Max Draeger (Jurist)

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Max Draeger

Fr. E. Max Draeger (* 18. Januar 1885 in Marienburg/Westpreussen; † 20. April 1945 in Brandenburg an der Havel) war ein deutscher Jurist und letzter Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Königsberg (Preußen).

Leben

Draeger wurde als Sohn eines Mühlenbesitzers und seiner Frau Maria, geborene Senger, geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Königsberg und wurde 1904 beim Corps Hansea aktiv. Draeger war passionierter Bergsteiger.

Am 20. Mai 1920 wurde er Landrichter in Danzig, am 1. Juli 1920 Landgerichtsrat in Danzig, am 1. Januar 1922 Oberregierungsrat in der Justizabteilung des Senats der Freien Stadt Danzig, am 1. Januar 1925 Amtsgerichtsdirektor in Danzig, am 1. November 1932 Landgerichtspräsident in Guben, am 7. Juli 1933 Staatsrat und Leiter der Wirtschaft in Danzig, am 1. Oktober 1935 Landgerichtspräsident in Duisburg, am 21. August 1937 Präsident des Oberlandesgerichts Marienwerder und schließlich am 1. Dezember 1937 Präsident des OLG Königsberg. Seine Versetzung an das OLG Kiel wurde 1943 von dem Gauleiter der NSDAP in Schleswig-Holstein durch einen gegen Draeger gerichteten Schriftwechsel mit dem Reichsjustizministerium hintertrieben.[1]

Über Draegers Zeit in Königsberg von 1937 bis 1945 sind im Bundesarchiv, beim Landgericht Duisburg und im Bundesjustizministerium keine Akten verfügbar. Erhalten sind zwei Aktenvermerke des Reichsjustizministeriums vom 28. und 31. Januar 1945. Danach hatte der Reichsverteidigungskommissar Erich Koch dem Reichsjustizministerium einen Funkspruch mit der Beschwerde übermittelt, „daß der Chefpräsident und der Generalstaatsanwalt Szelinski ohne Fühlungnahme mit dem RVK [Koch], und ohne für ordnungsgemäße Übertragung ihrer Dienstgeschäfte gesorgt zu haben, Königsberg mit ihrem Dienstkraftwagen über Pillau nach Danzig verlassen haben. Die Bevölkerung sei über dieses Verhalten der Vorstandsbeamten sehr erregt. Vom Innenministerium sei in Danzig veranlaßt worden, daß die beiden Vorstandsbeamten dort festgehalten würden. Er spreche die Bitte aus, auch von unserer Behörde notwendige Schritte gegen die beiden Vorstandsbeamten zu veranlassen.“ Das führte zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den OLG-Präsidenten.[2]

Damals meinte man in Königsberg, dass „Parteibonzen und ein hoher Gerichtspräsident sich aus dem Staube gemacht und sie im Dreck zurückgelassen hätten“. Diese Sicht war wohl falsch: Bei älteren ostpreußischen Anwälten und ehemaligen Richtern stand Draeger in hohem Ansehen, befand sich aber seit seinem Amtsantritt in ständigem Konflikt mit dem Gauleiter Erich Koch. Deshalb hatte sich Draeger um die gleichrangige Stellung am OLG Kiel bemüht. Wahrscheinlich ist, dass der OLG-Präsident und der Generalstaatsanwalt sich nicht absetzen, sondern im Reichsjustizministerium „auf dem Dienstwege“ über die Lage in Ostpreußen persönlich vortragen wollten. Das war damals nur mit Dienstwagen, Fahrer und Stander möglich, was gegen jede Heimlichkeit spricht. Der direkte Weg nach Berlin war versperrt, weil sich die russischen Panzerspitzen bereits der Oder näherten. So mussten Draeger und Szelinski von Danzig aus nördlich der im Ausbau befindlichen Hinterpommerschen Schutzstellung Stettin zu erreichen versuchen. Wie bereits in Danzig meldeten sie sich dort wieder im Justizgebäude. Anscheinend wurden sie nicht mehr angehört, weil von Berlin aus bereits eine Verhaftungsaktion angelaufen war. Ein Staatsanwalt und ein Wachtmeister wurden ihnen zugewiesen. Nach ihrem Eintreffen in Berlin wurden Draeger und Szelinski ins Untersuchungsgefängnis verbracht. Dort erhängte sich der Generalstaatsanwalt Szelinski in seiner Zelle.[3]

Der Volksgerichtshof verurteilte Draeger am 29. März 1945 wegen Wehrkraftzersetzung und Fahnenflucht zum Tode. An dem Todesurteil gegen Draeger war Harry Haffner beteiligt. Am 4. April 1945 wurde Draeger ins Zuchthaus Brandenburg eingeliefert, wo er am 20. April 1945, achtzehn Tage vor dem Ende des Dritten Reiches, „ehrenhaft“ erschossen wurde.

Draegers 1916 geborene Tochter, Lore Helbich aus Kassel, berichtete 2007, daß die Angehörigen von den Hinrichtungen erst im Dezember 1945 erfuhren. Die Urnen wurden auf dem Friedhof in Berlin-Friedenau beigesetzt.

Rückblick

Draeger engagierte sich im Deutschen Beamtenbund und im Bund nationalsozialistischer Juristen. Schon bei Kriegsende wurde er dem Kreisauer Kreis zugeordnet. So wird er im Buch des Königsberger Pfarrers Hugo Linck als Mitglied des Bruderrates der Bekennenden Kirche aufgeführt. Auch seine Verurteilung wegen „Wehrkraftzersetzung“ läßt darauf schließen, dass man ihm pauschal Beziehungen zum Widerstand zur Last gelegt hat.[4] Den eigenen Untergang vor Augen, ließ denn auch das nationalsozialistische Regime Männer des zivilen Widerstands wie Helmuth James Graf von Moltke, Alfred Delp, Dietrich Bonhoeffer, Klaus Bonhoeffer und Albrecht Haushofer in der Zeit vom 23. Januar 1945 bis zum 23. April 1945 hinrichten. Wahrscheinlich wurde Draeger von Koch denunziert.

Eine vom Bundesarchiv veranlaßte Recherche in den überlieferten Beständen des ehemaligen Berlin Document Centers (BDC) brachte noch eine SA-Personalakte von Draeger zutage; aber auch sie enthielt keine Unterlagen über das Disziplinarverfahren oder den Prozeß vor dem Volksgerichtshof.

Literatur

  • Hugo Linck: Der Kirchenkampf in Ostpreußen. 1933 bis 1945. Geschichte und Dokumentation. Gräfe und Unzer, München 1968, S. 220.
  • Emil Luckat: Draeger. In: Altpreußische Biographie. Band 3. Elwert, Marburg 1975, ISBN 3-7708-0504-6.
  • Hubert Schorn: Richter im Dritten Reich. Geschichte und Dokumente. Klostermann, Frankfurt am Main 1959.
  • Christian Tilitzki: Alltag in Ostpreußen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz. Sonderausgabe. Flechsig, Würzburg 2003, ISBN 3-88189-481-0.

Einzelnachweise

  1. Personalakte (R 3001/54515) im Bundesarchiv
  2. Christian Tilitzki: Alltag in Ostpreußen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz. Sonderausgabe. Flechsig, Würzburg 2003, ISBN 3-88189-481-0
  3. Pers. Mitteilung von Rechtsanwalt Werner Schmidt, Hamburg, 2007
  4. W. Schmidt, Hamburg