Allgemeines Wahlrecht

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Das Allgemeine Wahlrecht ist eines der wichtigsten demokratischen Prinzipien. Es hat sich vor allem um 1918 in den politischen Systemen Europas und Nordamerikas durchgesetzt.

Ein Wahlrecht ist allgemein, wenn es grundsätzlich allen Staatsbürgern zusteht, unabhängig von Rasse, Bildungsstand, Einkommen, Religion oder Geschlecht. Gewisse Einschränkungen sind jedoch notwendig (siehe unten).

Demokratische Prinzipien des Wahlrechts

Neben dem allgemeinen Wahlrecht sind die anderen, in vielen Ländern realisierten Grundsätze demokratischer Wahlen:

frei - geheim - persönlich und gleich - aktiv und passiv - evt.unmittelbar
  • die freie Wahl: unbeeinflusst von dritter Seite bei den Wahlvorschlägen (Liste der Kandidaten), bei der Wahlwerbung und der Ausübung des aktiven oder passiven Wahlrechts.
  • die geheime Wahl (siehe Wahlgeheimnis): die Wähler können ihren Stimmzettel unbeobachtet und unbeeinflusst in einer Wahlzelle selbst ausfüllen und in einem Umschlag in die Wahlurne werfen;
  • die gleiche Wahl - alle Wähler verfügen über die gleiche Zahl von Stimmen, deren "Gewicht" ebenfalls gleich ist (anders etwa eine Aktiengesellschaft, wo die Anteile eines Aktionärs die Stimmenzahl bestimmen). Beim Europaparlament ist die Gewichtung einer Bürgerstimme insgesamt abhängig von der Staatsbürgerschaft.
  • das persönliche Wahlrecht, und
  • neben dem aktiven für alle Bürger auch das passive Wahlrecht.
  • Unmittelbar ist die Wahl, wenn die Abgeordneten ohne eine Zwischenstufe (etwa über Wahlmänner) bestimmt werden.

Diese Prinzipien können im Sinne heutige Rechtsgrundsätze großteils auf das Völkerrecht, auf Staatsverträge und/oder auf die Europäische Menschenrechtskonvention zurückgeführt werden. Trotz klarer Theorie sind aber in der Praxis gewisse Einschränkungen erforderlich.

Einschränkungen des allgemeinen Wahlrechts

In heutigem Verständnis betrifft das Wahlrecht in erster Linie Parlamentswahlen - einschließlich der Wahlen zu den Landtagen, deren Rechte sich beispielsweise in Deutschland lange vor dem nationalen Parlament entwickelt haben. Die Wahlen in kleineren Gemeinwesen haben meist eine längere Tradition als die großräumigen.

Heute ist das Allgemeine Wahlrecht (mit Ausnahme einiger moslemischer Staaten) großteils Realität, jedoch nicht überall frei ausübbar (siehe "defekte Demokratie"). Doch auch im Westen muss es teilweise eingeschränkt werden:

  • erst ab einem gewissen Alter (je nach Staat und Wahlkörper zwischen etwa 15 und 19 Jahren)
  • Passives Wahlrecht im Regelfall später: meist müssen nationale Abgeordnete 25 Jahre alt sein, ein Bezirksrat weniger, ein Staatspräsident mehr.
  • Kinder sind in fast keinem demokratischen System der Erde als Wahlberechtigte berücksichtigt. Es gibt aktuelle, kontroverse Diskussionen in Deutschland, ob Familien mit Kindern nicht ein größeres Stimmgewicht bei Wahlen erhalten sollten. Eine solche Form des "Kinderzensus" (eine halbe Zusatzstimme pro Kind) wird z.B. bei Pfarr-Gemeinderatswahlen im manchen Kirchengemeinden in Deutschland angewendet.
  • Ausschluss vom Wahlrecht: bei Strafgefangenen im Fall schwerer Vergehen; teilweise auch bei Geisteskranken, bzw. in manchen Staaten bei Entmündigung.
  • Früher war das Wahlrecht vielfach mit einem Wahlzensus verknüpft, d.h. es bestand erst ab einem bestimmten Einkommen oder Vermögen. Nach Aufhebung der Leibeigenschaft entwickelte es sich schrittweise zum allgemeinen Recht.
  • Übertragbar ist das Wahlrecht im Prinzip nicht, aber es gibt unterschiedliche Regelungen für den Fall, dass jemand nicht persönlich zur Wahlurne erscheinen kann. Beispielsweise in den Niederlanden kann man beantragen, dass eine Person seines Vertrauens die Stimme abgibt. Fehlen solche Regelungen oder gibt es nicht die Möglichkeit der Briefwahl, können Wähler mit Mobilitätsproblemen de facto von der Wahl ausgeschlossen sein.

Transparente Auszählung

Ein weiterer Grundsatz ist die öffentliche und transparente Auszählung, für die in der Regel die unter genauen Regelungen zusammengesetzten Wahlkommissionen garantieren - siehe Verhinderung von Wahlfälschungen und Absicherung der Wahlurne. Genau kontrolliert werden auch die Summen-Bedingungen für die Stimmen aller Parteien.

Transparenz heißt nur bedingt, dass sich jeder selbst ein Bild von der korrekten Auszählung machen darf; die Details hängen vom Wahlgesetz des jeweiligen Staates oder Bundeslandes ab. Die Parlamentsparteien haben i. d. R. einen oder 2 Beisitzer (entspricht einem stimmberechtigten Wahlbeobachter) in der Wahlkommission. Die kleineren wahlwerbenden Parteien haben die Möglichkeit, beobachtende Wahlzeugen beizustellen. Die gesamte (etwa 5-10-köpfige) Kommission ist bei der Auszählung anwesend und das Ergebnis jedes Wahlsprengels wird auf geordnete Weise an die nächsthöhere Stelle weitergeleitet.

Mit diesen und ähnlichen Regelungen wird ein Wahlbetrug nach menschlichem Ermessen fast ausgeschlossen, doch müssen die Wahlleiter und Beisitzer auch unabhängig im Durchsetzen ihrer Beschlüsse bei allfälligen Streitfällen sein können.

Historische Entwicklung

Schon in der Antike gab es verschiedene Formen von Wahlen, etwa als Attische Demokratie, die allerdings Sklaven und andere Stände nicht einschloss. Im Laufe des Mittelalters errangen als erstes die Bürgerschaften der größeren Städte bzw. ihre Zünfte ein weitergehendes Wahlrecht als damals üblich.

Die USA können als eines der ersten Länder mit allgemeinem (Männer-)Wahlrecht aufgefasst werden. Dieses wurde grundsätzlich in der amerikanischen Verfassung von 1788 garantiert, jedoch (bis etwa 1830) zum Teil wieder vom spezifischen Wahlrecht in den amerikanischen Bundesstaaten begrenzt. Auch muss die Behandlung der Afroamerikaner bezüglich des Wahlrechts in den USA relativierend gewertet werden. So erhielten sie zwar erstmalig bereits 1865 bzw. 1870 das Wahlrecht, jedoch wurde dieses Recht von diversen Bundesstaaten mehrfach umgangen, sodass die tatsächliche Umsetzung erst im Voting Rights Act von 1965 stattfand.

Eines der ersten europäischen Länder mit allgemeinem (Männer-)Wahlrecht war der Nordddeutsche Bund (1867) und dann das Deutsche Reich (1871); allerdings durfte der Reichstag nicht die Regierung bestimmen. In Großbritannien war es umgekehrt: Dort war das parlamentarische System bereits seit längerem durchgesetzt, aber erst 1918 wurde das allgemeine Wahlrecht durchgesetzt, so dass man von einer Demokratie nach heutigem Verständnis sprechen konnte. Vor 1918 wurde das Wahlrecht in Großbritannien im Wesentlichen von der wirtschaftlichen Situation, bzw. der Zugehörigkeit zum Adel, abhängig gemacht (was im Verständnis der Bevölkerung zur damaligen Zeit häufig gleichgesetzt wurde), was dazu führte dass bis 1918 nur etwa 52% der Männer das Wahlrecht besaßen.

Siehe auch