„Liebfrauenkirche (Arnstadt)“ – Versionsunterschied

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Im 2.&nbsp;Viertel des 13.&nbsp;Jahrhunderts entstehen Teile der Seitenschiffe, der [[Obergaden]], die Gewölbe des Mittelschiffs<ref>Das Mittelschiffsjoch beim Ostturm hatte bis zur Restaurierung Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts kein Gewölbe.</ref> sowie die Portale im Westen und in den Seitenschiffen. Durch ihre charakteristischen Bauformen rechnet man diese Bauphase zu jener Bautengruppe, die in stilistischer Abhängigkeit vom [[Zisterzienser]]<nowiki />kloster [[Kloster Maulbronn|Maulbronn]] entstanden ist und in der Forschung oft als „Maulbronner Schulbauten“ angesprochen wird. Eine Bezeichnung, die, wie [[Ernst Badstübner]] schreibt, „für die Bauten in Thüringen nicht ganz zutreffend“ ist, „weil einerseits die Abhängigkeit vom Schwarzwaldkloster keine direkte ist, zum anderen, weil weit mehr Elemente, als sich aus einer Beeinflussung durch die Zisterzienser-Architektur erklären lassen, ihren Charakter bestimmen.“<ref>Ernst Badstübner: ''Maulbronner Schulbauten in Thüringen.'' Diplomarbeit. Universität Berlin. 1955, S.&nbsp;2.</ref> Zu diesem Bauabschnitt zählen auch die beiden polygonalen Schmucktürme auf dem Westriegel, die statisch nicht optimal mit dem älteren Unterbau harmonierten und ungeeignet sind, mächtige Glocken aufzunehmen. Schon früh ist ihre stilistische Ähnlichkeit mit den Kirchenbauten in [[Mühlhausen/Thüringen|Mühlhausen]] bemerkt worden, im Besonderen jenen von [[Marienkirche (Mühlhausen)|St.&nbsp;Marien]] und [[Divi-Blasii-Kirche|St.&nbsp;Blasius]]. Modellhaft für Thüringen lässt sich in Arnstadt die stilistische Entwicklung vom spätromanischen Südturm zum gotischen Nordturm in der Mitte des 13.&nbsp;Jahrhunderts ablesen.
 
Im letzten Viertel des 13.&nbsp;Jahrhunderts wird der romanische Chor durch den hochgotischen Ostbau aus [[Querhaus]] und [[Staffelhalle]] ersetzt. Schon im 19.&nbsp;Jahrhundert fiel die Grundrissanalogie zum [[Regensburger Dom]] auf, dessen Grundsteinlegung 1275 war,<ref>{{Literatur |Autor=Hubert Stier |Titel=Die Liebfrauenkirche zu Arnstadt – Studien über die bauliche Entwicklung derselben. |Auflage= |Verlag= |Ort=Arnstadt |Datum=1882 |Seiten=15}}</ref> ohne dass die Forschung bisher eine befriedigende Erklärung dafür hätte. Weber geht davon aus, dass auch in Arnstadt zunächst eine basilikale Lösung angestrebt wurde.<ref>{{Literatur |Autor=Klaus T. Weber |Titel=Transformation – die Liebfrauenkirche in Arnstadt |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum= |ISBN= |Seiten=149-154}}</ref> Wohl unter dem Eindruck der in der Nachfolge der [[Elisabethkirche (Marburg)|Marburger Elisabethkirche]] stattfindenden [[Hallenkirche|Hallenbauten]] kam es auch in Arnstadt zu einem Planwechsel und zur Ausführung des heutigen Hallenbaus. Stilistische Bezüge scheint es auch zu französischen [[Rayonnant]]bauten zu geben, so zur Chorlösung der [[:fr:Église Notre-Dame de Chambly|Pfarrkirche von Chambly]] oder zum [[Maßwerk]] der [[:fr:Cathédrale Saint-Pierre de Beauvais|Kathedrale von Beauvais]]. Da für das inkorporierte Nonnenkloster eine, im 19.&nbsp;Jahrhundert wieder beseitigte, Empore im südlichen Teil des Ostbaus gebaut wurde, ist davon auszugehen, dass sich der Ausbau bis in die 20er Jahre des 14.&nbsp;Jahrhunderts hinzog. 1333 wird die Liebfrauenkirche als „Ecclesia parochialis“ und damit als Hauptpfarrkirche des Ortes bezeichnet. Daneben nahm der Nordchor die [[Grablege]] und [[Memorialwesen|Memorie]] der Grafen von [[Schwarzburg (Adelsgeschlecht)|Schwarzburg]] auf. Die [[Kirchenschiff|Dreischiffigkeit]] des Chorbaus korrespondierte damals mit der anteiligen Nutzung des Raumes.
 
=== Die Liebfrauenkirche als Klosterkirche ===
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Im Jahr 1910 begannen erneut Bauarbeiten mit dem Ziel möglichst weitgehender Erhaltung und Wiederherstellung der Originalsubstanz. Unter Leitung des Baurates [[Georg Wickop]] und des Architekten [[Martin Schwarz (Architekt)|Martin Schwarz]] wurde nach dem Vorbild der Wormser Domrestaurierung der weiterhin instabile Westbau zu einem großen Teil abgetragen, beim Nordturm sogar das Fundament erneuert. Das Steinmaterial wurde dabei dokumentiert und soweit möglich erfolgte unter Verwendung des alten Baumaterials eine exakte Wiederherstellung der „alten Formen“. Den neogotischen Westgiebel brach man jedoch ab, einschließlich der [[Maria (Mutter Jesu)|Marienstatue]]. Das Dach erhielt wieder die Form eines [[Walmdach]]s. Außerdem wurde die historistische Innenausmalung entfernt.<ref>{{Literatur |Autor=Martin Schwarz |Titel=Die Wiederherstellung der Liebfrauenkirche zu Arnstadt in Th. (1911–1913) |Hrsg= |Sammelwerk=Die Kirche, Zentralorgan für Bau, Einrichtung und Ausstattung von Kirchen, Kirchlichen Bauwerken und Anlagen |Band=10 |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Halle |Datum=1913 |Seiten=117-127}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Georg Wickop |Titel=Die Wiederherstellung der Liebfrauenkirche in Arnstadt. Zwölfter Tag der Denkmalpflege. |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Halberstadt |Datum=1912 |Seiten=}}</ref>
 
1942 wurden die aus dem Jahr 1585 stammenden [[bronze]]nen [[Glocke]]n abgenommen und für Kriegszwecke eingeschmolzen. Sie wurden im Rahmen von 1954 begonnenbegonnenen umfassenden Rekonstruktionsarbeiten im Jahr 1959 durch drei Eisenhartgussglocken ersetzt. Im April 1945 wurde die Kirche durch amerikanischen Artilleriebeschuss beschädigt. Im Rahmen der Rekonstruktion wurde 1958 auch der neugotische Turm aus dem Jahr 1881 zur Entlastung der Fundamente auf die heutige Form zurückgebaut, und 1960 wurden die farbigen Fenster im Chorbereich entfernt. Nach Abschluss dieser Rekonstruktionsarbeiten wurde die Kirche am 7. November 1973, dem [[Willibrord]]stag, wieder eingeweiht.
 
Die [[Evangelische Kirche in Deutschland|EKD]] stellte zwischen 1973 und 1975 die Summe von 45.000 D-Mark bereit, damit über ein [[Kirchenbauprogramme in der DDR|Kirchenbauprogramm in der DDR]] dieselbe Summe in DDR-Mark für Sanierungs-Bauleistungen dieses Sakralbaus verfügbar war.<ref>{{Literatur |Hrsg=Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR |Titel=Sonderbauprogramm – Zwischenbericht |Ort=Berlin |Datum=1976 |Kommentar=mit Kurz-Porträt dieses Bauwerks}}</ref>
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[[Datei:Arnstadt Liebfrauenkirche 01.jpg|mini|Der Flügelaltar von 1498]]
[[Datei:Löwe Liebfrauenkirche Arnstadt.jpg|mini|Löwe auf der Tumba]]
[[Datei:Triptychon Arnstadt.jpg|mini|Triptychon aus dem 15. Jahrhundert ]]
Die Liebfrauenkirche enthält zahlreiche Kunstwerke:<ref>[https://web.archive.org/web/20180926095431/http://docplayer.org/23900529-Das-recht-bier-brauen-zu-duerfen.html Arnstadt – Kirchen und Klöster.] Archiviert am 26.&nbsp;September 2018; abgerufen am 29.&nbsp;Juni 2017.</ref>
* Grabkapelle der Grafen von Schwarzburg-Arnstadt im nördlichen Nebenchor mit:
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** [[Epitaph]] von 1590 für [[Günther XLI. (Schwarzburg-Arnstadt)|Günther XLI.]] („Günther der Streitbare“) von Schwarzburg-Arnstadt (1529–1583) und seine Frau [[Katharina von Nassau-Dillenburg]] (1543–1624). Es ist ein Renaissancewerk (1590) aus Marmor und Alabaster mit Wappen.<ref>H.-U. Orban, S. 22</ref>
** Grabsteine für Günther den Bremer († 1531), dessen Sohn Heinrich XXXII. († 1538) und [[Günther XL. (Schwarzburg)|Günther XL.]] („Günther der Reiche“) († 1552) und seine Frau Elisabeth, Gräfin von Eisenberg († 1593) an der nördlichen Wand
* Flügelaltar von 1498; wenngleich ein Meister nicht bekannt ist, weißtweist ein Stilvergleich auf die Reglerwerkstatt in Erfurt hin. Das RetagelRetabel zeigt unter anderem die Marienkrönung (Krone fehlt heute) und die hl.&nbsp;Laurentius und Boonifatiius. Er hat doppelte Flügel. Auf einem ist eine Abendmahlsdarstellung. Die Abbildungen der Schutzheiligen Arnstadts spricht für die Tatsache, dass der Altar für die Stadt geschaffen wurde. Ursprünglich war er in der [[Oberkirche (Arnstadt)|Oberkirche]].<ref>H.-U. Orban, S. 13</ref>
* Arnstädter „Schöne Madonna“ aus Lindenholz geschnitzt (um 1415–1420). Sie wird auf 1415 datiert. Die heutige Farbfassung basiert auf einer Restaurierung von 1938.<ref>H.-U. Orban, S. 17 u. 18</ref>
* Taufstein und Kanzel, gestützt von Moses mit 2 Tafeln auf 10 Gebote hinweisend. Die Felder der Kanzel zeigen die Evangelistensymbole, der Deckel eine Pfingstdarstellung.<ref>H.-U. Orban, S. 18</ref>
* Ein Triptychon aus dem 15. Jahrhundert zeigt in der Mitte eine Mondsichelmadonna, von Engeln gekrönt und umgeben von der [[Die heilige Katharina von Alexandrien (Caravaggio)|Heiligen Katharina]] und der [[Barbara von Nikomedien|Heiligen Barbara]]. Auf den Außenflügeln sind der [[Georg (Heiliger)|Heilige Georg]] mit Ritterordenkreuz, der [[Valentin von Rätien|Heilige Valentin]] mit einem Epileptiker zu seinen Füßen, sowie das [[Agnus Dei|Lamm Gottes]] umgeben von den [[Evangelistensymbole]]n.<ref>H.-U. Orban, S. 16</ref>
* Gemälde St. Peter und Paul
* Strahlenkranzmadonna als Steinrelief aus dem 15. Jahrhundert. Die Bandinschrift ist nicht mehr lesbar. Es muss wohl ein Epitaph gewesen sein, das ehemals an der Kirchenaussenseite stand. Madonna reicht dem Christuskind eine Birne.<ref>H.-U. Orban, S. 25</ref>
* Die Kirche birgt eine der schwersten Glocken der Thüringer Landeskirche mit einem Gewicht von 4.389 kg aus dem Jahre 1585, gegossen in der Erfurter Glockengießerei von [[Melchior Möhrinck]].
* Die Fenstergemälde in den romanischen Seitenschiffen sind die Verbliebenen der ehemaligen Chorverglasung. Es sind bemerkenswerte Kunstwerke aus dem 14. Jahrhundert. Auf der Nordseite Bilder von Aposteln mit ihren Symbolen, während auf der Südseite der Kirche sechs Darstellungen der Passion zu sehen sind. Die rahmenden Weinlaubornamente sind aus dem späten 19. Jahrhundert.<ref>H.-U. Orban, S. 18 u. 20</ref>
* Im Altarraum ein spätgotisches Kruzifix mit echter Dornenkrone und Echthaarperücke.<ref>H.-U. Orban, S. 18</ref>
 
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Datei:Church of Our Lady Arnstadt 17.JPG|Kanzel, getragen von Moses
Datei:Church of Our Lady Arnstadt 8.JPG|Strahlenkranzmadonna als Steinrelief
Datei:Maria auf dem Schlaflager.jpg|verweis=|Maria auf dem Schlaflager
Datei:Petrus und Paulus Arnstadt.jpg|verweis=|Petrus und Paulus
Datei:Romanisches Fenster Arnstadt.jpg|verweis=|Romanisches Fenster
Datei:Letztes Abendmahl Arnstadt.jpg|verweis=|Letztes Abendmahl aus dem Flügelaltar in der Apsis
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=== Glocken ===
Die Liebfrauenkirche verfügt über ein vierstimmiges [[Glockengeläut]], das in einem hölzernen [[Glockenstuhl]] im Ostturm über der [[Vierung]] hängt. Die größte Glocke wurde von Melchior Möringk in Erfurt im Jahr 1585 gegossen. Sie wiegt 4380 kg. Die anderen drei Bronzeglocken entstanden 2003 in der [[Glockengießerei Bachert]] in [[Heilbronn]]. Sie ersetzten drei Eisenglocken (eine steht noch im hinteren Kirchenraum), die nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] als Ersatz für während des Krieges eingezogene historische Glocken des Gießers Möringk angeschafft worden waren. Die Glockenzier ist ein Werk von Gerd Weber aus Gräfenhain. Motive sind Taufe, Gebet und Auferstehung.<ref>{{YouTube |id=2nZCp-oink0 |titel=Arnstadt - Die Glocken der ev. luth. Liebfrauenkirche - h° & Vollgeläut |abruf=2022-02-13}}</ref><ref>H.-U. Orban, S. 22</ref>
 
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* {{Internetquelle |url=https://www.arnstadt.de/kultur-und-tourismus/sehenswuerdigkeiten/sehenswuerdigkeiten-in-arnstadt#liebfrauenkirche |titel=Sehenswürdigkeiten in Arnstadt – Liebfrauenkirche |hrsg=Stadt Arnstadt |abruf=2020-02-26 |abruf-verborgen=1}}
* {{Internetquelle |url=https://www.arnstadt.de/leben-in-arnstadt/sport-und-freizeit/alle-vereine?tx_sascore_associations%5Baction%5D=detail&tx_sascore_associations%5Bcontroller%5D=Association&tx_sascore_associations%5Buid%5D=94&cHash=28405874864e60b414398fee4e587142 |titel=Kuratorium zur Erhaltung der Liebfrauenkirche Arnstadt |hrsg=Stadt Arnstadt |abruf=2020-02-26 |abruf-verborgen=1}}
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== Einzelnachweise ==