Weltpolitik

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Weltpolitik bezeichnet im Besonderen die deutsche Außen- und Kolonialpolitik im Zeitalter des Imperialismus. In einem allgemeinen Sinne können darunter auch alle politischen Vorgänge in der internationalen Politik insgesamt und der Versuch, auf all diese Vorgänge entscheidenden Einfluss zu nehmen, verstanden werden.

Deutsche Weltpolitik um 1900

Im Zeitalter des Imperialismus wurde unter Weltpolitik vor allem der Anspruch des Deutschen Reiches verstanden, an allen Entscheidungen der Großmächte teilnehmen zu dürfen, die den Erwerb von Kolonien betrafen. Dieser Anspruch wurde am 6. Dezember 1897 während einer Sitzung des Reichstags programmatisch formuliert, als der neue Staatssekretär des Äußeren Bernhard von Bülow erklärte: „Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“[1] Diese Forderung nach Weltpolitik wurde von breiten Kreisen der wilhelminischen Gesellschaft als Fortsetzung der Reichsgründung verstanden: Nachdem Otto von Bismarcks Werk, die deutsche Einheit zu schaffen und durch eine eher defensive Außenpolitik abzusichern, gelungen war, schien jetzt in einem zweiten Schritt die Gründung und der der Ausbau eines deutschen Kolonialreichs auf der Tagesordnung zu stehen. 1895 hatte der Nationalökonom Max Weber bei seiner Antrittsvorlesung an der Universität Freiburg erklärt:

„Wir müssen begreifen, dass die Einigung Deutschlands ein Jugendstreich war, den die Nation auf ihre alten Tage beging und der Kostspieligkeit halber besser unterlassen hätte, wenn sie der Abschluss und nicht der Ausgangspunkt einer deutschen Weltmachtpolitik sein sollte.“[2]

Anders als bei der deutschen Kolonialagitation der 1880er Jahren standen bei den Forderungen nach einer deutschen Weltpolitik weniger konkrete wirtschaftliche, soziale oder missionierende Aspekte im Vordergrund, sondern Fragen des nationalen Prestiges und der Selbstbehauptung in einer sozialdarwinistisch verstanden Konkurrenz der Großmächte: Deutschland als „Nachzügler“ müsse jetzt den ihm zustenden Anteil einfordern.[3]

Der politische Ausdruck dieser Weltpolitik war weniger der Erwerb neuer Kolonien, als vielmehr ein fordernd-forsches Auftreten nach außen, wie es sich etwa in der Krüger-Depesche und den beiden Marokkokrisen 1905 und 1911 zeigte, sowie das Flottenwettrüsten mit Großbritannien.[4] Die deutsche Weltpolitik trug dadurch wesentlich zu einer Isolierung des Deutschen Reiches im Kreis der Kolonialmächte bei. Spätestens mit dem russisch-britischen Bündnisvertrag von 1907 und der Vollendung der Triple Entente war die deutsche Weltpolitik gescheitert.[5]

Sonstige Verwendung des Begriffs

Weltpolitik als innerer Zusammenhang aller politischen Vorgänge auf der Welt ist erst im Verlauf der Neuzeit entstanden. Sie manifestierte sich in den beiden Weltkriegen und insbesondere in der Blockbildung im Kalten Krieg ab 1947.

Weltpolitik als Versuch, eine neue Weltordnung zu schaffen, wurde von Großbritannien mit seinem Empire in Ansätzen, im Ersten Weltkrieg insbesondere von Woodrow Wilson durch seinen Einsatz für eine Weltfriedensordnung, wie sie im Völkerbund ohne die USA nur sehr unvollkommen entstand, nach 1945 von den beiden Supermächten USA und Sowjetunion durch die Bildung der Vereinten Nationen und nach 1990 von den USA bei ihrer Abkopplung von der UNO betrieben.

Siehe auch

Literatur

  • Ernst-Otto Czempiel: Weltpolitik im Umbruch. Das internationale System nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. 2., neubearbeitete Auflage, München (C. H. Beck), 1993, ISBN 3-406-37827-7.
  • Werner Link: Die Neuordnung der Weltpolitik: Grundprobleme globaler Politik an der Schwelle zum 21.Jahrhundert. München (C. H. Beck) 2001.
  • Rudolf A Mark: Im Schatten des Great Game. Deutsche Weltpolitik und russischer Imperialismus in Zentralasien 1871 - 1914. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-77579-5.
  • Volker Rittberger, Andreas Kruck, Anne Romund (Hg.): Grundzüge der Weltpolitik. Theorie und Empirie des Weltregierens. Wiesbaden (VS Verlag) 2010, ISBN 978-3-531-16352-9.

Einzelnachweise

  1. Johannes Penzler (Hrsg.): Fürst Bülows Reden nebst urkundlichen Beiträgen zu seiner Politik., Bd. 1, Georg Reimer, Berlin 1907. S. 6–8 (in Wikisource), zitiert bei Michael Fröhlich: Imperialismus. Deutsche Kolonial- und Weltpolitik 1880–1914. dtv, München 1994, S. 73.
  2. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1845/49–1914. C.H. Beck, München 1995, S. 1140.
  3. Winfried Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam, Stuttgart 2005, S. 35 f.
  4. Winfried Speikamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam, Stuttgart 2005, S. 36 f.
  5. Michael Fröhlich: Imperialismus. Deutsche Kolonial- und Weltpolitik 1880–1914. dtv, München 1994, S. 116 f. u.ö.