„Max Draeger (Jurist)“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Kategorie präzisiert
 
(47 dazwischenliegende Versionen von 27 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
'''Friedrich Ernst Max Draeger''' (* [[18. Januar]] [[1885]] in [[Malbork|Marienburg]], [[Westpreußen]]; † [[20. April]] [[1945]] in [[Brandenburg an der Havel]]) war ein [[Deutschland|deutscher]] [[Richter]]. Er war der letzte Präsident des [[Oberlandesgericht Königsberg|Oberlandesgerichts Königsberg]].
[[File:Max_Draeger.JPG|thumb|right|Max Draeger]]
'''Fr. E. Max Draeger''' (* [[18. Januar]] [[1885]] in [[Marienburg]]/[[Westpreussen]]; † [[20. April]] [[1945]] in [[Brandenburg an der Havel]]) war ein deutscher [[Jurist]] und letzter Präsident des [[Oberlandesgericht]]s (OLG) [[Königsberg (Preußen)]].


== Leben ==
== Leben ==
Draegers Eltern waren der Mühlenbesitzer Draeger und seine Frau Maria geb. Senger. Er studierte an der [[Albertus-Universität Königsberg|Albertus-Universität]] Rechtswissenschaft und wurde 1904 im [[Corps Hansea Königsberg]] aktiv.<ref>Kösener Corpslisten 1960, 85/189</ref> 1909 wurde er an der [[Universität Greifswald|Königlichen Universität zu Greifswald]] zum [[Dr. iur.]] [[Promotion (Doktor)| promoviert]].<ref>Dissertation: ''Haben bei der Lebensversicherung zugunsten eines Dritten die Nachlaßgläubiger einen Zugriff auf die Versicherungssumme?''</ref> Draeger war passionierter [[Bergsteiger]].
Draeger wurde als Sohn eines Mühlenbesitzers und seiner Frau Maria, geborene Senger, geboren. Er studierte [[Rechtswissenschaften]] in Königsberg und wurde 1904 beim [[Corps]] Hansea aktiv. Draeger war passionierter Bergsteiger.


=== Danzig und Duisburg ===
Am 20. Mai 1920 wurde er Landrichter in [[Danzig]], am 1. Juli 1920 [[Landgerichtsrat]] in Danzig, am 1. Januar 1922 Oberregierungsrat in der Justizabteilung des Senats der [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]], am 1. Januar 1925 Amtsgerichtsdirektor in Danzig, am 1. November 1932 Landgerichtspräsident in [[Guben]], am 7. Juli 1933 Staatsrat und Leiter der Wirtschaft in Danzig, am 1. Oktober 1935 Landgerichtspräsident in [[Landgericht Duisburg|Duisburg]], am 21. August 1937 Präsident des [[Oberlandesgericht Marienwerder|Oberlandesgerichts Marienwerder]] und schließlich am 1. Dezember 1937 Präsident des OLG Königsberg. Seine Versetzung an das [[Oberlandesgericht Kiel|OLG Kiel]] wurde 1943 von dem [[Gauleiter]] der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] in [[Schleswig-Holstein]] durch einen gegen Draeger gerichteten Schriftwechsel mit dem Reichsjustizministerium hintertrieben.<ref> Personalakte (R 3001/54515) im [[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchiv]]</ref>
Am 20. Mai 1920 wurde er Landrichter in [[Danzig]], am 1. Juli 1920 [[Landgerichtsrat]] am [[Landgericht Danzig]]. Am 1. Januar 1922 kam er als [[Oberregierungsrat]] zur Justizabteilung des Senats der [[Freie Stadt Danzig|Freien Stadt Danzig]]. Seit dem 1. Januar 1925 Amtsgerichtsdirektor am [[Amtsgericht Danzig]], wurde er am 1. November 1932 zum Landgerichtspräsident am [[Landgericht Guben]] und am 7. Juli 1933 zum Staatsrat und Leiter der Wirtschaft in Danzig ernannt. Ab 1. Oktober 1935 war er fast zwei Jahre Landgerichtspräsident des [[Landgericht Duisburg|Landgerichts Duisburg]], bevor er am 21. August 1937 für drei Monate Präsident des [[Westpreußen|westpreußischen]] [[Oberlandesgericht Marienwerder|Oberlandesgerichts Marienwerder]] wurde.


=== Königsberg ===
Über Draegers Zeit in Königsberg von 1937 bis 1945 sind im [[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchiv]], beim [[Landgericht Duisburg]] und im [[Bundesjustizministerium]] keine Akten verfügbar. Erhalten sind zwei Aktenvermerke des [[Reichsjustizministerium]]s vom 28. und 31. Januar 1945. Danach hatte der [[Reichsverteidigungskommissar]] [[Erich Koch]] dem Reichsjustizministerium einen Funkspruch mit der Beschwerde übermittelt, ''„daß der Chefpräsident und der Generalstaatsanwalt Szelinski ohne Fühlungnahme mit dem RVK [Koch], und ohne für ordnungsgemäße Übertragung ihrer Dienstgeschäfte gesorgt zu haben, Königsberg mit ihrem Dienstkraftwagen über [[Baltijsk|Pillau]] nach Danzig verlassen haben. Die Bevölkerung sei über dieses Verhalten der Vorstandsbeamten sehr erregt. Vom Innenministerium sei in Danzig veranlaßt worden, daß die beiden Vorstandsbeamten dort festgehalten würden. Er spreche die Bitte aus, auch von unserer Behörde notwendige Schritte gegen die beiden Vorstandsbeamten zu veranlassen.“'' Das führte zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den OLG-Präsidenten.<ref>Christian Tilitzki: ''Alltag in Königsberg 1940-1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz''. Würzburg 2003</ref>
Am 1. Dezember 1937 kam Draeger als Präsident des [[Ostpreußen|ostpreußischen]] [[Oberlandesgericht Königsberg|Oberlandesgericht]]s nach Königsberg. Nachdem verschiedene Amtsrichter und gerichtlich bestellte Vormundschaftspfleger Nachforschungen nach den im Zuge der [[Herbert Lange| „Aktion Lange“]] im Mai 1940 ermordeten 1558 Patienten ostpreußischer psychiatrischer Kliniken angestellt hatten, wies Draeger die zuständigen Gerichte an, von „nutzlosen Anfragen Abstand zu nehmen“. Zuvor hatte er dem Reichsminister der Justiz gegenüber bereits erklärt, dass „die Angelegenheit durch Übersendung der Sterbeurkunden der in Frage kommenden Personen demnächst ihre Erledigung finden würde“.<ref>{{Literatur|Titel=Die Provinz Ostpreußen und die nationalsozialistische „Euthanasie“: SS - „Aktion Lange“ und „Aktion T4“| Autor=Sascha Topp, Petra Fuchs, [[Gerrit Hohendorf]], Paul Richter, Maike Rotzoll |Sammelwerk =Medizinhistorisches Journal |Band=43| Datum =2008 |Seiten=35 ff.}}</ref>


Ein Versetzungswunsch an das [[Oberlandesgericht Schleswig|OLG Kiel]] wurde 1943 von [[Hinrich Lohse]], [[Gauleiter]] in [[Schleswig-Holstein]] und [[Reichskommissariat Ostland|Reichskommissar Ostland]], durch Intervention beim [[Reichsjustizministerium]] verhindert.<ref> Personalakte (R 3001/54515) im [[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchiv]].</ref>
Damals meinte man in Königsberg, dass „Parteibonzen und ein hoher Gerichtspräsident sich aus dem Staube gemacht und sie im Dreck zurückgelassen hätten“. Diese Sicht war wohl falsch: Bei älteren ostpreußischen Anwälten und ehemaligen Richtern stand Draeger in hohem Ansehen, befand sich aber seit seinem Amtsantritt in ständigem Konflikt mit dem [[Gauleiter]] [[Erich Koch]]. Deshalb hatte sich Draeger um die gleichrangige Stellung am OLG Kiel bemüht. Wahrscheinlich ist, dass der OLG-Präsident und der Generalstaatsanwalt sich nicht absetzen, sondern im Reichsjustizministerium „auf dem Dienstwege“ über die Lage in [[Ostpreußen]] persönlich vortragen wollten. Das war damals nur mit Dienstwagen, Fahrer und Stander möglich, was gegen jede Heimlichkeit spricht. Der direkte Weg nach Berlin war versperrt, weil sich die russischen Panzerspitzen bereits der [[Oder]] näherten. So mussten Draeger und Szelinski von Danzig aus nördlich der im Ausbau befindlichen Hinterpommerschen Schutzstellung [[Stettin]] zu erreichen versuchen. Wie bereits in Danzig meldeten sie sich dort wieder im Justizgebäude. Anscheinend wurden sie nicht mehr angehört, weil von [[Berlin]] aus bereits eine Verhaftungsaktion angelaufen war. Ein Staatsanwalt und ein Wachtmeister wurden ihnen zugewiesen. Nach ihrem Eintreffen in Berlin wurden Draeger und Szelinski ins Untersuchungsgefängnis verbracht. Dort erhängte sich der [[Generalstaatsanwalt]] Szelinski in seiner Zelle.<ref>Pers. Mitteilung von Rechtsanwalt Werner Schmidt, Hamburg, 2007</ref>


Bei Anrücken der Roten Armee löste Draeger seine Behörde auf.<ref>Walter Wagner: ''Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat'', Erw. Neuausgabe, München 2011, S. 392.</ref> Offensichtlich geschah dies ohne Rücksprache mit dem Ministerium in Berlin. Mit Generalstaatsanwalt [[Fritz Szelinski|Szelinski]] verließ Draeger die Stadt Richtung Pillau, wo man sich nach Westen einschiffte. In [[Swinemünde]] (oder [[Stettin]]) angelangt, machten Draeger und Szelinski Meldung bei Justizminister [[Otto Georg Thierack]].
Der [[Volksgerichtshof]] verurteilte Draeger am 29. März 1945 wegen [[Wehrkraftzersetzung]] und [[Fahnenflucht]] zum Tode. An dem Todesurteil gegen Draeger war [[Harry Haffner]] beteiligt. Am 4. April 1945 wurde Draeger ins [[Zuchthaus Brandenburg]] eingeliefert, wo er am 20. April 1945, achtzehn Tage vor dem Ende des [[Drittes Reich|Dritten Reiches]], „ehrenhaft“ erschossen wurde.
Dieser war durch einen Funkspruch von Gauleiter und „Reichsverteidigungskommissar“ (RVK) [[Erich Koch]] bereits alarmiert worden, „daß der Chefpräsident und der Generalstaatsanwalt Szelinski ohne Fühlungnahme mit dem RVK, und ohne für ordnungsgemäße Übertragung ihrer Dienstgeschäfte gesorgt zu haben, Königsberg mit ihrem Dienstkraftwagen über [[Baltijsk|Pillau]] nach Danzig verlassen haben. Die Bevölkerung sei über dieses Verhalten der Vorstandsbeamten sehr erregt. Vom Innenministerium sei in Danzig veranlaßt worden, daß die beiden Vorstandsbeamten dort festgehalten würden. Er spreche die Bitte aus, auch von unserer Behörde notwendige Schritte gegen die beiden Vorstandsbeamten zu veranlassen.“<ref>Zwei Aktenvermerke im Bestand des [[Reichsjustizministerium]]s vom 28. und 31. Januar 1945 [wo archiviert?]</ref><ref>Christian Tilitzki: ''Alltag in Ostpreußen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz''. Flechsig, Würzburg 2003, ISBN 3-88189-481-0, S. ?</ref>


Mit Thieracks Einverständnis ließ Gauleiter [[Franz Schwede]] beide als Deserteure verhaften und nach Berlin überstellen.<ref>Schorn, ''Der Richter im Dritten Reich'', S. 232; Walter Wagner, S. 392.</ref> Szelinski nahm sich noch in der Untersuchungshaft das Leben. Draeger wurde vom [[Volksgerichtshof]] am 29. März 1945 wegen [[Wehrkraftzersetzung]] und [[Fahnenflucht]] zum Tode verurteilt. An dem Urteil gegen Draeger war [[Harry Haffner]] beteiligt. Am 4. April 1945 ins [[Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel|Zuchthaus Brandenburg]] eingeliefert, wurde Draeger am 20. April 1945 „ehrenhaft“ erschossen.
Draegers 1916 geborene Tochter, Lore Helbich aus [[Kassel]], berichtete 2007, daß die Angehörigen von den Hinrichtungen erst im Dezember 1945 erfuhren. Die Urnen wurden auf dem Friedhof in [[Berlin-Friedenau]] beigesetzt.

Walter Wagner bewertete 1974 Draegers Flucht nach Westen sehr dienstbezogen und führte sie darauf zurück, dass eine geordnete Arbeit im belagerten Königsberg schlicht unmöglich geworden sei.<ref>Walter Wagner, S. 392.</ref> Persönliche Motive oder die irrige Annahme, in Berlin auf Zustimmung zu stoßen, zog Wagner nicht in Betracht. Er bewertete die Todesstrafe für einen Spitzenvertreter des NS-Justizapparats rückblickend als „Märtyrertod“.

Draegers Tochter Lore Helbich berichtete 2007, dass die Angehörigen von der Hinrichtung erst im Dezember 1945 erfuhren. Die Urne wurde auf dem Friedhof in [[Berlin-Friedenau]] beigesetzt.


== Rückblick ==
== Rückblick ==
Während der [[Weimarer Republik]] gehörte Draeger von 1921 bis 1932 der [[Deutschnationale Volkspartei|DNVP]] an, er trat zum 1. Mai 1933 der [[NSDAP]] bei (Mitgliedsnummer 3.396.447).<ref>Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/6771457</ref><ref>[[Lothar Gruchmann]]: ''Justiz im Dritten Reich. 1933–1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner'' (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Bd. 28). 3., verbesserte Auflage. Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-53833-0, S. 275</ref> Er engagierte sich im [[DBB Beamtenbund und Tarifunion#Geschichte|Reichsbund der Deutschen Beamten]] und im [[Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund|Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund]]. Bei Kriegsende wurde er dem [[Kreisauer Kreis]] zugeordnet: Der Königsberger Pfarrer [[Hugo Linck]] notierte ihn als Mitglied des Königsberger [[Bruderrat]]es der [[Bekennende Kirche|Bekennenden Kirche]]. Draegers Verurteilung könnte darauf zurückzuführen sein, dass man ihm Beziehungen zum Widerstand zur Last gelegt hatte.
Draeger engagierte sich im [[Deutscher Beamtenbund|Deutschen Beamtenbund]] und im [[Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund|Bund nationalsozialistischer Juristen]]. Schon bei Kriegsende wurde er dem [[Kreisauer Kreis]] zugeordnet. So wird er im Buch des Königsberger Pfarrers [[Hugo Linck]] als Mitglied des Bruderrates der [[Bekennende Kirche|Bekennenden Kirche]] aufgeführt. Auch seine Verurteilung wegen „[[Wehrkraftzersetzung]]“ läßt darauf schließen, dass man ihm pauschal Beziehungen zum Widerstand zur Last gelegt hat.<ref>W. Schmidt, Hamburg</ref> Den eigenen Untergang vor Augen, ließ denn auch das nationalsozialistische Regime Männer des zivilen Widerstands wie [[Helmuth James Graf von Moltke]], [[Alfred Delp]], [[Dietrich Bonhoeffer]], [[Klaus Bonhoeffer]] und [[Albrecht Haushofer]] in der Zeit vom 23. Januar 1945 bis zum 23. April 1945 hinrichten. Wahrscheinlich wurde Draeger von Koch denunziert.
In den Beständen des ehemaligen [[Berlin Document Center]]s (BDC) existiert eine [[Sturmabteilung|SA]]-Personalakte von Draeger; sie enthielt keine Unterlagen über das Disziplinarverfahren oder den Prozess vor dem Volksgerichtshof.
Eine vom Bundesarchiv veranlaßte Recherche in den überlieferten Beständen des ehemaligen [[Berlin Document Center]]s (BDC) brachte noch eine [[Sturmabteilung|SA]]-Personalakte von Draeger zutage; aber auch sie enthielt keine Unterlagen über das Disziplinarverfahren oder den Prozeß vor dem Volksgerichtshof.


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Rüdiger Döhler]]: ''Der Fall Max Draeger – ein Mord aus Rache?'' In: [[Sebastian Sigler]]: ''Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler''. Duncker & Humblot, Berlin 2014. ISBN 978-3-428-14319-1, S. 431–435.
* [[Hugo Linck]]: ''Der Kirchenkampf in Ostpreußen''. 1968, S. 220
* [[Hugo Linck]]: ''Der Kirchenkampf in Ostpreußen. 1933 bis 1945. Geschichte und Dokumentation''. Gräfe und Unzer, München 1968, S. 220.
* Emil Luckat: ''Draeger''. Altpreußische Biographie Bd. III, Marburg 1975
* Emil Luckat: ''Draeger''. In: ''Altpreußische Biographie'', Bd. 3. Elwert, Marburg 1975, ISBN 3-7708-0504-6.
* Hubert Schorn: ''Richter im Dritten Reich. Geschichte und Dokumente''. Frankfurt am Main 1959
* Hubert Schorn: ''Richter im Dritten Reich. Geschichte und Dokumente''. Klostermann, Frankfurt am Main 1959.
* Christian Tilitzki: ''Alltag in Ostpreußen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz''. Würzburg 2003
* [[Christian Tilitzki]]: ''Alltag in Ostpreußen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz''. Sonderausgabe. Flechsig, Würzburg 2003, ISBN 3-88189-481-0.
* Walter Wagner: ''Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat'' (Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus 3, Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 16), erw. Neuausgabe, München 2011.
* Moritz von Köckritz: ''Die deutschen Oberlandesgerichtspräsidenten im Nationalsozialismus (1933–1945)'' (= Rechtshistorische Reihe 413), Peter Lang GmbH, Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-631-61791-5, S. 100ff. (nicht ausgewertet)


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references/>

{{Normdaten|TYP=p|GND=1047900327|VIAF=306367933}}


{{SORTIERUNG:Draeger, Max}}
{{SORTIERUNG:Draeger, Max}}
[[Kategorie:Richter (Oberlandesgericht)]]
[[Kategorie:Präsident des Oberlandesgerichts Königsberg]]
[[Kategorie:Richter (Oberlandesgericht Marienwerder)]]
[[Kategorie:Verwaltungsjurist]]
[[Kategorie:Verwaltungsjurist]]
[[Kategorie:NS-Opfer]]
[[Kategorie:Hingerichtete Person (NS-Opfer)]]
[[Kategorie:NSDAP-Mitglied]]
[[Kategorie:SA-Mitglied]]
[[Kategorie:SA-Mitglied]]
[[Kategorie:DNVP-Mitglied]]
[[Kategorie:Corpsstudent (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Corpsstudent (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Staatsrat (Danzig)]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Geboren 1885]]
[[Kategorie:Geboren 1885]]
[[Kategorie:Gestorben 1945]]
[[Kategorie:Gestorben 1945]]
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Todesstrafe]]


{{Personendaten
{{Personendaten
|NAME=Draeger, Fr. E. Max
|NAME=Draeger, Max
|ALTERNATIVNAMEN=
|ALTERNATIVNAMEN=Draeger, Friedrich Ernst Max (vollständiger Name)
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher [[Jurist]] und NS-Opfer
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Richter; NS-Opfer
|GEBURTSDATUM=18. Januar 1885
|GEBURTSDATUM=18. Januar 1885
|GEBURTSORT=[[Marienburg]]
|GEBURTSORT=[[Malbork| Marienburg]], Westpreußen
|STERBEDATUM=20. April 1945
|STERBEDATUM=20. April 1945
|STERBEORT=[[Brandenburg an der Havel]]
|STERBEORT=[[Brandenburg an der Havel]]

Aktuelle Version vom 24. Mai 2024, 12:29 Uhr

Friedrich Ernst Max Draeger (* 18. Januar 1885 in Marienburg, Westpreußen; † 20. April 1945 in Brandenburg an der Havel) war ein deutscher Richter. Er war der letzte Präsident des Oberlandesgerichts Königsberg.

Draegers Eltern waren der Mühlenbesitzer Draeger und seine Frau Maria geb. Senger. Er studierte an der Albertus-Universität Rechtswissenschaft und wurde 1904 im Corps Hansea Königsberg aktiv.[1] 1909 wurde er an der Königlichen Universität zu Greifswald zum Dr. iur. promoviert.[2] Draeger war passionierter Bergsteiger.

Danzig und Duisburg

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 20. Mai 1920 wurde er Landrichter in Danzig, am 1. Juli 1920 Landgerichtsrat am Landgericht Danzig. Am 1. Januar 1922 kam er als Oberregierungsrat zur Justizabteilung des Senats der Freien Stadt Danzig. Seit dem 1. Januar 1925 Amtsgerichtsdirektor am Amtsgericht Danzig, wurde er am 1. November 1932 zum Landgerichtspräsident am Landgericht Guben und am 7. Juli 1933 zum Staatsrat und Leiter der Wirtschaft in Danzig ernannt. Ab 1. Oktober 1935 war er fast zwei Jahre Landgerichtspräsident des Landgerichts Duisburg, bevor er am 21. August 1937 für drei Monate Präsident des westpreußischen Oberlandesgerichts Marienwerder wurde.

Am 1. Dezember 1937 kam Draeger als Präsident des ostpreußischen Oberlandesgerichts nach Königsberg. Nachdem verschiedene Amtsrichter und gerichtlich bestellte Vormundschaftspfleger Nachforschungen nach den im Zuge der „Aktion Lange“ im Mai 1940 ermordeten 1558 Patienten ostpreußischer psychiatrischer Kliniken angestellt hatten, wies Draeger die zuständigen Gerichte an, von „nutzlosen Anfragen Abstand zu nehmen“. Zuvor hatte er dem Reichsminister der Justiz gegenüber bereits erklärt, dass „die Angelegenheit durch Übersendung der Sterbeurkunden der in Frage kommenden Personen demnächst ihre Erledigung finden würde“.[3]

Ein Versetzungswunsch an das OLG Kiel wurde 1943 von Hinrich Lohse, Gauleiter in Schleswig-Holstein und Reichskommissar Ostland, durch Intervention beim Reichsjustizministerium verhindert.[4]

Bei Anrücken der Roten Armee löste Draeger seine Behörde auf.[5] Offensichtlich geschah dies ohne Rücksprache mit dem Ministerium in Berlin. Mit Generalstaatsanwalt Szelinski verließ Draeger die Stadt Richtung Pillau, wo man sich nach Westen einschiffte. In Swinemünde (oder Stettin) angelangt, machten Draeger und Szelinski Meldung bei Justizminister Otto Georg Thierack. Dieser war durch einen Funkspruch von Gauleiter und „Reichsverteidigungskommissar“ (RVK) Erich Koch bereits alarmiert worden, „daß der Chefpräsident und der Generalstaatsanwalt Szelinski ohne Fühlungnahme mit dem RVK, und ohne für ordnungsgemäße Übertragung ihrer Dienstgeschäfte gesorgt zu haben, Königsberg mit ihrem Dienstkraftwagen über Pillau nach Danzig verlassen haben. Die Bevölkerung sei über dieses Verhalten der Vorstandsbeamten sehr erregt. Vom Innenministerium sei in Danzig veranlaßt worden, daß die beiden Vorstandsbeamten dort festgehalten würden. Er spreche die Bitte aus, auch von unserer Behörde notwendige Schritte gegen die beiden Vorstandsbeamten zu veranlassen.“[6][7]

Mit Thieracks Einverständnis ließ Gauleiter Franz Schwede beide als Deserteure verhaften und nach Berlin überstellen.[8] Szelinski nahm sich noch in der Untersuchungshaft das Leben. Draeger wurde vom Volksgerichtshof am 29. März 1945 wegen Wehrkraftzersetzung und Fahnenflucht zum Tode verurteilt. An dem Urteil gegen Draeger war Harry Haffner beteiligt. Am 4. April 1945 ins Zuchthaus Brandenburg eingeliefert, wurde Draeger am 20. April 1945 „ehrenhaft“ erschossen.

Walter Wagner bewertete 1974 Draegers Flucht nach Westen sehr dienstbezogen und führte sie darauf zurück, dass eine geordnete Arbeit im belagerten Königsberg schlicht unmöglich geworden sei.[9] Persönliche Motive oder die irrige Annahme, in Berlin auf Zustimmung zu stoßen, zog Wagner nicht in Betracht. Er bewertete die Todesstrafe für einen Spitzenvertreter des NS-Justizapparats rückblickend als „Märtyrertod“.

Draegers Tochter Lore Helbich berichtete 2007, dass die Angehörigen von der Hinrichtung erst im Dezember 1945 erfuhren. Die Urne wurde auf dem Friedhof in Berlin-Friedenau beigesetzt.

Während der Weimarer Republik gehörte Draeger von 1921 bis 1932 der DNVP an, er trat zum 1. Mai 1933 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 3.396.447).[10][11] Er engagierte sich im Reichsbund der Deutschen Beamten und im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund. Bei Kriegsende wurde er dem Kreisauer Kreis zugeordnet: Der Königsberger Pfarrer Hugo Linck notierte ihn als Mitglied des Königsberger Bruderrates der Bekennenden Kirche. Draegers Verurteilung könnte darauf zurückzuführen sein, dass man ihm Beziehungen zum Widerstand zur Last gelegt hatte. In den Beständen des ehemaligen Berlin Document Centers (BDC) existiert eine SA-Personalakte von Draeger; sie enthielt keine Unterlagen über das Disziplinarverfahren oder den Prozess vor dem Volksgerichtshof.

  • Rüdiger Döhler: Der Fall Max Draeger – ein Mord aus Rache? In: Sebastian Sigler: Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler. Duncker & Humblot, Berlin 2014. ISBN 978-3-428-14319-1, S. 431–435.
  • Hugo Linck: Der Kirchenkampf in Ostpreußen. 1933 bis 1945. Geschichte und Dokumentation. Gräfe und Unzer, München 1968, S. 220.
  • Emil Luckat: Draeger. In: Altpreußische Biographie, Bd. 3. Elwert, Marburg 1975, ISBN 3-7708-0504-6.
  • Hubert Schorn: Richter im Dritten Reich. Geschichte und Dokumente. Klostermann, Frankfurt am Main 1959.
  • Christian Tilitzki: Alltag in Ostpreußen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz. Sonderausgabe. Flechsig, Würzburg 2003, ISBN 3-88189-481-0.
  • Walter Wagner: Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat (Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus 3, Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 16), erw. Neuausgabe, München 2011.
  • Moritz von Köckritz: Die deutschen Oberlandesgerichtspräsidenten im Nationalsozialismus (1933–1945) (= Rechtshistorische Reihe 413), Peter Lang GmbH, Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-631-61791-5, S. 100ff. (nicht ausgewertet)

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Kösener Corpslisten 1960, 85/189
  2. Dissertation: Haben bei der Lebensversicherung zugunsten eines Dritten die Nachlaßgläubiger einen Zugriff auf die Versicherungssumme?
  3. Sascha Topp, Petra Fuchs, Gerrit Hohendorf, Paul Richter, Maike Rotzoll: Die Provinz Ostpreußen und die nationalsozialistische „Euthanasie“: SS - „Aktion Lange“ und „Aktion T4“. In: Medizinhistorisches Journal. Band 43, 2008, S. 35 ff.
  4. Personalakte (R 3001/54515) im Bundesarchiv.
  5. Walter Wagner: Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat, Erw. Neuausgabe, München 2011, S. 392.
  6. Zwei Aktenvermerke im Bestand des Reichsjustizministeriums vom 28. und 31. Januar 1945 [wo archiviert?]
  7. Christian Tilitzki: Alltag in Ostpreußen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz. Flechsig, Würzburg 2003, ISBN 3-88189-481-0, S. ?
  8. Schorn, Der Richter im Dritten Reich, S. 232; Walter Wagner, S. 392.
  9. Walter Wagner, S. 392.
  10. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/6771457
  11. Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich. 1933–1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Bd. 28). 3., verbesserte Auflage. Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-53833-0, S. 275