Anti-Counterfeiting Trade Agreement

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Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) ist ein multilaterales Handelsabkommen auf völkerrechtlicher Ebene. Die teilnehmenden Nationen bzw. Staatenbünde wollen mit ACTA internationale Standards in dem Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen etablieren[1]; in Deutschland wird es deshalb auch häufig als Anti-Piraterie-Abkommen bezeichnet.[2]

Inhalt

ACTA baut auf dem TRIPS-Abkommen auf[3] und legt den Vertragsparteien zusätzliche Verpflichtungen auf, die jedoch nicht die Schutzvoraussetzungen und den Schutzumfang[4], sondern die Durchsetzung der Immaterialgüterrechte betreffen.

Die Europäische Kommission und auch die Handelsvertreter der Vereinigten Staaten nennen drei Gebiete, in denen ACTA Regelungen bereitstellt:[5][6]

  1. Internationale Kooperation
  2. Abstimmung des Gesetzesvollzugs
  3. Schaffung neuer Gesetze zur Verwertung geistigen Eigentums

Zusätzlich soll ein ACTA-Komitee eingerichtet werden. Dieses hat die Aufgabe, die Einhaltung des Vertrages zu überwachen und über vorgeschlagene Änderungen des ACTA-Vertrages zu beratschlagen.[7]

Teilnehmende Länder

An den Verhandlungen zu ACTA waren folgende Länder beteiligt[6]:

Schon nach der ersten Verhandlungsrunde im Juni 2008 nahmen die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien nicht mehr an den Verhandlungen teil[8].

Die Verhandlungen

Bereits am Rande des G8-Gipfels in Sankt Petersburg 2006 begannen die Vorgespräche zu ACTA zwischen den USA und Japan.[9][10]

Die Verhandlung über die Details des Abkommens begannen 2008 in Genf und endeten nach der zwölften Verhandlungsrunde im Dezember 2010 in Sydney. Diese Verhandlungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weshalb lange Zeit der genaue Verhandlungsstand und die Positionen der einzelnen Länder unbekannt waren.[11][12]

Im März 2010 kam es zu einer inoffiziellen Veröffentlichung einer Vorabversion.[13] Eine weitere Vorabversion wurde im Juli 2010 inoffiziell veröffentlicht, welche die Ergebnisse der Luzern-Runde vom 1. Juli 2010 zusammenfasst.[14]

Anfang März 2010 forderte das Europäische Parlament die EU-Kommission in einem interfraktionellen Entschließungsantrag auf, das Parlament über alle Phasen der Verhandlungen zu informieren.[15]

Maßnahmen

Zur Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen im Internet auf internationaler Ebene wurde unter anderem angedacht, dass auch die Internetdienstanbieter für von ihren Kunden begangene Urheberrechtsverletzungen als Störer haftbar gemacht werden können. Dieser Verantwortung hätten sie sich nur entziehen können, wenn sie sich verpflichtet hätten, den Datenverkehr ihrer Kunden zu überwachen und ihnen gemäß dem umstrittenen Three-Strikes-Prinzip den Internetzugang nach drei Verstößen gegen das Urheberrecht zu sperren.[16]

Es wurde auch angedacht Anstiftung und Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen strafbar zu machen.[17] Neue Strafrechtsnormen, wie die aus Artikel 2.14 („Kriminelle Vergehen“) des ACTA-Entwurfs,[18] hätten eine Umschreibung des Unionsrechts durch den Vertrag bedeutet.[19]

Kritik

Nicht nur der Ausschluss der Öffentlichkeit, auch die Maßnahmen zur Kontrolle des Internets ernten weltweit Kritik.[20]

Viele Internetnutzer sahen die Reformen als Eingriff in die Privatsphäre und ihre Grundrechte. Die Organisation Reporter ohne Grenzen sprach von einer „Verhinderung der demokratischen Debatte“.[21] Es wurde und wird befürchtet, dass das internationale Handelsabkommen einen Ausgangspunkt für die weltweite Durchsetzung von Internetsperren bedeuten könnte.[22] Da die Verhandlungsteilnehmer davon ausgehen, dass der Vertrag nur so durchsetzbar ist, umgehen sie gezielt diejenigen internationalen Institutionen, die für solche Gespräche zuständig wären, etwa die World Intellectual Property Organization (WIPO), die als demokratischer Körper gerade für die behandelten Themen gegründet wurde und transparente Verhandlungen mit einer größeren Anzahl von Teilnehmern erfordern würde.[23] Jan Philipp Albrecht, MdEP der GRÜNEN forderte, „bei den ACTA-Verhandlungen sicherzustellen, dass es keinerlei Überschreitung des geltenden EU-Rechts gibt und der Regelungsgehalt von ACTA auf die alleinige Bekämpfung der Produktpiraterie beschränkt wird. Damit müsste insbesondere das umstrittene Internetkapitel beerdigt werden.“[24]

Nach Abs. 5 des Bundesverfassungsgerichtsurteils bzgl. der Vorratsdatenspeicherung, welche für die Überprüfung durch die Internetdienstanbieter benötigt würde, ist in der BRD eine schwere Straftat erforderlich, um rechtsgemäß (wenn denn ein verfassungsgemäßes Gesetz existiert) den kompletten Inhalt einer Kommunikation abzuhören.

Nach § 100a StPO ist in Deutschland die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nur im Falle einer in diesem Paragraphen aufgelisteten „schweren Straftat“ (z.B. Hochverrat und Gefährdung der demokratischen Ordnung) gesetzmäßig.

Die Piratenparteien aus verschiedenen Ländern führten am 26. Juni 2010 und 28. Juni 2010 Demonstrationen gegen das ACTA-Abkommen durch.[25] Die Demonstrationen fanden in mehreren Ländern statt, darunter auch in einigen deutschen Städten. Organisator war hier die Piratenpartei Deutschland.

Kritisiert wird außerdem, dass ACTA durch bewusst schwammige Formulierungen Rechtssicherheit vernichte. Zur Auslegung unklarer Begriffe sollen die Verhandlungsprotokolle zum Vertrag herangezogen werden, die jedoch noch nicht veröffentlicht worden sind. Daher – so ein weiterer Kritikpunkt – sei es momentan widersinnig, wenn die Parlamente über den Vertragsentwurf abstimmen würden, da sie den genauen Vertragsinhalt und seine Bedeutung nicht kennen.[26]

Die Umsetzung von ACTA

Nach der letzten Verhandlungsrunde legten die ACTA-Vertragsparteien am 3. Dezember 2010 eine beinahe finale Fassung [1] vor. Die finale Version[27][28] erschien Ende Mai 2011. Diese enthält gegenüber der Version vom Dezember wenig Änderungen und legt vor allem den Zeitraum, an dem der Vertrag unterzeichnet werden kann, auf den Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis zum 1. Mai 2013 fest.[29]

Bevor ACTA in der EU in Kraft tritt, müssen der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament dem Vertrag zustimmen.[30] Ersteres geschah am 16. Dezember 2011 in einer nicht-öffentlichen Sitzung im Agrar- und Fischereirat.[31] Da ACTA auch Regelungen zum Strafrecht beinhaltet und da dieses nicht in der EU-Gesetzgebung enthalten ist, handelt es sich um ein gemischtes Abkommen, über welches auch im Bundestag abgestimmt werden muss.[32]

Am 30. September 2011 wurde ACTA von Kanada, Australien, Japan, Marokko, Neuseeland, Südkorea, Singapur und den USA unterschrieben.[33]

Als Signatare hinzu traten am 26. Januar 2012 in Tokio, Japan, im Beisein u.a. des EU-Botschafters Hans Dietmar Schweisgut, die EU, Österreich, Belgien, Bulgarien, die Tschechische Republik, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich.[34]

Einzelnachweise

  1. a b Anti-Counterfeiting Trade Agreement (3. Dezember 2010)
  2. Golla: Das ACTA-Abkommen, DFN-Infobrief Recht 05/2010, 4 f.
  3. Anti-Counterfeiting Trade Agreement (3. Dezember 2010), Art. 1
  4. Anti-Counterfeiting Trade Agreement (3. Dezember 2010), Art. 3
  5. http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2008/october/tradoc_140836.11.08.pdf EC Directorate General for Trade (Abruf 31. Mai 2009).
  6. a b Handelsvertreter der Vereinigten Staaten: Trade Facts – Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) (Abruf 6. Juni 2011).
  7. Anti-Counterfeiting Trade Agreement (3. Dezember 2010), Art. 36.1 und 42
  8. Drucksache des Bundestages 17/186 (2009), S. 2
  9. La Quadrature du Net: WikiLeaks Cables Shine Light on ACTA History (Abruf 26. Mai 2011)
  10. Europäische Kommission: Wissenswertes über das Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie (ACTA) (2010) (Abruf 17. Mai 2011)
  11. The Anti-Counterfeiting Trade Agreement Fact Sheet der EU-Kommission
  12. Information des IGE zu ACTA
  13. http://en.swpat.org/wiki/ACTA-6437-10.pdf_as_text
  14. http://www.laquadrature.net/files/ACTA_consolidatedtext_EUrestricted130710.pdf
  15. Heise online: EU-Parlament fordert Einschränkung des Anti-Piraterie-Abkommens ACTA. 9 März 2010.
  16. Spiegel Online: USA drängen auf rigide Gesetze gegen Copyright-Piraterie. 4. November 2009.
  17. Heise Online: EU will Anstiftung zu Copyright Verstößen international strafbar machen. 19. März 2010.
  18. La Quadrature Du Net Wiki: ACTA 20100118 version consolidated text. (Transcript)
  19. golem.de: ACTA-Vertragsentwurf an die Öffentlichkeit gelangt – Strafverfolgung bei "signifikanten" Urheberrechtsverletzungen geplant. 24. März 2010.
  20. Michael Geist on The Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) (PDF-Datei; 647 kB)
  21. ACTA – Eine undurchsichtige internationale Antipiraterieallianz. dradio breitband-online, 12. Februar 2010. (Podcast; 9:40 min.)
  22. Heise Online: Rechtsexperten sehen Licht und Schatten im ACTA-Internet-Kapitel. 24. Februar 2010.
  23. Le Monde Diplomatique, Das gebunkerte Wissen 12. März 2010
  24. Jan Philipp Albrecht (MdEP): ACTA-Abkommen: Das Monster kommt ins Licht
  25. Piratenpartei Deutschland: Geheim ausgebrütet: ACTA – Wer hat Angst vor'm Parlament?
  26. Spiegel Online: Copyright-Abkommen: Warum Acta in den Papierkorb gehört (abgerufen am 27. Januar 2012)
  27. http://ec.europa.eu/trade/creating-opportunities/trade-topics/intellectual-property/anti-counterfeiting/
  28. Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Mai 2011)
  29. Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Mai 2011), Art. 39
  30. Europäisches Parlament: Plenardebatte Mittwoch, 20. Oktober 2010 – Straßburg, S. 287
  31. Stefan Krempl: EU-Rat segnet Anti-Piraterie-Abkommen ACTA ab, heise.de, 16. Dezember 2011
  32. Drucksache des Bundestages 17/186 (2009), S. 3
  33. Foreign Affairs and International Trade Canada, News Release 30 September 2011]
  34. Signing Ceremony of the EU for the Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), MOFA, Mitteilung vom 26. Januar 2012

Siehe auch

Kritische Webseiten