Gesellschaft in Gefahr brachten.<ref>SörensenSørensen 2001 S. 78 ff.</ref>
 
== Literatur ==
Zeile 98:
* Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal (Laxdæla saga). [[Sammlung Thule]], Altnordische Dichtung und Prosa, Bd. 6, übertragen von Rudolf Meißner, Jena, 1913.
* Laxdœla saga. Die Saga von den Leuten aus dem Laxardal, herausgegeben und aus dem Altisländischen übersetzt von Heinrich Beck, München, 1997.
 
=== Hörbuch ===
 
* ''Sigrún Valbergsdóttir erzählt die Saga der Leute aus dem Lachsflusstal (Laxdæla saga)'' in: "Die Saga-Aufnahmen (I): Die Saga von Njáll (Njáls saga) / Die Saga der Leute aus dem Lachsflusstal (Laxdæla saga)", [[supposé]], Berlin 2011, ISBN 978-3-86385-001-2 (deutsch)
 
=== Sekundärliteratur zur Laxdæla saga ===
* ''Laxdœla saga.'', inIn: Theodore M. Andersson, The Icelandic Family Saga. An Analytic Reading, Harvard University Press, 1967:163-174.
* [[Gabriele Bensberg]], ''Die Laxdœla saga im Spiegel christlich-mittelalterlicher Tradition'', Diss., Frankfurt/M. 2000.
* Dorothee Frölich, ''Ehre und Liebe. Schichten des Erzählens in der Laxdœla saga'' (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 1447; zugl. Bochum, Univ.Diss., 1999), P. Lang, Frankfurt am Main et al., 2000
* {{ArkivNordFilologi |Autor=Rolf Heller |Lemma=Studien zum Aufbau und Stil der Laxdœla saga |Anhang= |Band=75 |Datum=1960 |Seite=113 |SeiteBis=167 |Online=[http://journals.lub.lu.se/index.php/anf/article/view/11884/10567 journals.lub.lu.se] |Format=PDF |Kommentar=Walter Baetke zum 75. Geburtstag gewidmet}}
* Rolf Heller, ''Anmerkungen zur Arbeit des Verfassers der Laxdœla saga.'', inIn: Sagnaskemmtun, Studies in Honour of Hermann Pálsson, herausgegeben von Rudolf Simek, Jónas Kristjánsson und Hans Bekker-Nielson, Wien, Köln, Graz, 1986:111-120.
* Rolf Heller, ''Laxdæla saga und Færeyinga saga'', Alvíssmál 8, 1998:85.92.
* Jónas Kristjánsson, ''Eddas und Sagas. Die mittelalterliche Literatur Islands''. Übertragen von Magnús Pétursson und Astrid van Nahl, H. Buske, Hamburg, 1994, S. 233f., S. 284–289.
* Claudia Müller: ''Erzähltes Wissen. Die Isländersagas in der [[Möðruvallabók]] (AM 132 fol.)'' (= Texte und Untersuchungen zur Germanistik und zur Skandinavistik, Bd. 47; zugl. Bonn, Univ.Diss., 1999), P. Lang, Frankfurt am Main, 2001.
* [[Rudolf Simek]], und [[Hermann Pálsson,]]: ''Lexikon der altnordischen Literatur'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 490). Kröner, Stuttgart, 1987, ISBN 3-520-49001-3.
* Preben Meulengracht Sørensen: ''Norge og IsandIsland i Laxdœla saga''. In: Preben Meulengracht Sørensen: ''At fortælle Historien. Telling History''. Hesperides Triest 2001. ISBN 88-86474-31-8. S. 71–80.
* Jan de Vries, ''Altnordische Literaturgeschichte'', Bd. 2, Berlin, 1967:363-369.
 
== Weblinks ==
* [http://www.snerpa.is/net/isl/laxdal.htm Laxdæla saga (neuisländisch)]
* [http://userpage.fu-berlin.de/~alvismal/8laxd.pdf userpage.fu-berlin.de] Rolf Heller, "Laxdœla„Laxdœla saga und Færeyinga saga"saga“, Alvíssmál 8 (1998): 85-9285–92 (PDF-Datei; 67 kB).
* [http://userpage.fu-berlin.de/~alvismal/11laxd.pdf userpage.fu-berlin.de] Daniel Sävborg, "Kärleken„Kärleken i Laxdœla saga--höviskt och sagatypiskt"sagatypiskt“, Alvíssmál 11 (2004): 75-10475–104 (siehe englische Summary S. 104; PDF-Datei, 301 KBkB).
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Navigationsleiste Isländersagas}}
 
{{SORTIERUNG:Laxdola saga}}
[[Kategorie:Literarisches Werk]]
[[Kategorie:Mittelalter (Literatur) des Mittelalters]]
[[Kategorie:Isländersaga]]