Heinrich Dumoulin

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Heinrich Dumoulin (1953)

Heinrich Dumoulin (* 31. Mai 1905 in Wevelinghoven bei Grevenbroich, Nordrhein-Westfalen; † 21. Juli 1995 in Tokio, Japan) war ein deutscher katholischer Theologe, Jesuit, Autor und Religionswissenschaftler mit Zen-Buddhismus als Forschungsschwerpunkt.

Leben

Dumoulin wuchs als drittes von vier Kindern des Notars Carl Dumoulin und dessen Ehefrau Johanna (geb. Nonnenmühlen) in Wevelinghoven auf. Von Romano Guardini inspiriert, engagierte er sich schon früh in einem katholischen Jugendverband, im September 1924 trat Dumoulin in den Jesuitenorden ein. Nach seinem Noviziat im Bonifatiushaus von s’Heerenberg studierte er ab 1926–29 Philosophie am St. Ignatius Kolleg in Valkenburg aan de Geul (Holland) und wurde zum Dr. phil. promoviert. 1930–34 folgte ein Studium der Katholischen Theologie in Valkenburg. Im August 1933 empfing er die Priesterweihe. Nachdem er 1929–30 an der Universität Berlin Japanisch gelernt hatte und sich von April 1934 bis Juli 1935 mittels der Gesellschaft Jesu (Societas Jesu, Ordenskürzel SJ) im St. Beuno’s College (St Beuno's Jesuit Spirituality Centre) in Tremeirchion, Denbighshire (Wales) auf seinen Auslandseinsatz vorbereitete, wurde er 1935 unter der Leitung von Hugo Enomiya-Lassalle nach Japan entsandt. Dort entdeckte er sein Interesse für Shintoismus und Buddhismus, besonders aber den Zen-Buddhismus, dessen systematisch erweiterte und vertiefte Erforschung für ihn zu einem Lebenswerk wurde. Von Enomiya-Lassalle ermutigt, studierte er bereits 1936–1939 Japanische Religionsgeschichte an der Kaiserlichen Universität Tokio und erlangte 1946 an der Universität Tokio mit seiner Arbeit über den Shintoisten Kamo no Mabuchi einen akademisch dem Doktor vergleichbaren Rang.[1] Nach einer Professur am Priesterseminar Tokio wirkte er von 1941 bis 1976 als Professor an der römisch-katholischen Sophia-Universität, Fakultät für Literatur, Abt. Philosophie. Einer Idee von Pater Giuseppe Pittau entsprechend, schuf Dumoulin 1969 das „Institute of Oriental Religions“, umgesetzt mit Mitgliedern verschiedener Bereich der Sophia-Universität; bis 1976 leitete er das Institut als Direktor. Des Weiteren begründete er das „Nanzan Institute for Religion and Culture“ (heute Teil der katholischen Nanzan-Universität in Nagoya), dessen erster Direktor er 1975–1976 war.

Mit zwei Zen-Mönchen zusammen übersetzte er erstmals in den 1940er Jahren das Mumonkan ins Deutsche, es lehrte ihn die Mühen solcher Übersetzungen und war zugleich eine Herausforderung, die er dankbar annahm. Mit Hilfe renommierter japanischer Wissenschaftler und Experten, aber auch Vorort-Studien buddhistischer Tradition, Entwicklung und Kunst auf seinen Reisen nach Indien, Ceylon (Sri Lanka), Afghanistan, Pakistan, Korea, Taiwan und Indonesien wurde er zu einem der wichtigsten westlichen Kenner dieser Religion. Nach seinem formalen Ruhestand 1976 widmete er von seinem SJ-Haus in der Sophia-Universität aus weitere zwei Jahrzehnte hauptsächlich den Buddhismus-Forschungen.

Zu seinen Verdiensten gehört der jahrzehntelange Einsatz für den interreligiösen Dialog, z. B. 1964–79 als Berater des Vatikans für nichtchristliche Religionen und im Komitee der Japanischer Bischofskonferenz. Seit 1967 war er Leitungsmitglied der jährlichen Kolloquien zwischen Zen-Buddhisten und Christen. Sein Ziel im Dialog war weder die Bekehrung noch eine Art des Synkretismus, sondern ein respektvolles Gegenüber und Miteinander, bei dem beide Seiten nur unaufhörlich voneinander lernen können. In Asien, Amerika und Europa hielt er eine große Anzahl von Vorträgen, Gastprofessuren führten ihn an die Universitäten München und Innsbruck sowie an die Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main, die Theologische Fakultät der Universität Würzburg verlieh ihm 1970 die Ehrendoktorwürde.

International bekannt wurde er vor allem durch seine auch ins Englische übersetzten Werke zur Geschichte des Zen-Buddhismus. Die erste Fassung von Zen. Geschichte und Gestalt, 1959 in Bern veröffentlicht, erschien 1963 auch in den USA und Großbritannien. Dieses Werk wurde bald zu einem Referenzwerk, das von Fachleuten in der ganzen Welt beachtet wurde, und Dumoulin fand sich im Rampenlicht der Wissenschaft wieder. Zwischen 1979 und 1984 überarbeitete er diese Geschichte und entwickelte sie weiter, wobei er ihren Umfang verdoppelte.[2] Die 1985 erschienene[3], dann 2019 (posthum) nochmals erweitert veröffentliche, zweibändige Geschichte des Zen-Buddhismus ist ein Standardwerk und hat weltweit breite Beachtung in der Fachwelt gefunden. Obwohl die neuere Forschung teilweise zu anderen Interpretationen und Ergebnissen gekommen ist, wird das Werk doch bis heute oft zitiert und gilt mittlerweile auch als Primärtext für die Rezeption des Zen-Buddhismus im Westen.[4]

Dumoulin war Autor zahlreicher weiterer Bücher und Artikel, die weltweit in verschiedenen Sprachen erschienen. Weiterhin gründete er 1949 das christliche japanischsprachige Monatsjournal „Seiki“, welches er bis 1970 editierte.

Heinrich Dumoulin starb 1995 im Alter von 90 Jahren.

Werke (Auswahl)

  • Die Entwicklung des chinesischen Ch'an nach Hui Neng im Lichte des Wu-men-kuan. – In: Monumenta Serica Vol. VI, 1941, S. 40–72.[5]
  • Kamo Mabuchi (1697–1769). Ein Beitrag zur japanischen Religions- und Geistesgeschichte. Band 1: Die Überwindung des Synkretismus. Sophia University Press, Tokio 1943 (Monumenta Nipponica Monographs 8).
  • Das Wu-Men-Kuan 無 門 關 oder „Der Pass ohne Tor“. – In: Monumenta Serica Vol. VIII, 1943, S. 41–102.
  • Wumen Huikai: Wu-men-Kuan 無 門 關 – Der Pass ohne Tor. – Sophia University Press, Tokio 1953 (Monumenta Nipponica Monographs 13).
  • Zen. Geschichte und Gestalt. A. Francke, Bern 1959 (Sammlung Dalp Band 87).[6]
  • Östliche Meditation und christliche Mystik. Verlag Karl Alber, Freiburg im Breisgau / München 1966.
  • Buddhismus der Gegenwart. Hrsg. von Heinrich Dumoulin. Herder, Freiburg im Breisgau etc. 1970 (Weltgespräch bei Herder).[7]
  • Christlicher Dialog mit Asien. Hueber, München 1970 (Theologische Fragen heute).
  • Christianity meets Buddhism. Open Court, La Salle (Illinois) 1974.
  • Wu-men Hui-k’ai: Mumonkan. Die Schranke ohne Tor. Meister Wu-mens Sammlung der 48 Kôan, aus dem Chinesischen übersetzt und erläutert von Heinrich Dumoulin. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 1975. (Lizenzausgabe: Angkor Verlag, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-936018-66-0).
  • Der Erleuchtungsweg des Zen im Buddhismus. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1976 (Fischer-Taschenbücher 1667).[8]
  • Begegnung mit dem Buddhismus. Eine Einführung. Überarbeitete Neuausgabe. Herder-Taschenbuch-Verlag, Freiburg im Breisgau 1991 (Herder Taschenbuch1732). (1. Aufl. 1978: Herderbücherei 642)
  • Zen im 20. Jahrhundert. Kösel Verlag, München 1990.[9]
  • Spiritualität im Buddhismus. Einheit in lebendiger Vielfalt. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1995.
  • Geschichte des Zen-Buddhismus, Band I: Indien, China und Korea. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Narr Francke Attempto, Tübingen 2019, ISBN 978-3-7720-8514-7.
  • Geschichte des Zen-Buddhismus, Band II: Japan. 2., durchgesehene und korrigierte Auflage. Narr Francke Attempto, Tübingen 2019, ISBN 978-3-7720-8515-4.

Einzelnachweise

  1. Eine Reihe von Aspekten der japanischen und deutschen Veröffentlichungen dieser Zeit zum Shintoismus, speziell auch zum Kokugaku, werden heute aufgrund der nationalistischen bzw. „völkischen“ Inhalte kritisch gesehen, stellvertretend seien hier die von Horst Hammitzsch genannt. Vgl. Bernhard Scheid: Deutschsprachige Shinto-Forschung im 20. Jahrhundert. – In: Roland Domenig, Susanne Formanek, Wolfram Manzenreiter (Hg.): Über Japan denken, Japan überdenken. Festschrift für Sepp Linhart. Lit Verlag, Wien – Münster 2005, S. 279–302. siehe auch Bernhard Scheid: In Search of Lost Essence. Nationalist Projections in German Shinto Studies. – In: Bernhard Scheid, Kate Wildman Nakai (eds.): Kami Ways in Nationalist Territory: Shinto Studies in Prewar Japan and the West. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2013 (Beiträge zur Kultur- und Geistesgeschichte Asiens Nr. 78), S. 237–264.
  2. James Heisig: Editor’s Introduction (Anlässlich des 80. Jahrestages veröffentlichte Biographie). In: Japanese Journal of Religious Studies. Band 12, 1985, S. 109–117 (englisch, Texturfassung en-WP März 2023).
  3. Englische Ausgabe als Zen Buddhism: a History. Volume 1 India and China. Translated by James W. Heisig and Paul Kramer. Macmillan Publishing Company, New York City 1988 (1994); Volume 2 Japan. Translated by James W. Heisig & Paul Knitter 1990. (Nachauflage bei World Wisdom, Bloomington (Indiana) 2005.)
  4. Dumoulin: Zen Buddhism: A History. India and China. Introduction by John R. McRae. Seite lx. (englisch, Texturfassung en-WP Juli 2023).
  5. Englischsprachige Ausgabe: The development of Chinese Zen after the sixth patriarch in the light of the Mumonkan, trsl. from the German with Additional Notes and Appendices by Ruth Fuller. Sasaki. First Zen Institute of America, New York City 1953.
  6. Englischsprachige Ausgabe: A history of Zen Buddhism, translated from the German by Paul Peachey. Pantheon Books/Random House, New York City sowie Faber and Faber, London 1963.
  7. Englischsprachige Ausgabe: Buddhism in the Modern World. Collier Macmillan Publishers, New York & London 1976.
  8. Englischsprachige Ausgabe: Zen enlightenment. Origins and meaning. Translated from the German by John C. Maraldo. Weatherhill, New York – Tokyo 1979.
  9. Englischsprachige Ausgabe: Zen Buddhism in the 20th century. Translated and adapted from the German by Joseph S. O’Leary. Weatherhill, New York – Tokyo 1992.