„Nuklearer Winter“ – Versionsunterschied

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* Großbrände in den getroffenen Städten verbrennen große Mengen an Öl und Kunststoffen, die einen noch dichteren Rauch erzeugen als Waldbrände
* Großbrände in den getroffenen Städten verbrennen große Mengen an Öl und Kunststoffen, die einen noch dichteren Rauch erzeugen als Waldbrände


Durch die enorme Hitze dieser großflächigen Feuer würden Rauch, [[Ruß]] und [[Staub]] sehr hoch in die Atmosphäre getragen, so dass es je nach Ausmaß der Zerstörung Wochen oder Monate dauern würde, bis sie wieder abgesunken oder ausgewaschen seien. Während dieser Zeit würde ein Großteil des einfallenden [[Sonnenlicht]]s von ihnen absorbiert, so dass die Oberflächentemperatur um etwa 11 bis 22 Grad Celsius zurückginge. Die Kälte einerseits und die dadurch entstehenden Ernteausfälle mit nachfolgender [[Hungersnot]] andererseits seien danach für eine viel höhere Anzahl an Opfern verantwortlich als die Bomben selbst.
Durch die enorme Hitze dieser großflächigen Feuer würden Rauch, [[Ruß]] und [[Staub]] sehr hoch in die Atmosphäre getragen, so dass es je nach Ausmaß der Zerstörung Wochen oder Monate dauern würde, bis sie wieder abgesunken oder ausgewaschen seien. Während dieser Zeit würde ein Großteil des einfallenden [[Sonnenlicht]]s von ihnen absorbiert, so dass die Oberflächentemperatur um etwa 11 bis 22 K ([[Kelvin]]) zurückginge. Die Kälte einerseits und die dadurch entstehenden Ernteausfälle mit nachfolgender [[Hungersnot]] andererseits seien danach für eine viel höhere Anzahl an Opfern verantwortlich als die Bomben selbst.


Die ersten Modellrechnungen zum Konzept des nuklearen Winters litten unter den damals begrenzten Rechnerkapazitäten. So wurde nur ein kleiner Teil der Atmosphäre modelliert, und auch der Einfluss von Ozeanen auf das Klima konnte nicht berücksichtigt werden. In neuen Modellrechnungen<ref>Robock, A., L. Oman, and G. L. Stenchikov (2007), Nuclear winter revisited with a modern climate model and current nuclear arsenals: Still catastrophic consequences, J. Geophys. Res., 112, D13107, [[doi:10.1029/2006JD008235]]</ref> mit dem reduzierten Arsenal nach dem Ende des Kalten Kriegs zeigt sich, dass die Effekte damals eher unterschätzt wurden. Unter Verwendung des [[NASA]]-''ModelE'', das auch zur Simulation der [[Erderwärmung]] und anderer aktueller Klimafragen benutzt wird, konnten Robock und Kollegen zeigen, dass die Durchschnittstemperatur auf der [[Erdoberfläche]] je nach Ausmaß des Nuklearschlags um 6 – 8&nbsp;°C absinken würde; große Bereiche in [[Nordamerika]] und [[Eurasien]] inklusive aller landwirtschaftlich relevanten Gegenden dort würden sogar mehr als 20 bzw. 30&nbsp;°C abkühlen. Dieser Effekt hielt für die gesamte Simulationsdauer von zehn Jahren an.
Die ersten Modellrechnungen zum Konzept des nuklearen Winters litten unter den damals begrenzten Rechnerkapazitäten. So wurde nur ein kleiner Teil der Atmosphäre modelliert, und auch der Einfluss von Ozeanen auf das Klima konnte nicht berücksichtigt werden. In neuen Modellrechnungen<ref>Robock, A., L. Oman, and G. L. Stenchikov (2007), Nuclear winter revisited with a modern climate model and current nuclear arsenals: Still catastrophic consequences, J. Geophys. Res., 112, D13107, [[doi:10.1029/2006JD008235]]</ref> mit dem reduzierten Arsenal nach dem Ende des Kalten Kriegs zeigt sich, dass die Effekte damals eher unterschätzt wurden. Unter Verwendung des [[NASA]]-''ModelE'', das auch zur Simulation der [[Erderwärmung]] und anderer aktueller Klimafragen benutzt wird, konnten Robock und Kollegen zeigen, dass die Durchschnittstemperatur auf der [[Erdoberfläche]] je nach Ausmaß des Nuklearschlags um 6 – 8&nbsp;K absinken würde; große Bereiche in [[Nordamerika]] und [[Eurasien]] inklusive aller landwirtschaftlich relevanten Gegenden dort würden sogar mehr als 20 bzw. 30&nbsp;K abkühlen. Dieser Effekt hielt für die gesamte Simulationsdauer von zehn Jahren an.


== Wissenschaftsgeschichte ==
== Wissenschaftsgeschichte ==
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Da bisher kein Einsatz von Kernwaffen mit ausreichender Sprengkraft erfolgt ist, liegen keine direkten Beobachtungen des Phänomens vor. 1974 wies John Hampson in der Wissenschaftszeitschrift [[Nature]] auf die Möglichkeit der Schädigung der [[Ozonschicht]] durch Nuklearwaffen hin. Dabei rechnete der Autor mit einer mehrjährigen Schädigung der Ozonschicht durch Nitroverbindungen. Infolgedessen würde mehr schädigende [[Ultraviolette Strahlung|UV-Strahlung]] auf der Planetenoberfläche auftreffen.<ref>{{cite journal |author=Hampson J. |title=Photochemical war on the atmosphere |journal=[[Nature]] |volume=250 |issue=5463 |pages=189–91 |year=1974 |url=http://www.nature.com/nature/journal/v250/n5463/pdf/250189a0.pdf |doi=10.1038/250189a0}}</ref> 1982 publizierten [[Paul J. Crutzen]] und John W. Birks eine Modellrechnung für das Klima nach einem ausgedehnten nuklearen Schlagabtausch in einer Zeitschrift der schwedischen Akademie der Wissenschaften. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine Abkühlung über eine längere Zeit nach den Explosionen wahrscheinlich sei. Die Nahrungsmittelproduktion würde auf der nördlichen Hemisphäre zusammenbrechen. Als Hauptursache nahmen die Autoren [[Nitrose Gase|Nitrosegase]] und Sauerstoffradikale aus Bränden nach den Detonationen an.<ref name=crutzen>{{cite journal |author=[[Paul J. Crutzen]]., Birks J. |title=The atmosphere after a nuclear war: Twilight at noon |journal=[[Ambio]] |volume=11 |pages=114–25 |year=1982 |url=http://www.jstor.org/pss/4312777?cookieSet=1}}</ref>
Da bisher kein Einsatz von Kernwaffen mit ausreichender Sprengkraft erfolgt ist, liegen keine direkten Beobachtungen des Phänomens vor. 1974 wies John Hampson in der Wissenschaftszeitschrift [[Nature]] auf die Möglichkeit der Schädigung der [[Ozonschicht]] durch Nuklearwaffen hin. Dabei rechnete der Autor mit einer mehrjährigen Schädigung der Ozonschicht durch Nitroverbindungen. Infolgedessen würde mehr schädigende [[Ultraviolette Strahlung|UV-Strahlung]] auf der Planetenoberfläche auftreffen.<ref>{{cite journal |author=Hampson J. |title=Photochemical war on the atmosphere |journal=[[Nature]] |volume=250 |issue=5463 |pages=189–91 |year=1974 |url=http://www.nature.com/nature/journal/v250/n5463/pdf/250189a0.pdf |doi=10.1038/250189a0}}</ref> 1982 publizierten [[Paul J. Crutzen]] und John W. Birks eine Modellrechnung für das Klima nach einem ausgedehnten nuklearen Schlagabtausch in einer Zeitschrift der schwedischen Akademie der Wissenschaften. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine Abkühlung über eine längere Zeit nach den Explosionen wahrscheinlich sei. Die Nahrungsmittelproduktion würde auf der nördlichen Hemisphäre zusammenbrechen. Als Hauptursache nahmen die Autoren [[Nitrose Gase|Nitrosegase]] und Sauerstoffradikale aus Bränden nach den Detonationen an.<ref name=crutzen>{{cite journal |author=[[Paul J. Crutzen]]., Birks J. |title=The atmosphere after a nuclear war: Twilight at noon |journal=[[Ambio]] |volume=11 |pages=114–25 |year=1982 |url=http://www.jstor.org/pss/4312777?cookieSet=1}}</ref>


1983 machten Turco und Mitarbeiter in der Fachzeitschrift [[Science]] in einer Modellrechnungsstudie auf die direkten und indirekten Schäden von Kernwaffenexplosionen aufmerksam. Die Studie wurde nach den Initialen ihrer Autoren auch als TTAPS-Studie bezeichnet und prägte den Begriff ''nuklearer Winter'' (engl. ''nuclear winter''). Sie stellte ein Szenario mit einer mehrwöchigen Kühlung auf −15 bis −25 Grad Celsius beim Einsatz mehrerer tausend Megatonnen vor. Ebenso postulierte sie, dass bereits ab 100 Megatonnen über Großstädten eine merkliche Temperaturabkühlung auf wenige Grade über dem Gefrierpunkt eintreten könnte. Die Autoren berechneten Wald- und Baubrände sowie den direkt durch Luft- und Bodenexplosionen verursachten Anfall von Staub. Sie merkten jedoch auch an, dass viele Parameter noch unerforscht und nicht berücksichtigt worden seien.<ref name="name">{{cite journal |author=R. P. Turco, O. B. Toon, T. P. Ackerman, J. B. Pollack, and [[Carl Sagan]] |title=Nuclear Winter: Global Consequences of Multiple Nuclear Explosions |journal=[[Science]] |volume=222 |issue=4630 |pages=1283–92 |date=1983-12-23 |pmid=17773320 |url=http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/222/4630/1283 |doi=10.1126/science.222.4630.1283}}</ref> Im selben Jahr kam eine [[Sowjetunion|sowjetische]] Forschergruppe um Wladimir W. Alexandrow auf Basis eines eigenen Modells zu ähnlichen Ergebnissen wie die TTAPS-Studie.<ref>Alexandrov, V. V. and G. I. Stenchikov (1983): ''On the modeling of the climatic consequences of the nuclear war'' The Proceeding of Appl. Mathematics, 21 p., The Computing Center of the AS USSR, Moscow.</ref>
1983 machten Turco und Mitarbeiter in der Fachzeitschrift [[Science]] in einer Modellrechnungsstudie auf die direkten und indirekten Schäden von Kernwaffenexplosionen aufmerksam. Die Studie wurde nach den Initialen ihrer Autoren auch als TTAPS-Studie bezeichnet und prägte den Begriff ''nuklearer Winter'' (engl. ''nuclear winter''). Sie stellte ein Szenario mit einer mehrwöchigen Abkühlung auf −15 bis −25 Grad Celsius beim Einsatz mehrerer tausend Megatonnen vor. Ebenso postulierte sie, dass bereits ab 100 Megatonnen über Großstädten eine merkliche Temperaturabkühlung auf wenige Grade über dem Gefrierpunkt eintreten könnte. Die Autoren berechneten Wald- und Baubrände sowie den direkt durch Luft- und Bodenexplosionen verursachten Anfall von Staub. Sie merkten jedoch auch an, dass viele Parameter noch unerforscht und nicht berücksichtigt worden seien.<ref name="name">{{cite journal |author=R. P. Turco, O. B. Toon, T. P. Ackerman, J. B. Pollack, and [[Carl Sagan]] |title=Nuclear Winter: Global Consequences of Multiple Nuclear Explosions |journal=[[Science]] |volume=222 |issue=4630 |pages=1283–92 |date=1983-12-23 |pmid=17773320 |url=http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/222/4630/1283 |doi=10.1126/science.222.4630.1283}}</ref> Im selben Jahr kam eine [[Sowjetunion|sowjetische]] Forschergruppe um Wladimir W. Alexandrow auf Basis eines eigenen Modells zu ähnlichen Ergebnissen wie die TTAPS-Studie.<ref>Alexandrov, V. V. and G. I. Stenchikov (1983): ''On the modeling of the climatic consequences of the nuclear war'' The Proceeding of Appl. Mathematics, 21 p., The Computing Center of the AS USSR, Moscow.</ref>


Sechs amerikanische Wissenschaftler behaupten in einer 1984 veröffentlichte Studie, der Einsatz von Atomwaffen mit einer Gesamtsprengkraft von 5000 Megatonnen, müßte unweigerlich die Erde verdunkeln.<ref>http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13508607.html Der Spiegel 33/1984 Nuklearer Winter, abgerufen 23. Juni 2015</ref>
Sechs amerikanische Wissenschaftler behaupten in einer 1984 veröffentlichte Studie, der Einsatz von Atomwaffen mit einer Gesamtsprengkraft von 5000 Megatonnen, müßte unweigerlich die Erde verdunkeln.<ref>http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13508607.html Der Spiegel 33/1984 Nuklearer Winter, abgerufen 23. Juni 2015</ref>


1990 legt das TTAPS-Team eine Folgestudie vor, die aufgrund von Laborexperimenten, neuen Daten anderer Forschergruppen und verfeinerten Klimamodellen eine detaillierte Prognose abgab. Im Falle eines Nuklearkriegs sagte die Studie Abnahmen der Durchschnittstemperatur um 20 Grad Celsius und 75 % weniger Niederschlag in den mittleren Breitengraden vorher. Ebenso wurde die Hypothese aufgestellt, dass durch eine Stabilisierung der mittleren Atmosphärenschichten der Austausch zwischen den Hemisphären befördert würde. Infolgedessen würde auch die Südhalbkugel von den Folgen eines Krieges auf der Nordhalbkugel betroffen sein.<ref>Turco, R.P., Toon, A.B., Ackerman, T.P., Pollack, J.B., Sagan, C. (TTAPS) (January 1990). ''Climate and Smoke: An Appraisal of Nuclear Winter''. [[Science]] 247: 167–8.</ref>
1990 legt das TTAPS-Team eine Folgestudie vor, die aufgrund von Laborexperimenten, neuen Daten anderer Forschergruppen und verfeinerten Klimamodellen eine detaillierte Prognose abgab. Im Falle eines Nuklearkriegs sagte die Studie Abnahmen der Durchschnittstemperatur um 20&nbsp;K und 75 % weniger Niederschlag in den mittleren Breitengraden vorher. Ebenso wurde die Hypothese aufgestellt, dass durch eine Stabilisierung der mittleren Atmosphärenschichten der Austausch zwischen den Hemisphären befördert würde. Infolgedessen würde auch die Südhalbkugel von den Folgen eines Krieges auf der Nordhalbkugel betroffen sein.<ref>Turco, R.P., Toon, A.B., Ackerman, T.P., Pollack, J.B., Sagan, C. (TTAPS) (January 1990). ''Climate and Smoke: An Appraisal of Nuclear Winter''. [[Science]] 247: 167–8.</ref>


== Kritikpunkte ==
== Kritikpunkte ==

Version vom 15. Juni 2016, 12:22 Uhr

Der Begriff nuklearer Winter bezeichnet die Verdunkelung und Abkühlung der Erdatmosphäre als Folge einer großen Anzahl von Kernwaffenexplosionen.

Szenarien

Die Forschung zum nuklearen Winter beschreibt mehrere voneinander unabhängige Effekte, die nach einem großflächigen Einsatz von Atomwaffen nach Ansicht der Autoren zu einem nuklearen Winter führen können:

  • Durch die Wucht der Explosionen wird eine große Menge Staub in die Atmosphäre geschleudert
  • Große Flächenbrände werden durch die Hitzeentwicklung entzündet und erzeugen dichten Rauch
  • Großbrände in den getroffenen Städten verbrennen große Mengen an Öl und Kunststoffen, die einen noch dichteren Rauch erzeugen als Waldbrände

Durch die enorme Hitze dieser großflächigen Feuer würden Rauch, Ruß und Staub sehr hoch in die Atmosphäre getragen, so dass es je nach Ausmaß der Zerstörung Wochen oder Monate dauern würde, bis sie wieder abgesunken oder ausgewaschen seien. Während dieser Zeit würde ein Großteil des einfallenden Sonnenlichts von ihnen absorbiert, so dass die Oberflächentemperatur um etwa 11 bis 22 K (Kelvin) zurückginge. Die Kälte einerseits und die dadurch entstehenden Ernteausfälle mit nachfolgender Hungersnot andererseits seien danach für eine viel höhere Anzahl an Opfern verantwortlich als die Bomben selbst.

Die ersten Modellrechnungen zum Konzept des nuklearen Winters litten unter den damals begrenzten Rechnerkapazitäten. So wurde nur ein kleiner Teil der Atmosphäre modelliert, und auch der Einfluss von Ozeanen auf das Klima konnte nicht berücksichtigt werden. In neuen Modellrechnungen[1] mit dem reduzierten Arsenal nach dem Ende des Kalten Kriegs zeigt sich, dass die Effekte damals eher unterschätzt wurden. Unter Verwendung des NASA-ModelE, das auch zur Simulation der Erderwärmung und anderer aktueller Klimafragen benutzt wird, konnten Robock und Kollegen zeigen, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche je nach Ausmaß des Nuklearschlags um 6 – 8 K absinken würde; große Bereiche in Nordamerika und Eurasien inklusive aller landwirtschaftlich relevanten Gegenden dort würden sogar mehr als 20 bzw. 30 K abkühlen. Dieser Effekt hielt für die gesamte Simulationsdauer von zehn Jahren an.

Wissenschaftsgeschichte

Diagramm veröffentlicht durch die CIA basierend auf den errechneten Temperaturveränderungen aus Alexandrow/Stenchikow, 1983

Da bisher kein Einsatz von Kernwaffen mit ausreichender Sprengkraft erfolgt ist, liegen keine direkten Beobachtungen des Phänomens vor. 1974 wies John Hampson in der Wissenschaftszeitschrift Nature auf die Möglichkeit der Schädigung der Ozonschicht durch Nuklearwaffen hin. Dabei rechnete der Autor mit einer mehrjährigen Schädigung der Ozonschicht durch Nitroverbindungen. Infolgedessen würde mehr schädigende UV-Strahlung auf der Planetenoberfläche auftreffen.[2] 1982 publizierten Paul J. Crutzen und John W. Birks eine Modellrechnung für das Klima nach einem ausgedehnten nuklearen Schlagabtausch in einer Zeitschrift der schwedischen Akademie der Wissenschaften. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine Abkühlung über eine längere Zeit nach den Explosionen wahrscheinlich sei. Die Nahrungsmittelproduktion würde auf der nördlichen Hemisphäre zusammenbrechen. Als Hauptursache nahmen die Autoren Nitrosegase und Sauerstoffradikale aus Bränden nach den Detonationen an.[3]

1983 machten Turco und Mitarbeiter in der Fachzeitschrift Science in einer Modellrechnungsstudie auf die direkten und indirekten Schäden von Kernwaffenexplosionen aufmerksam. Die Studie wurde nach den Initialen ihrer Autoren auch als TTAPS-Studie bezeichnet und prägte den Begriff nuklearer Winter (engl. nuclear winter). Sie stellte ein Szenario mit einer mehrwöchigen Abkühlung auf −15 bis −25 Grad Celsius beim Einsatz mehrerer tausend Megatonnen vor. Ebenso postulierte sie, dass bereits ab 100 Megatonnen über Großstädten eine merkliche Temperaturabkühlung auf wenige Grade über dem Gefrierpunkt eintreten könnte. Die Autoren berechneten Wald- und Baubrände sowie den direkt durch Luft- und Bodenexplosionen verursachten Anfall von Staub. Sie merkten jedoch auch an, dass viele Parameter noch unerforscht und nicht berücksichtigt worden seien.[4] Im selben Jahr kam eine sowjetische Forschergruppe um Wladimir W. Alexandrow auf Basis eines eigenen Modells zu ähnlichen Ergebnissen wie die TTAPS-Studie.[5]

Sechs amerikanische Wissenschaftler behaupten in einer 1984 veröffentlichte Studie, der Einsatz von Atomwaffen mit einer Gesamtsprengkraft von 5000 Megatonnen, müßte unweigerlich die Erde verdunkeln.[6]

1990 legt das TTAPS-Team eine Folgestudie vor, die aufgrund von Laborexperimenten, neuen Daten anderer Forschergruppen und verfeinerten Klimamodellen eine detaillierte Prognose abgab. Im Falle eines Nuklearkriegs sagte die Studie Abnahmen der Durchschnittstemperatur um 20 K und 75 % weniger Niederschlag in den mittleren Breitengraden vorher. Ebenso wurde die Hypothese aufgestellt, dass durch eine Stabilisierung der mittleren Atmosphärenschichten der Austausch zwischen den Hemisphären befördert würde. Infolgedessen würde auch die Südhalbkugel von den Folgen eines Krieges auf der Nordhalbkugel betroffen sein.[7]

Kritikpunkte

Kritiker bemängeln, dass sowohl die mögliche Taktik von Kernwaffeneinsätzen (z. B. Luft- oder Bodendetonation), die Verminderung der Brandgefahr in einem Verteidigungsfall (sog. „Entrümpelung“, Schaffung von Brandschneisen etc.), die Druck- und Sogwirkung der Kernwaffen (und die damit einhergehende Blaswirkung, die in der Lage ist, Entstehungsbrände zu löschen) sowie weitere Faktoren außer Acht gelassen oder nicht genügend berücksichtigt worden seien. Auch seien Brand-Daten aus den im Zweiten Weltkrieg mit Kernwaffen zerstörten Städten Hiroshima und Nagasaki nicht auf Verhältnisse anderer Länder übertragbar (Bauweise, Bauart, Einzelfeuerungsöfen etc.).

Siehe auch

Referenzen

  1. Robock, A., L. Oman, and G. L. Stenchikov (2007), Nuclear winter revisited with a modern climate model and current nuclear arsenals: Still catastrophic consequences, J. Geophys. Res., 112, D13107, doi:10.1029/2006JD008235
  2. Hampson J.: Photochemical war on the atmosphere. In: Nature. 250. Jahrgang, Nr. 5463, 1974, S. 189–91, doi:10.1038/250189a0 (nature.com [PDF]).
  3. Paul J. Crutzen., Birks J.: The atmosphere after a nuclear war: Twilight at noon. In: Ambio. 11. Jahrgang, 1982, S. 114–25 (jstor.org).
  4. R. P. Turco, O. B. Toon, T. P. Ackerman, J. B. Pollack, and Carl Sagan: Nuclear Winter: Global Consequences of Multiple Nuclear Explosions. In: Science. 222. Jahrgang, Nr. 4630, 23. Dezember 1983, S. 1283–92, doi:10.1126/science.222.4630.1283, PMID 17773320 (sciencemag.org).
  5. Alexandrov, V. V. and G. I. Stenchikov (1983): On the modeling of the climatic consequences of the nuclear war The Proceeding of Appl. Mathematics, 21 p., The Computing Center of the AS USSR, Moscow.
  6. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13508607.html Der Spiegel 33/1984 Nuklearer Winter, abgerufen 23. Juni 2015
  7. Turco, R.P., Toon, A.B., Ackerman, T.P., Pollack, J.B., Sagan, C. (TTAPS) (January 1990). Climate and Smoke: An Appraisal of Nuclear Winter. Science 247: 167–8.