„Gleichgewicht (Spieltheorie)“ – Versionsunterschied

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Ein '''Gleichgewicht''' ist in der [[Spieltheorie]] ein Zustand, bei dem Spieler aus freier Entscheidung nicht von ihrer [[Strategie (Spieltheorie)|Strategie]] abweichen. Gleichgewichte können bei einem Zwei-Personen-Spiel in [[Normalform (Spieltheorie)|Normalform]] (einer vereinfachenden Betrachtungsweise) anhand einer sogenannten [[Bimatrix]] identifiziert werden. Die Bimatrix enthält externe Nutzenwerte, die durch eine Nutzenfunktion modelliert werden.
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Ein '''Gleichgewicht''' ist in der [[Spieltheorie]] ein Zustand, bei dem Spieler aus freier Entscheidung nicht von ihrer [[Strategie (Spieltheorie)|Strategie]] abweichen. Gleichgewichte können bei einem Zwei-Personen-Spiel in [[Normalform (Spieltheorie)|Normalform]] (einer vereinfachenden Betrachtungsweise) anhand einer sogenannten [[Bimatrix]] identifiziert werden. Die Bimatrix enthält externe Nutzenwerte die durch eine Nutzenfunktion modelliert werden.


== Begriff ==
== Begriff ==
[[Datei:Cournot 001.svg|mini|Gleichgewichte lassen sich in der Spieltheorie oft graphisch darstellen, wie z. B. hier das [[Nash-Gleichgewicht]] als Schnittpunkt zweier [[Reaktionsfunktion]]en im [[Cournot-Oligopol]]]]
Originär stammt der Begriff des Gleichgewichts aus der klassischen [[Mechanik]]. Die [[Systemtheorie]] hat ihn auf das verallgemeinert, was man den [[Zustand (Physik)|Zustand]] eines [[System]]s nennt: Ein System befindet sich im [[Gleichgewicht (Systemtheorie)|Gleichgewicht]], wenn es keine Kräfte aus sich selbst heraus entwickelt, die den Systemzustand ändern, sodass eine Änderung von außen geschehen muss. Im Unterschied zur klassischen Mechanik sind die beteiligten Kräfte sind aus dieser Sicht [[Selbstorganisation|selbstorganisiert]].


Originär stammt der Begriff des Gleichgewichts aus der klassischen [[Mechanik]]. Die [[Systemtheorie]] hat ihn auf das verallgemeinert, was man den [[Zustand (Physik)|Zustand]] eines [[System]]s nennt: Ein System befindet sich im [[Gleichgewicht (Systemtheorie)|Gleichgewicht]], wenn es keine Kräfte aus sich selbst heraus entwickelt, die den Systemzustand ändern, sodass eine Änderung von außen geschehen muss. Im Unterschied zur klassischen Mechanik sind die beteiligten Kräfte aus dieser Sicht [[Selbstorganisation|selbstorganisiert]].
In der Spieltheorie ist der Begriff Gleichgewicht durch die Arbeiten von [[John Forbes Nash Jr.]] seit den 1950er Jahren üblich geworden. Oft wird hier unter Gleichgewicht nur das [[Nash-Gleichgewicht]] verstanden, obwohl sich von ihm ausgehend andere Definitionen und Varianten gebildet haben. Gemeinsam ist ihnen, dass unter Gleichgewicht bei einem [[Spiel (Spieltheorie)|Spiel]] der Sachverhalt verstanden wird, dass sich die Strategien von Spielern, die sich frei und rational verhalten, nicht ändern, auch wenn sich diese Spieler über die Spielregeln hinaus auf nichts einigen, wie es mit Verträgen oder weiteren Absprachen der Fall wäre. Gleichgewicht im Sinn der Spieltheorie, die mathematische Modelle für Entscheidungen zu finden versucht, ist also von anderen, konkreteren Gleichgewichtsbegriffen wie etwa dem [[Marktgleichgewicht]] zu unterscheiden. Gleichgewichte in der Spieltheorie sind Sonderformen des Nash-Gleichgewichts, erhalten aber oft aufgrund weiterer Eigenschaften andere Bezeichnungen.

Eine mögliche Aufgabe der Spieltheorie ist es, Verhaltensempfehlungen für die einzelnen Teilnehmer zu ermitteln, mit der sie ihre eigenen Interessen am besten verfolgen können. In der Sprache der Spieltheorie ist eine Liste von Verhaltensempfehlungen ein Gleichgewicht, wenn die Verhaltensempfehlungen miteinander konsistent sind. Die erste präzise Formulierung eines Gleichgewichtbegriffes in der Spieltheorie findet sich in einer 1928 veröffentlichten Arbeit von [[John von Neumann]] für 2-Personen-Nullsummenspiele. Die weitere Entwicklung der Spieltheorie stellt die Erweiterung dieses Gleichgewichtsbegriffes auf allgemeinere interaktive Entscheidungsprobleme dar.<ref>Wolfgang Leininger, Erwin Amann: ''Einführung in die Spieltheorie'', S.&nbsp;5 ff.</ref>

Weitere Verbreitung erlangte der Begriff Gleichgewicht in der Spieltheorie durch die Arbeiten von [[John Forbes Nash Jr.]] in den 1950er Jahren. Oft wird hier unter Gleichgewicht nur das [[Nash-Gleichgewicht]] verstanden, obwohl sich von ihm ausgehend andere Definitionen und Varianten gebildet haben. Gemeinsam ist ihnen, dass unter Gleichgewicht bei einem [[Spiel (Spieltheorie)|Spiel]] der Sachverhalt verstanden wird, dass sich die Strategien von Spielern, die sich frei und rational verhalten, nicht ändern, auch wenn sich diese Spieler über die Spielregeln hinaus auf nichts einigen, wie es mit Verträgen oder weiteren Absprachen der Fall wäre. Gleichgewicht im Sinn der Spieltheorie, die mathematische Modelle für Entscheidungen zu finden versucht, ist also von anderen, konkreteren Gleichgewichtsbegriffen wie etwa dem [[Marktgleichgewicht]] zu unterscheiden. Gleichgewichte in der Spieltheorie sind Sonderformen des Nash-Gleichgewichts, erhalten aber oft aufgrund weiterer Eigenschaften andere Bezeichnungen.


== Varianten ==
== Varianten ==

* [[Nash-Gleichgewicht]], ein Strategiepaar in nicht-kooperativen Spielen
* [[Nash-Gleichgewicht]], ein Strategiepaar in nicht-kooperativen Spielen
* [[Striktes Gleichgewicht]], ein Strategiepaar in der Spieltheorie
* [[Striktes Gleichgewicht]], ein Strategiepaar in der Spieltheorie
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* ''Bertrand-Gleichgewicht'', ein Gleichgewicht im [[Bertrand-Wettbewerb]]
* ''Bertrand-Gleichgewicht'', ein Gleichgewicht im [[Bertrand-Wettbewerb]]
* ''Stackelberg-Gleichgewicht'', ein Gleichgewicht im [[Stackelberg-Duopol]]
* ''Stackelberg-Gleichgewicht'', ein Gleichgewicht im [[Stackelberg-Duopol]]
* [[Gleichgewicht in korrelierten Strategien]], lässt weder bindende Verträge noch Kommunikation vor dem Entscheidungstreffen der beteiligten Spieler zu
* [[Gleichgewicht in korrelierten Strategien]], lässt bindende Verträge oder Kommunikation vor dem Entscheidungstreffen der beteiligten Spieler zu
* ''Gleichgewicht in evolutionär stabilen Strategien'', siehe [[Evolutionär stabile Strategie]]
* [[Pareto-Optimum]], auch Pareto-effizientes-Gleichgewicht, in dem es nicht möglich ist, eine Eigenschaft zu verbessern, ohne zugleich eine andere verschlechtern zu müssen
* ''Gleichgewicht in evolutionär stabilen Strategien'', siehe auch [[Evolutionär stabile Strategie]]
* ''Gleichgewicht in gemischten Strategien'', siehe [[Gemischte Strategie]]
* ''Gleichgewicht in gemischten Strategien'', siehe auch [[Gemischte Strategie]]
* [[Teilspielperfektes Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht für Spiele in Extensivform
* [[Teilspielperfektes Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht für Spiele in Extensivform
* [[Trembling-hand-perfektes Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht unter Einbeziehung von falschen Entscheidungen des Gegenspielers
* [[Trembling-hand-perfektes Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht unter Einbeziehung von falschen Entscheidungen des Gegenspielers
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* [[Perfekt bayessches Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht zum Lösen von dynamischen Spielen mit unvollständiger Information
* [[Perfekt bayessches Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht zum Lösen von dynamischen Spielen mit unvollständiger Information
* [[Sequentielles Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht für dynamische Spiele mit unvollständiger oder unvollkommener Information
* [[Sequentielles Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht für dynamische Spiele mit unvollständiger oder unvollkommener Information
* [[Asymptotisch stabiles Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht der Spieltheorie und dynamischen Systemen
* [[Asymptotisch stabiles Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht der Spieltheorie und in dynamischen Systemen
* [[Symmetrische und asymmetrische Gleichgewichte]]
* [[Symmetrische und asymmetrische Gleichgewichte]]
* [[Quantal-Response-Gleichgewicht]], ein Gleichgewicht mit Bezug zu [[Probit-Modell]]en und [[Logit-Modell]]en


== Literatur ==
== Literatur ==

* Christian Rieck: ''Spieltheorie: Einführung für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler'', Springer, Berlin 2013, S. 155–204. ISBN 978-3322870834
* [[Christian Rieck]]: ''Spieltheorie: Einführung für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler'', Springer, Berlin 2013, S. 155–204. ISBN 978-3322870834

== Einzelnachweise ==

<references />


[[Kategorie:Spieltheorie]]
[[Kategorie:Spieltheorie]]

Aktuelle Version vom 30. Juni 2022, 09:54 Uhr

Ein Gleichgewicht ist in der Spieltheorie ein Zustand, bei dem Spieler aus freier Entscheidung nicht von ihrer Strategie abweichen. Gleichgewichte können bei einem Zwei-Personen-Spiel in Normalform (einer vereinfachenden Betrachtungsweise) anhand einer sogenannten Bimatrix identifiziert werden. Die Bimatrix enthält externe Nutzenwerte, die durch eine Nutzenfunktion modelliert werden.

Gleichgewichte lassen sich in der Spieltheorie oft graphisch darstellen, wie z. B. hier das Nash-Gleichgewicht als Schnittpunkt zweier Reaktionsfunktionen im Cournot-Oligopol

Originär stammt der Begriff des Gleichgewichts aus der klassischen Mechanik. Die Systemtheorie hat ihn auf das verallgemeinert, was man den Zustand eines Systems nennt: Ein System befindet sich im Gleichgewicht, wenn es keine Kräfte aus sich selbst heraus entwickelt, die den Systemzustand ändern, sodass eine Änderung von außen geschehen muss. Im Unterschied zur klassischen Mechanik sind die beteiligten Kräfte aus dieser Sicht selbstorganisiert.

Eine mögliche Aufgabe der Spieltheorie ist es, Verhaltensempfehlungen für die einzelnen Teilnehmer zu ermitteln, mit der sie ihre eigenen Interessen am besten verfolgen können. In der Sprache der Spieltheorie ist eine Liste von Verhaltensempfehlungen ein Gleichgewicht, wenn die Verhaltensempfehlungen miteinander konsistent sind. Die erste präzise Formulierung eines Gleichgewichtbegriffes in der Spieltheorie findet sich in einer 1928 veröffentlichten Arbeit von John von Neumann für 2-Personen-Nullsummenspiele. Die weitere Entwicklung der Spieltheorie stellt die Erweiterung dieses Gleichgewichtsbegriffes auf allgemeinere interaktive Entscheidungsprobleme dar.[1]

Weitere Verbreitung erlangte der Begriff Gleichgewicht in der Spieltheorie durch die Arbeiten von John Forbes Nash Jr. in den 1950er Jahren. Oft wird hier unter Gleichgewicht nur das Nash-Gleichgewicht verstanden, obwohl sich von ihm ausgehend andere Definitionen und Varianten gebildet haben. Gemeinsam ist ihnen, dass unter Gleichgewicht bei einem Spiel der Sachverhalt verstanden wird, dass sich die Strategien von Spielern, die sich frei und rational verhalten, nicht ändern, auch wenn sich diese Spieler über die Spielregeln hinaus auf nichts einigen, wie es mit Verträgen oder weiteren Absprachen der Fall wäre. Gleichgewicht im Sinn der Spieltheorie, die mathematische Modelle für Entscheidungen zu finden versucht, ist also von anderen, konkreteren Gleichgewichtsbegriffen wie etwa dem Marktgleichgewicht zu unterscheiden. Gleichgewichte in der Spieltheorie sind Sonderformen des Nash-Gleichgewichts, erhalten aber oft aufgrund weiterer Eigenschaften andere Bezeichnungen.

Einzelnachweise

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  1. Wolfgang Leininger, Erwin Amann: Einführung in die Spieltheorie, S. 5 ff.