Karla Raveh

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Karla Raveh (geborene Frenkel; * 15. Mai 1927 in Lemgo; † 27. Mai 2017 ebenda[1]) war eine Überlebende des Holocaust und Autorin.

Frenkel-Haus in Lemgo (2012)

Karla Raveh wurde 1927 als Tochter der alteingesessenen Lemgoer jüdischen Familie Frenkel im Haus Echternstraße 70 in Lemgo geboren. Ihre Eltern waren Walter Frenkel (* 1897 in Lemgo) und Herta, geb. Rosenberg (* 1901 in Dedesdorf-Eidewarden).

Sie wurde 1942 mit ihrer Familie in das Ghetto Theresienstadt gebracht. 1944 erfolgte der Transport der Familie ins KZ Auschwitz. Sie und ihre Großmutter Helene Rosenberg waren die einzigen Überlebenden ihrer Familie nach dem Holocaust. Alle anderen zehn Familienangehörigen sind im Warschauer Ghetto, im Ghetto Theresienstadt oder im KZ Auschwitz umgekommen. Nach ihrem Aufenthalt in Auschwitz wurde sie in das KZ nach Bergen-Belsen transportiert, von dort aus wurde sie in eine Munitionsfabrik in Salzwedel, gebracht. Aus der Munitionsfabrik wurde sie schließlich am 14. April 1945 von den alliierten Streitkräften befreit.[2]

Nach ihrer Befreiung kam sie 1945 nach Lemgo zurück; Adolf Sternheim wurde ihr Vormund. In Lemgo lernte sie Szmuel Raveh kennen, der ebenfalls als Einziger einer großen Familie überlebt hatte. Die beiden heirateten 1949 und wanderten gemeinsam nach Israel aus, wo sie sich in Tivon niederließen. Die beiden hatten zwei Söhne, Michael und Dani.[3]

Auf Anregung der Lemgoer Studienrätin Hanne Pohlmann (1939–2011)[4] schrieb Karla Raveh ihre Lebenserinnerungen auf.[5] Sie hat in den Jahren 1949 bis 1985 nicht Deutsch gesprochen und Deutschland nicht bereist. Das war ihre Art, die Vergangenheit zu bewältigen. Pohlmann argumentiert in ihren Briefen, dass die Erinnerungen für die Zeit von 1933 bis 1945 wichtige Lücken der geschichtlichen Arbeit der Stadt und an der Schule (Engelbert-Kaempfer-Gymnasium), an der sie unterrichtet, füllen würden.

Karla Raveh diktierte ihrem Mann Szmuel Raveh den Text, der ihn mit einer alten Schreibmaschine tippte. Sie schrieb an Pohlmann: „Wie ich schon schrieb sind meine Erinnerungen bestimmt lückenhaft, was ja zu verstehen ist, aber ich habe ‘frisch von der Zunge weg’ geschrieben, ich mußte es schnell machen, dies war keine leichte Zeit für uns, es zerrte an den Nerven.“[6] Das Manuskript Überleben: Der Leidensweg der jüdischen Familie Frenkel aus Lemgo von Karla Raveh ist im Lemgoer Stadtarchiv erhalten. Pohlmann war eine Herausgeberin von Karla Ravehs Erinnerungen als Buch Überleben: Der Leidensweg der jüdischen Familie Frenkel aus Lemgo. Hanne Pohlmann wurde 2009 zusammen mit ihrem Mann Klaus Pohlmann mit der Sternheim-Nadel für ihre Arbeiten zur NS-Vergangenheit ausgezeichnet.[7]

Seit 1986 lebte Raveh regelmäßig für einige Monate im Frenkelschen Haus in der Echternstraße. Sie wohnte regelmäßig der Verleihung der Adolf-Sternheim-Ehrennadel und der Adolf-Sternheim-Auszeichnung bei.

Im Jahr 2015 gab Raveh eines ihrer letzten Interviews.[8]

Raveh starb im Mai 2017 bei einem Besuch ihrer Heimatstadt Lemgo im Alter von 90 Jahren. Die Bevölkerung und ihre Familie nahmen bei einer Trauerfeier unter Leitung von Superintendent Andreas Lange in der St. Nicolai-Kirche Lemgo Abschied.[9]

Stolpersteine vor dem Frenkel-Haus

1988 wurde Raveh Ehrenbürgerin der Stadt Lemgo.

In ihrem Elternhaus in der Echternstraße, dem heutigen Frenkel-Haus, wurde 1988 eine Dokumentations- und Begegnungsstätte mit einer ständigen Ausstellung zur Geschichte der Juden in Lemgo eingerichtet.[10] Im dortigen Hinterhaus sind Wohn- und Arbeitsräume für Stipendiaten einer Kunststiftung der Stadt Lemgo und der Staff-Stiftung untergebracht. Vor dem Haus befinden sich 14 Stolpersteine für ermordete Juden, vor allem für Angehörige der Familie Frenkel.[11]

Die 1996 gegründete Gesamtschule des Kreises Lippe in Lemgo trägt seit 1997 den Namen Karla-Raveh-Gesamtschule.[12] Im Jahr 2003 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.[13]

Zur Erinnerung an Karla Raveh wurde 2018 ein Gedenkstein vor dem alten jüdischen Friedhof am Ostertorwall in Lemgo errichtet.[14]

  • Überleben: Der Leidensweg der jüdischen Familie Frenkel aus Lemgo. Nebst Aufzeichnungen von Helene Rosenberg (= Forum Lemgo. Schriften zur Stadtgeschichte. Heft 1). 3., verb. und erg. Aufl. Im Auftrag der Alten Hansestadt Lemgo hrsg. vom Archiv- und Museumsamt, Lemgo 1987, ISBN 3-9801508-1-X, DNB 910612935.
  • Jüdisches Kleinstadtleben in Deutschland und Polen. Ein Erinnerungsbericht über Lemgo und Demblin (Ill.). In: Juden in Lemgo und Lippe (= Forum Lemgo. Schriften zur Stadtgeschichte. Heft 3). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 1988, ISBN 3-927085-08-1, S. 154–158.
  • Weißt du noch, wo unser Treffpunkt ist…? In: Heinrich Gräfenstein: Lemgo. Übertr. ins Englische von Gerald Onn. Gieseking, Bielefeld 1990, ISBN 3-7694-0373-8, S. 83 (deutsch, englisch).
  • Hans-Peter Lübke, Lilach Naishtat-Bornstein: Zwischen Heimat und Zuhause. Film, 2009.[15]
  • Jürgen Scheffler (Hrsg.): Das Frenkel-Haus Lemgo. Wohnhaus, Erinnerungsort, Gedenkstätte (= Schriften des Städtischen Museums Lemgo. Band 14). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-7395-1014-9.

Einzelnachweise

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  1. Till Brand: Karla Raveh ist tot. In: lz.de. Lippische Landes-Zeitung, 28. Mai 2017, abgerufen am 28. März 2018.
  2. The Times of Israel: 90-year-old Holocaust survivor leads double life in Israel and Germany. Abgerufen am 6. Juli 2024.
  3. Museum Lemgo: Karla Raveh (1927–2017). Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin. Abgerufen am 6. Juli 2024.
  4. (te): Hanne Pohlmann ist mit 72 Jahren gestorben. Eine Brückenbauerin ist tot. In: lz.de. Lippische Landes-Zeitung, 3. September 2011, abgerufen am 9. Mai 2017.
  5. Jürgen Scheffler: Wegbereiter der Holocaust-Erinnerung in Lippe. In: Anna Gomoluch (Red.): Verwischte Spuren – Erinnerung und Gedenken an nationalsozialistisches Unrecht in Westfalen – eine biografische Suche. Hrsg. vom Landesverband Westfalen-Lippe, Münster 2011, ISBN 978-3-927204-74-4, S. 46–57, hier: S. 52 f.
  6. Karla Raveh an Hanne Pohlmann. Zit. n. Jürgen Scheffler: Wegbereiter der Holocaust-Erinnerung in Lippe. In: Verwischte Spuren – Erinnerung und Gedenken an nationalsozialistisches Unrecht in Westfalen – eine biografische Suche. Anna Gomoluch (Red.). Hrsg. vom Landesverband Westfalen-Lippe, Münster 2011, ISBN 978-3-927204-74-4, S. 46–57, hier: S. 53 f.
  7. Sternheimnadel für das Ehepaar Hanne und Klaus Pohlmann / Stimmen gegen das Vergessen. In: Lippe-News. 25. August 2009 (hiergeblieben.de [abgerufen am 27. Mai 2017]).
  8. Louis Pawellek - Zeitzeugen Interview mit Karla Raveh. In: YouTube. Louis Pawellek, abgerufen am 7. Juli 2020.
  9. Till Brand: Trauerfeier von Karla Raveh zum Nachhören. In: Lippische Landeszeitung. 22. Juni 2017, abgerufen am 27. Januar 2023 (deutsch).
  10. Das Frenkel-Haus: Dokumentations-, Begegnungs- und Gedenkstätte in Lemgo. In: lemgo.net, abgerufen am 27. Mai 2017.
  11. Karla Raveh und das Frenkelhaus (Memento vom 12. Februar 2013 im Webarchiv archive.today). In: see-lemgo.de. 21. Oktober 2011, abgerufen am 27. Mai 2017.
  12. Karla-Raveh-Gesamtschule Lemgo: Namensgeberin. Abgerufen am 6. Juli 2024.
  13. Bundesverdienstkreuz für Karla Raveh / Hand zur Verständigung gereicht. In: Lippische Wochenschau. 16. Oktober 2003 (hiergeblieben.de [abgerufen am 4. Juni 2012]).
  14. Nicole Ellerbrake: Gedenkstein für Karla Raveh wird eingeweiht. In: lz.de. Lippische Landeszeitung, 12. November 2018, abgerufen am 12. November 2018 (Artikelanfang frei abrufbar).
  15. Das Leben von Karla Raveh gibt es jetzt als Film / Beeindruckende Vorführung in der Volkshochschule. In: Lippische Landes-Zeitung. 9. September 2011 (online. In: hiergeblieben.de, abgerufen am 4. Juni 2012).