„Walter Gröger“ – Versionsunterschied

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Erst durch Recherchen Rolf Hochhuths wurden das Schicksal Grögers und die Umstände seiner Hinrichtung in der Bundesrepublik bekannt. Er informierte auch erstmals die Mutter Anna Gröger und die Freundin Marie Severinsen-Lindgren darüber. Es war das erste bekanntgewordene Todesurteil, das Hans Filbinger (CDU), damals [[Ministerpräsident]] von [[Baden-Württemberg]] und [[Präsident des deutschen Bundesrates|Präsident des deutschen Bundesrats]], als Marinerichter in der NS-Zeit beantragt oder gefällt hatte. Nachdem weitere Todesurteilsanträge Filbingers bekannt wurden, die er zuvor bestritten hatte, trat er 1978 als Ministerpräsident zurück. Er bestritt zeitlebens, dass er das Todesurteil für Gröger hätte abwenden können. Spätere Forschung hat jedoch ergeben, dass in vergleichbaren Fällen sehr wohl Alternativen bestanden. Nach heutiger Einschätzung von Historikern hatte Filbinger durchaus Ermessensspielraum, um die Todesstrafe für Gröger zu vermeiden. Diesen habe er nicht genutzt, weil er von deren Berechtigung überzeugt gewesen sei.<ref name="zeit" />
Erst durch Recherchen Rolf Hochhuths wurden das Schicksal Grögers und die Umstände seiner Hinrichtung in der Bundesrepublik bekannt. Er informierte auch erstmals die Mutter Anna Gröger und die Freundin Marie Severinsen-Lindgren darüber. Es war das erste bekanntgewordene Todesurteil, das Hans Filbinger (CDU), damals [[Ministerpräsident]] von [[Baden-Württemberg]] und [[Präsident des deutschen Bundesrates|Präsident des deutschen Bundesrats]], als Marinerichter in der NS-Zeit beantragt oder gefällt hatte. Nachdem weitere Todesurteilsanträge Filbingers bekannt wurden, die er zuvor bestritten hatte, trat er 1978 als Ministerpräsident zurück. Er bestritt zeitlebens, dass er das Todesurteil für Gröger hätte abwenden können. Spätere Forschung hat jedoch ergeben, dass in vergleichbaren Fällen sehr wohl Alternativen bestanden. Nach heutiger Einschätzung von Historikern hatte Filbinger durchaus Ermessensspielraum, um die Todesstrafe für Gröger zu vermeiden. Diesen habe er nicht genutzt, weil er von deren Berechtigung überzeugt gewesen sei.<ref name="zeit" />


Hochhuth verarbeitete Filbingers Umgang mit der Kritik an seinem Todesurteil 1979 in seinem Theaterstück ''Juristen''. Der Liedermacher [[Walter Mossmann]] veröffentlichte 1979 auf seinem Album ''Frühlingsanfang'' die ''Ballade vom toten Matrosen Walter Gröger''.<ref>Thomas Rothschild: ''Liedermacher: 23 Porträts''. Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1980, S. 132; [http://www.youtube.com/watch?v=vgslG1jkMo0&feature=related Walter Mossmann: ''Ballade vom toten Matrosen''] (auf youtube.com)</ref>
Hochhuth verarbeitete Filbingers Umgang mit der Kritik an seinem Todesurteil 1979 in seinem Theaterstück ''Juristen''. Der Liedermacher [[Walter Mossmann]] veröffentlichte 1979 auf seinem Album ''Frühlingsanfang'' die ''Ballade vom toten Matrosen Walter Gröger''.<ref>Thomas Rothschild: ''Liedermacher: 23 Porträts''. Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1980, S. 132</ref>


Gröger wurde 2002 im Zuge des [[Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege|Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege]], das sämtliche Urteile der [[Militärgericht]]e der NS-Zeit gegen [[Deserteur]]e der [[Wehrmacht]] aufhob, juristisch rehabilitiert.<ref>[http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/1932628_NS-Unrechtsurteile-Bundestag-rehabilitiert-Kriegsverraeter.html Bundestag rehabilitiert "Kriegsverräter", fr online]</ref>
Gröger wurde 2002 im Zuge des [[Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege|Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege]], das sämtliche Urteile der [[Militärgericht]]e der NS-Zeit gegen [[Deserteur]]e der [[Wehrmacht]] aufhob, juristisch rehabilitiert.<ref>[http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/1932628_NS-Unrechtsurteile-Bundestag-rehabilitiert-Kriegsverraeter.html Bundestag rehabilitiert "Kriegsverräter", fr online]</ref>

Version vom 17. Januar 2014, 09:51 Uhr

Walter Gröger (* 27. Juni 1922 in Mohrau, Landkreis Neisse, Provinz Schlesien im damaligen Deutschen Reich; † 16. März 1945 in Oslo, Norwegen) war Matrose der deutschen Kriegsmarine während des Zweiten Weltkriegs.

1943 versuchte er, sich der weiteren Beteiligung an den Kriegshandlungen zu entziehen, wurde verhaftet und zunächst zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Wenige Monate vor Kriegsende wurde das Urteil mit dem Vorwurf der Fahnenflucht ins Ausland in ein Todesurteil umgewandelt und Gröger daraufhin erschossen. Den Antrag dazu stellte der damalige Marinestabsrichter des NS-Regimes Hans Filbinger. Im Verlauf der Filbinger-Affäre 1978 entdeckte und veröffentlichte der Dichter Rolf Hochhuth den Fall Walter Gröger.

Leben

Weniger als zwei Monate nach Grögers Hinrichtung übergaben die Deutschen (hier Major Josef Nichterlein und sein Adjutant Hauptmann Hamel) die Festung Akershus, in der Gröger hingerichtet wurde, an Fähnrich Terje Rollem von der Norwegischen Widerstandsbewegung Milorg.

Walter Gröger war der Sohn eines Straßenwärters. Er meldete sich nach einer Schlosserlehre 1940 als 17-jähriger freiwillig zur Kriegsmarine. Auf dem Schlachtschiff Gneisenau machte er den Norwegenfeldzug mit, lag kurz in Kiel und war dann 1941/42 bei der Leningrader Blockade eingesetzt.

Ende Oktober 1943 wurde er nach Sopnis bei Narvik versetzt. Er reiste mit dem Schiff nach Oslo und erfuhr dort, dass sein Weitertransport erst in etwa zehn Tage gehe. Kurz vor Ablauf dieser Frist lernte er die damals 34-jährige Marie Severinsen-Lindgren kennen. Sie arbeitete als Krankenpflegehelferin in einem Lazarett der Organisation Todt.

Gröger versteckte sich vier Wochen bei Marie und plante, mit ihr ins neutrale Schweden zu fliehen. Er wurde jedoch von der Geheimen Feldpolizei (GFP) verhaftet und am 14. März 1944 von einem Marinekriegsgericht zu acht Jahren Zuchthaus und dem Verlust der Wehrwürdigkeit verurteilt. Das Gericht hatte ihm in diesem Verfahren einen „guten Kern“ zugesprochen, obwohl er zahlreiche militärische Vorstrafen hatte, der Stammrollenauszug zählt bis zum 10. Februar 1944 14 Strafeintragungen.

Generaladmiral Otto Schniewind hob das Urteil am 1. Juni 1944 allerdings wieder auf, „weil auf Todesstrafe hätte erkannt werden sollen“.

Filbinger beantragte anschließend die Todesstrafe wegen charakterlicher Schwächen und Grögers militärischen Vorstrafen auf Basis einer Führer-Richtlinie. Diese Richtlinie aus dem Jahr 1940 sah bei „Flucht oder versuchter Flucht ins Ausland“ die Todesstrafe „im allgemeinen als angebracht“ an. Ein Gnadengesuch seines Verteidigers Werner Schön wurde abgelehnt.

Marineoberstabsrichter Adolf Harms verurteilte Gröger am 22. Januar 1945 zum Tod als „einzig angemessene Sühne“. Am 27. Februar 1945 bestätigte das Oberkommando der Marine in Berlin das Todesurteil und lehnte das Gnadengesuch ab.

Am 15. März 1945 verfügte der damals 31-jährige Filbinger, der im Dezember 1944 nach Oslo versetzt worden war, für den Gerichtsherrn die Todesstrafe. Die Erschießung fand um 16:02 Uhr am selben Tag in der Festung Akershus in Anwesenheit Filbingers statt, der auch den Schießbefehl erteilte.[1] Der 22-jährige Gröger verstarb laut Bericht von Filbinger um 16:04 Uhr.[2]

Rezeption

Erst durch Recherchen Rolf Hochhuths wurden das Schicksal Grögers und die Umstände seiner Hinrichtung in der Bundesrepublik bekannt. Er informierte auch erstmals die Mutter Anna Gröger und die Freundin Marie Severinsen-Lindgren darüber. Es war das erste bekanntgewordene Todesurteil, das Hans Filbinger (CDU), damals Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Präsident des deutschen Bundesrats, als Marinerichter in der NS-Zeit beantragt oder gefällt hatte. Nachdem weitere Todesurteilsanträge Filbingers bekannt wurden, die er zuvor bestritten hatte, trat er 1978 als Ministerpräsident zurück. Er bestritt zeitlebens, dass er das Todesurteil für Gröger hätte abwenden können. Spätere Forschung hat jedoch ergeben, dass in vergleichbaren Fällen sehr wohl Alternativen bestanden. Nach heutiger Einschätzung von Historikern hatte Filbinger durchaus Ermessensspielraum, um die Todesstrafe für Gröger zu vermeiden. Diesen habe er nicht genutzt, weil er von deren Berechtigung überzeugt gewesen sei.[2]

Hochhuth verarbeitete Filbingers Umgang mit der Kritik an seinem Todesurteil 1979 in seinem Theaterstück Juristen. Der Liedermacher Walter Mossmann veröffentlichte 1979 auf seinem Album Frühlingsanfang die Ballade vom toten Matrosen Walter Gröger.[3]

Gröger wurde 2002 im Zuge des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege, das sämtliche Urteile der Militärgerichte der NS-Zeit gegen Deserteure der Wehrmacht aufhob, juristisch rehabilitiert.[4]

Literatur

Fußnoten

  1. Robert Probst: Hans Filbinger und die Militär-Justiz. In: Die ZEIT. 13. April 2007, abgerufen am 12. November 2009.
  2. a b http://www.sueddeutsche.de/politik/filbinger-und-der-fall-groeger-kein-wort-des-bedauerns-1.776259
  3. Thomas Rothschild: Liedermacher: 23 Porträts. Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1980, S. 132
  4. Bundestag rehabilitiert "Kriegsverräter", fr online