Haus der Kulturen der Welt

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Haus der Kulturen der Welt
Haus der Kulturen der Welt in der Kongresshalle

Haus der Kulturen der Welt in der Kongresshalle

Daten
Ort Berlin-Tiergarten
Architekt Hugh Stubbins
Baustil Moderne
Baujahr 1956–1957
Besonderheiten
Mittlerorganisation des Auswärtigen Amtes für Auswärtige Kulturpolitik [1]
Nachtbeleuchtung am Spree-Ufer

Das Haus der Kulturen der Welt (HKW) ist ein Ausstellungsort in Berlin für die internationalen zeitgenössischen Künste und ein Forum für aktuelle Entwicklungen und Diskurse. Es präsentiert künstlerische Produktionen aus aller Welt unter besonderer Berücksichtigung nichteuropäischer Kulturen und Gesellschaften.

Das Haus der Kulturen der Welt hat seit seiner Gründung im März 1989[2] seinen Sitz in der ehemaligen Kongresshalle am Ufer der Spree im Großen Tiergarten und Regierungsviertel. Die Kongresshalle wurde als eine Ikone der architektonischen Moderne zu einem prominenten Symbol für die deutsch-amerikanische Allianz.[3] Im Berliner Volksmund ist das Gebäude in Anlehnung an seine Form auch unter dem Namen „Schwangere Auster“ bekannt.

Verwaltung

Die Haus der Kulturen der Welt GmbH ist eine Organisation für Kulturveranstaltungen und wurde am 3. November 1988 beim Amtsgericht als Firma angemeldet.[4] Heute ist das Haus Teil des Unternehmens Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH, das u.a. die Internationalen Filmfestspiele (Berlinale) ausrichtet. Es steht seit 1. Januar 2006[5] unter der Leitung des Intendanten und Kulturphilosophen Bernd M. Scherer, der zuvor das Goethe-Institut in Mexiko-Stadt und die Zentralabteilung Künste im Münchner Goethe-Institut geleitet hatte.[6] Ihm steht ein international besetzter Programmbeirat zur Seite. Der Geschäftsführung gehören als kaufmännische Geschäftsführerin Charlotte Sieben sowie Dieter Kosslick und Joachim Sartorius an. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist der Kulturstaatsminister (Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien), derzeit Monika Grütters (Stand 2016).[7] Das HKW erhält eine Regelförderung vom Auswärtigen Amt und vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien.[8]

Geschichte

Die Kongresshalle entstand als amerikanischer Beitrag zur Internationalen Bauausstellung Interbau 1957 und sollte die Freiheit des Gedankenaustauschs verkörpern. Neben Kulturveranstaltungen wurden auch politische und geschäftliche Tagungen abgehalten wie etwa Gewerkschaftskongresse. John F. Kennedy (1963) und Jimmy Carter (1978) hielten hier eine Rede,[9] auch der Bundestag tagte hier mehrere Male, zuletzt am 7. April 1965.[10] Dies verärgerte regelmäßig die DDR und die UdSSR, da sie West-Berlin nicht als Staatsgebiet der Bundesrepublik anerkannten,[11] sodass sie an diesem Tag erstmals[12] Militärmaschinen über West-Berlin und das Gebäude fliegen ließen. Danach verboten die West-Alliierten der Bundesregierung, weitere Sitzungen in West-Berlin abzuhalten.[10] Am 21. Mai 1980 stürzte das südliche Außendach wegen Materialermüdung aufgrund von Bau- und Planungsmängeln ein.[13] Der Umbau und die Sanierung dauerten von 1984 bis 1987, und am 9. Mai 1987 wurde der Bau zur 750-Jahr-Feier Berlins wiedereröffnet.[14]

Programme

Bühne des Auditoriums

Das Haus der Kulturen der Welt gliedert sein Veranstaltungsprogramm in drei Themenbereiche:

  • Literatur, Gesellschaft, Wissenschaft
  • Bildende Kunst, Film, Medien
  • Musik, Tanz, Performing Arts

Das Haus der Kulturen der Welt richtet nicht nur eigene Veranstaltungen aus, sondern stellt seine Räume und seine Infrastruktur auch externen Gastgebern zur Verfügung und kooperiert mit nationalen und internationalen Universitäten, Museen und anderen kulturellen Einrichtungen.

Von Anfang an war das Gebäude ein „Propagandabau“, so sein Architekt Hugh Stubbins,[15] und sollte für Redefreiheit und westliche Modernität werben. Unter Modernität wurde damals abstrakte, nicht-gegenständliche Kunst, atonale Musik und moderne Architektur als International Style verstanden.[16]

Von 1989 an sollte es dann zusätzlich zum deutsch-amerikanischen Schwerpunkt auch als Forum für nicht-westliche Kultur dienen, „eine Art Goethe-Institut mit umgekehrtem Vorzeichen.“[17] Viele der Verantwortlichen hatten davor an Goethe-Instituten gearbeitet und brachten nun das, was sie im Ausland gesehen hatten, nach Berlin, etwa im Programm China Avantgarde.[17] Doch der deutsche Standpunkt wurde nicht hinterfragt.[17]

Ab Mitte der 1990er Jahre organisierten nicht-europäische Kuratoren einen großen Teil des Programms.[17] Nun begriff sich das Haus der Kulturen der Welt als Ort für „alle von der westlichen Kulturhegemonie an den Rand Gedrängten.“[17] Doch auch dieses Vorgehen, „eine Art umgekehrter Eurozentrismus“, erwies sich als problematisch.[17]

Unter Scherers Intendanz wurde das Haus seit 2006 „von einem Forum für die postkoloniale Welt zu einem Thinktank der Zeitgenossenschaft umgebaut – und zu einer der ambitioniertesten Kulturinstitutionen Deutschlands.“[17] Sie „bewegt sich auf höchstem akademischem Niveau, ohne sich den akademischen Konventionen verpflichtet zu fühlen, sie zeigt Kunst, aber hat mit einem Museum nichts zu tun. Und sie kombiniert das eine mit dem anderen.“[17]

Das Programm des Hauses der Kulturen der Welt ist auf die einmalige architektonische Struktur des Gebäudes ausgerichtet: Ausstellungshalle, Konzertsaal, Theater, Konferenzraum, Produktionsstätte für Wissen und Erlebnisse, Ausflugsziel, Architekturdenkmal, Akademie und eine feste Radiostation, in der derzeit das Internetradio Reboot.fm residiert.

Die hauseigene Reihe Labor Berlin förderte von Mai 2010 bis Januar 2013 Projekte internationaler Künstler in Berlin,[18] u. a. in Einzelausstellungen (z. B. 2011/12, Bethan Huws: Reading Duchamp).[19]

Seit 2015 führt das Haus der Kulturen der Welt das Großprojekt Anthropozän jenseits der Grenzen von Fachdisziplinen mit einer Vielzahl von Formen und Medien durch: Ausstellungen, Konferenzen, Akademien, Workshops, Fotoprojekte, Installationen, Publikationen.[17] Im Mai 2016 gab man den Mimicry Games des Künstlers Philip Kojo Metz Raum, die dieser in Zusammenarbeit mit Christoph Schlingensiefs Operndorf Afrika parallel zur UEFA European Championship 2016 in Dakar durch afrikanische Fußballprofis in den Trikots ihrer ehemaligen Kolonisatoren spielen ließ: eine Expertenrunde kommentierte das Spiel „Deutschland gegen Frankreich, live aus dem Senegal“ aus dem Haus der Kulturen der Welt heraus und diskutierte die im Rahmen des Kunstprojektes aufgeworfenen Fragen nach den immer noch existenten Spuren der Kolonisation.[20]

Siehe auch

Literatur

Commons: Haus der Kulturen der Welt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Auswärtiges Amt und Mittlerorganisationen im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik. In: Deutsches Musikinformationszentrum (MIZ), aufgerufen am 8. Juni 2016.
  2. Rüdiger Schaper: Haus der Kulturen der Welt. Ferner Westen, Naher Osten. In: Tagesspiegel, 18. August 2007.
  3. Steffen de Rudder: Ein Haus macht Propaganda. Die Berliner Kongresshalle und der Kalte Krieg. In: Bernd M. Scherer (Hrsg.), Das Haus. Die Kulturen. Die Welt. 50 Jahre: Von der Kongresshalle zum Haus der Kulturen der Welt. Nicolai, Berlin 2007, ISBN 978-3-89479-430-9, S. 28–41.
  4. M.S. / A.B.: Episode 33 / 1988: Die Gründung der Haus der Kulturen der Welt GmbH und Berlin als Kulturstadt Europas. In: Haus der Kulturen der Welt (HKW), aufgerufen am 8. Juni 2016.
  5. dpa: Haus der Kulturen der Welt in Tiergarten wird saniert und schließt im Juli. In: Die Welt, 9. Januar 2006.
  6. Bernd M. Scherer. In: Humboldt-Universität zu Berlin, aufgerufen am 8. Juni 2016.
  7. Impressum. In: HKW, aufgerufen am 8. Juni 2016.
  8. R.S.: Berliner Institution. Haus der Kulturen: Auswärtiges Amt plant Kürzungen. In: Der Tagesspiegel, 7. November 2010.
  9. Axel Besteher-Hegenbarth: John F. Kennedy: Dies ist mein Land. US-Präsidenten in der Kongresshalle. In: Bernd M. Scherer (Hrsg.), Axel Besteher-Hegenbarth (Red.), Dina Koschorreck (Red.): Das Haus. Die Kulturen. Die Welt. 50 Jahre: Von der Kongresshalle zum Haus der Kulturen der Welt. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 2007, ISBN 978-3-89479-430-9, S 76–79.
  10. a b 07. April 1965. Umstrittene Bundestagssitzung in West-Berlin. In: RBB: Die Berliner Mauer, 2014, abgerufen am 14. Juni 2016.
  11. Steffen de Rudder: Architektur im Kalten Krieg, Bild 4. In: berliner-kongresshalle.de, aufgerufen am 8. Juni 2016.
  12. Episode 10 / 1965: Theater am Himmel. Sowjetische Düsenjäger im Sturzflug auf die Kongresshalle. In: Haus der Kulturen der Welt (HKW), 2007, abgerufen am 14. Juni 2016.
  13. Jörg Schlaich, Karl Kordina, Hans-Jürgen Engell: Teileinsturz der Kongresshalle Berlin – Schadensursachen. Zusammenfassendes Gutachten. In: Beton- und Stahlbetonbau 75 (1980), Nr. 12, S. 281–294, doi:10.1002/best.198000490, Bezugsquelle und online-Text (registrierungspflichtig).
  14. Episode 32 / 1987: Zum Geburtstag: die wiedereröffnete Kongresshalle. In: HKW, abgerufen am 14. Juni 2016.
  15. Stubbins: „Das war in Wirklichkeit ein Propagandabau, der sich an die Sowjets richtete, die nur einen knappen Kilometer entfernt waren.“ Zitiert von Florian Heilmeyer: 4da62456913 Haus der Kulturen der Welt Berlin. Stadtwandel Verlag, Regensburg 2007, ISBN 978-3-86711-022-8, aufgerufen am 8. Juni 2016.
    Originalzitat in Steffen de Rudder, Der Architekt Hugh Stubbins – Amerikanische Moderne der Fünfziger Jahre in Berlin, Jovis, Berlin 2007, ISBN 978-3-939633-23-5, S. 66: “I knew at once, this was essentially a propaganda building aimed at the Soviets just half a mile away.” Anmerkung von de Rudder: „Hugh Stubbins, Handschriftliche Erinnerungen, 1993“. Übersetzt in: Steffen de Rudder, Ein Haus macht Propaganda, 2007, ISBN 978-3-89479-430-9, S. 29.
  16. Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt… Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. Siedler, Berlin 2001, ISBN 978-3-88680-695-9.
    Frances Stonor Saunders: Modern art was CIA 'weapon'. Revealed: how the spy agency used unwitting artists such as Pollock and de Kooning in a cultural Cold War. In: The Independent, 21. Oktober 1995.
  17. a b c d e f g h i Jörg Häntzschel: Kulturinstitutionen – Das Ministerium für Ideen. In: sueddeutsche.de. 10. März 2016, abgerufen am 6. Mai 2016. Und in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 59, 11. März 2016, S. 13.
  18. Labor Berlin. In: HKW, aufgerufen am 8. Juni 2016.
  19. Labor Berlin: Rückblick. In: HKW, aufgerufen am 8. Juni 2016.
  20. Mimicry Games Fernsehübertragung mit Projektbeschreibung und Video in:HKW, aufgerufen am 17. September 2016.

Koordinaten: 52° 31′ 8″ N, 13° 21′ 55″ O