7.12.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 315/44


RICHTLINIE (EU) 2022/2381 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 23. November 2022

zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 157 Absatz 3,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (im Folgenden „EUV“) ist Gleichheit einer der Grundwerte der Union und allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet. Nach Artikel 3 Absatz 3 EUV fördert die Union die Gleichstellung von Frauen und Männern.

(2)

Durch Artikel 157 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wird der dem Europäischen Parlament und dem Rat die Gesetzgebungsbefugnis für den Erlass von Maßnahmen, durch die die Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen gewährleistet werden, übertragen.

(3)

Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben ermöglicht Artikel 157 Absatz 4 AEUV den Mitgliedstaaten positive Maßnahmen, um spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen, die die Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts erleichtern oder die Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn verhindern bzw. ausgleichen. In Artikel 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) ist festgelegt, dass die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen sicherzustellen ist und der Grundsatz der Gleichheit der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegenstehen darf.

(4)

Zu den Grundsätzen der europäischen Säule sozialer Rechte, die 2017 gemeinsam vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gehören unter anderem die Gleichstellung der Geschlechter und die Chancengleichheit von Frauen und Männern, was die Erwerbsbeteiligung, die Beschäftigungsbedingungen und den beruflichen Aufstieg einschließt.

(5)

Um die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz zu erreichen, bedarf es eines umfassenden Ansatzes, der auch die Förderung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses bei der Entscheidungsfindung innerhalb der Unternehmen sowie die Beseitigung der geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Arbeitsentgelt umfasst. Die Gewährleistung der Gleichstellung am Arbeitsplatz ist auch eine wichtige Voraussetzung für die Bekämpfung der Armut von Frauen.

(6)

In der Empfehlung 84/635/EWG des Rates (4) empfahl der Rat den Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die positiven Maßnahmen möglichst Aktionen zur Förderung der aktiven Teilnahme von Frauen in Entscheidungsgremien einschließen. In der Empfehlung 96/694/EG des Rates (5) wurde den Mitgliedstaaten empfohlen, den privaten Sektor zu ermutigen, die Präsenz der Frauen auf allen Entscheidungsebenen, insbesondere durch die Annahme von Gleichstellungsplänen oder Förderprogrammen oder in deren Rahmen, zu verstärken.

(7)

Ziel dieser Richtlinie ist es, die Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit von Frauen und Männern zu gewährleisten und eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in Führungspositionen im Top-Management zu erreichen, indem eine Reihe von Verfahrensvorschriften in Bezug auf die Auswahl von Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren auf der Grundlage von Transparenz und Verdiensten festgelegt wird.

(8)

In den letzten Jahren hat die Kommission mehrere Berichte über die Gleichstellung der Geschlechter in Entscheidungsprozessen in der Wirtschaft vorgelegt. Zudem hat sie börsennotierte Gesellschaften aufgefordert, mit Hilfe von Selbstregulierungsmaßnahmen die Anzahl der Vertreter des unterrepräsentierten Geschlechts in ihren Leitungsorganen zu erhöhen und konkrete freiwillige Eigenverpflichtungen einzugehen. In ihrer Mitteilung vom 5. März 2010 mit dem Titel „Ein verstärktes Engagement für die Gleichstellung von Frauen und Männern: Eine Frauen-Charta“ betonte die Kommission, dass Frauen nach wie vor die volle Teilhabe an der Macht und an Entscheidungsprozessen in Politik und Wirtschaft sowie im öffentlichen und privaten Sektor fehlt, und bekräftigte ihre Entschlossenheit, eine fairere Vertretung von Frauen und Männern in Verantwortungspositionen im öffentlichen Leben sowie in der Wirtschaft zu verfolgen. Eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter in Entscheidungspositionen war eine der Prioritäten, die die Kommission in ihrer Mitteilung vom 21. September 2010 mit dem Titel „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015“ festlegte. Eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter in Entscheidungspositionen ist eine der Prioritäten gemäß der Mitteilung der Kommission vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025“.

(9)

In seinen Schlussfolgerungen vom 7. März 2011 zum Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter 2011-2020 würdigte der Rat, dass eine Geschlechtergleichstellungspolitik für Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit von wesentlicher Bedeutung ist. Er bekräftigte seine Entschlossenheit, geschlechtsspezifische Unterschiede vor allem in drei Bereichen, die für die Gleichstellung der Geschlechter sehr wichtig sind, nämlich Beschäftigung, Bildung und Förderung der sozialen Inklusion, abzubauen, damit die Ziele der Strategie Europa 2020 erreicht werden können. Er forderte ebenfalls mit Nachdruck eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen und in allen Bereichen, damit keine Talente brachliegen. Im Hinblick darauf würde die Nutzung aller verfügbaren Talente, Kenntnisse und Ideen die Personalressourcen bereichern und die Geschäftsaussichten verbessern.

(10)

In ihrer Mitteilung vom 3. März 2010 mit dem Titel „Strategie der Europäischen Union für Beschäftigung und intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ (im Folgenden „Strategie Europa 2020“) wies die Kommission darauf hin, dass eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen eine Voraussetzung dafür ist, das Wachstum zu stimulieren und den demografischen Herausforderungen in Europa zu begegnen. Die Strategie Europa 2020 ist auf die Erhöhung der Erwerbstätigenquote auf mindestens 75 % der Bevölkerung der Union in der Altersgruppe zwischen 20 und 64 Jahren bis zum Jahr 2020 ausgelegt. Es ist wichtig, dass eine klare Verpflichtung für die Beseitigung der anhaltenden geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Arbeitsentgelt eingegangen wird und verstärkte Anstrengungen zur Beseitigung der Hindernisse für die Erwerbsbeteiligung der Frauen einschließlich des bestehenden Phänomens der „gläsernen Decke“ unternommen werden. In der von den Staats- oder Regierungschefs am 8. Mai 2021 unterzeichneten Erklärung von Porto (6) wurden die neuen Kernziele der Union in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung und das überarbeitete sozialpolitische Scoreboard, die von der Kommission in ihrer Mitteilung vom 4. März 2021 mit dem Titel „Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte“ vorgeschlagen wurden, begrüßt. Dieser Aktionsplan sieht vor, dass es zur Verwirklichung des übergeordneten Ziels, in der Bevölkerung der Union bis 2030 eine Beschäftigungsquote von mindestens 78 % für die 20- bis 64-Jährigen zu erreichen, notwendig ist, eine Halbierung des geschlechtsbedingten Gefälles bei der Beschäftigung gegenüber 2019 anzustreben. Eine stärkere Einbeziehung der Frauen in Entscheidungen der Wirtschaft, vor allem in den Leitungsorganen, dürfte sich auch positiv auf die Erwerbsbeteiligung der Frauen in den betreffenden Unternehmen und in der Wirtschaft insgesamt auswirken. Im Einklang mit dem Erfordernis, der verfügbare Talentpool — sowohl von Frauen als auch von Männern — in vollem Umfang auszuschöpfen, sind die Gleichstellung der Geschlechter und inklusive Leitungsstrategien nach der COVID-19-Krise wichtiger denn je. Forschungserkenntnissen zufolge gehören Inklusion und Vielfalt zu den Wegbereitern für Erholung und Resilienz. Sie sind von wesentlicher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union, wenn es darum geht, die Innovation zu fördern und mehr und bessere Fachkompetenzen in die Leitungsorgane einzubinden.

(11)

Das Europäische Parlament forderte in seiner Entschließung vom 6. Juli 2011 zu Frauen in wirtschaftlichen Leitungspositionen die Unternehmen eindringlich auf, den Frauenanteil in den Führungsgremien auf die kritische Schwelle von 30 % bis 2015 und auf 40 % bis 2020 zu erhöhen. Es forderte die Kommission auf, für den Fall, dass die Maßnahmen, die die Gesellschaften und die Mitgliedstaaten von sich aus getroffen haben, nicht ausreichen, bis 2012 legislative Maßnahmen einschließlich Quoten vorzuschlagen. Es wäre wichtig, dass solche legislativen Maßnahmen zeitlich befristet angewandt werden und als ein Katalysator für Veränderungen und rasche Reformen zur Beseitigung weiterhin bestehender Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis und stereotyper Vorstellungen auf den Entscheidungsebenen in der Wirtschaft dienen. Das Europäische Parlament bekräftigte diese Forderung nach legislativen Maßnahmen in seinen Entschließungen vom 13. März 2012 sowie vom 21. Januar 2021.

(12)

Es ist wichtig, dass die Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union bei der Gleichstellung der Geschlechter mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie unter anderem Ziele für eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter auf allen Führungsebenen festlegen. Dabei muss der Einstellungspolitik für das höhere Management besondere Aufmerksamkeit gelten. In ihrer Mitteilung vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 betont die Kommission daher, dass die Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union für eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in Leitungspositionen sorgen sollten. In ihrer Mitteilung vom 5. April 2022 mit dem Titel „Eine neue Personalstrategie für die Kommission“ hat sich die Kommission verpflichtet, bis 2024 für die vollständige Gleichstellung der Geschlechter auf allen Führungsebenen der Kommission zu sorgen. Die Kommission wird die Fortschritte überwachen und darüber regelmäßig auf ihrer Website Bericht erstatten. Darüber hinaus tauscht sich die Kommission mit anderen Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union über bewährte Verfahren aus und wird auf ihrer Website über die Lage in Bezug auf die ausgewogene Vertretung der Geschlechter in Leitungspositionen in diesen Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen berichten. Mit dem Beschluss seines Präsidiums vom 13. Januar 2020 hat sich das Europäische Parlament auf die Festlegung von Zielen für eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in höheren und mittleren Führungspositionen bis 2024 geeinigt. Das Europäische Parlament wird die Fortschritte auf allen Führungsebenen weiterhin überwachen und ist bestrebt, mit gutem Beispiel voranzugehen. Der Rat verpflichtet sich in seiner Strategie für Vielfalt und Inklusion 2021-2024, bei Führungspositionen des Generalsekretariats bis spätestens Ende 2026 Gleichstellung der Geschlechter innerhalb einer Spanne von 45 bis 55 % zu erreichen. Der Aktionsplan des Generalsekretariats des Rates für die Gleichstellung der Geschlechter im Management enthält Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels.

(13)

Es ist wichtig, dass Gesellschaften und Unternehmen weibliche Talente auf allen Ebenen und während ihrer gesamten beruflichen Laufbahn fördern, unterstützen und weiterentwickeln, um sicherzustellen, dass qualifizierte Frauen die Möglichkeit für eine Tätigkeit in Leitungsorganen und Führungspositionen erhalten.

(14)

Um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und die Teilhabe von Frauen an Entscheidungsprozessen zu unterstützen, sieht die Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um eine gerechte Aufteilung der Betreuungspflichten zwischen Frauen und Männern durch gut konzipierten Elternurlaub, Vaterschaftsurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige zusätzlich zum bestehenden Mutterschaftsurlaub sicherzustellen. Diese Richtlinie sieht auch das Recht, flexible Arbeitsregelungen zu beantragen, vor.

(15)

Der Bestellung von Frauen als Direktoren stehen mehrere spezifische Hindernisse im Weg, die nicht nur mit verbindlichen Vorschriften, sondern auch mit Bildungsmaßnahmen und Anreizen zur Förderung bewährter Verfahren abgebaut werden können. In erster Linie ist es unabdingbar, in den Wirtschaftshochschulen und Universitäten die Vorteile zu lehren, die die Gleichstellung der Geschlechter für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen mit sich bringt. Ferner ist es notwendig, eine regelmäßige Neubesetzung der Direktorenstellen anzuregen und aktive Maßnahmen zu treffen, um diejenigen Mitgliedstaaten und Unternehmen zu fördern und zu würdigen, die diesen Wandel in den höchsten Entscheidungsorganen der Wirtschaft auf allen Ebenen entschlossener angehen.

(16)

Die Union verfügt über einen großen und ständig wachsenden Pool hoch qualifizierter Frauen, was sich daran zeigt, dass 60 % der Hochschulabsolventen Frauen sind. Eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen von Unternehmen zu erzielen ist entscheidend für einen effizienten Einsatz des verfügbaren Pools, was wiederum der Schlüssel für die Bewältigung der demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen für die Union ist. Wenn Frauen in den Leitungsorganen weiterhin unterrepräsentiert sind, bleiben folglich Möglichkeiten für die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten im Allgemeinen sowie für deren Entwicklung und Wachstum ungenutzt. Eine vollständige Nutzung des vorhandenen Pools weiblicher Talente dürfte auch zu einer Erhöhung der Bildungsrendite für den Einzelnen und für die Allgemeinheit führen. Es herrscht weitgehend Konsens darüber, dass Frauen in Leitungsorganen die Unternehmensführung positiv beeinflussen, weil die Teamleistung und die Qualität der Entscheidungen durch eine vielfältigere und kollektiv orientiertere Denkweise mit breiter gefassten Perspektiven verbessert werden. Zahlreiche Studien haben aufgezeigt, dass Vielfalt zu einem vorausschauenderen Geschäftsmodell, zu ausgewogeneren Entscheidungen sowie zu besseren Fachkompetenzen in den Leitungsorganen führt, die den gesellschaftlichen Gegebenheiten und den Bedürfnissen der Verbraucher besser Rechnung tragen. Zudem fördert sie Innovation. Zahlreiche Studien belegen ferner den positiven Einfluss einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter im Top-Management auf die Geschäftsergebnisse und den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens, was zu einem erheblichen langfristigen nachhaltigen Wachstum führt. Eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen zu erreichen ist daher von wesentlicher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Union in einer globalisierten Wirtschaft und würde einen komparativen Vorteil gegenüber Drittländern bieten.

(17)

Eine stärkere Vertretung der Frauen in den Leitungsorganen ist nicht nur für die betreffenden Frauen von Vorteil, sondern trägt auch dazu bei, dass das Unternehmen für weibliche Talente attraktiver und die Präsenz von Frauen auf allen Führungsebenen und in der Belegschaft des Unternehmens erhöht wird. Ein größerer Anteil von Frauen in Leitungsorganen sollte somit auch einen positiven Einfluss auf die Reduzierung der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Beschäftigung und beim Arbeitsentgelt haben.

(18)

Der Nachweis der positiven Auswirkungen einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter auf die Unternehmen selbst und auf die Wirtschaft im Allgemeinen, und das bestehende Unionsrecht zum Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie die auf Selbstregulierung angelegten Maßnahmen auf Unionsebene haben nichts daran geändert, dass Frauen in den obersten Entscheidungsorganen der Unternehmen in der gesamten Union nach wie vor erheblich unterrepräsentiert sind. Statistiken zeigen, dass der Anteil von in Entscheidungen des Top-Managements eingebundenen Frauen weiter sehr gering ist. Wenn eine Hälfte des vorhandenen Talentpools bei der Besetzung von Leitungspositionen nicht einmal in Erwägung gezogen wird, könnte sich dies nachteilig auf das Verfahren und die Qualität der Stellenbesetzungen selbst auswirken, was zu zunehmendem Misstrauen gegenüber den Machtstrukturen von Unternehmen und möglicherweise zu einer Verringerung der effizienten Nutzung der verfügbaren Humanressourcen führt. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft in den unternehmerischen Entscheidungsprozessen getreu widergespiegelt wird und dass das Potenzial der gesamten Bevölkerung der Union genutzt wird. Nach Informationen des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen stellen Frauen im Jahr 2021 durchschnittlich 30,6 % der Mitglieder der Leitungsorgane der größten börsennotierten Gesellschaften und lediglich 8,5 % der Vorsitzenden. Dies deutet auf Ungerechtigkeit und Diskriminierung hinsichtlich der Vertretung von Frauen hin, wodurch die Grundsätze der Union der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen eindeutig untergraben werden. Maßnahmen zur Förderung der Aufstiegschancen von Frauen auf sämtlichen Führungsebenen sollten daher eingeführt und verstärkt werden, insbesondere sollte darauf geachtet werden, dass dies in börsennotierten Gesellschaften in der Union — aufgrund deren beträchtlicher Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft — der Fall ist. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Einrichtungen und Agenturen der Union mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es darum geht, bestehende Missverhältnisse zwischen den Geschlechtern in ihren eigenen Vorständen abzubauen.

(19)

Der Anteil von Frauen in den Leitungsorganen hat sich in den letzten Jahren nur sehr langsam erhöht. Zudem ist der Anstieg in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich, sodass sich hier eine Kluft gebildet hat. In den Mitgliedstaaten, die verbindliche Maßnahmen eingeführt haben, sind erheblich größere Fortschritte zu verzeichnen. Diese Kluft wird sich aufgrund der sehr unterschiedlichen Ansätze zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung der Geschlechter in Leitungsorganen vermutlich weiter vergrößern. Daher werden die Mitgliedstaaten ermutigt, Informationen über wirksame Maßnahmen und Strategien, die auf nationaler Ebene ergriffen bzw. angenommen wurden, sowie bewährte Verfahren auszutauschen, damit in der ganzen Union Fortschritte im Hinblick auf eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in Leitungsorganen gefördert werden.

(20)

Die vereinzelten und voneinander abweichenden Regelungen beziehungsweise das Fehlen einer Regelung zur Gewährleistung einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen der börsennotierten Gesellschaften auf nationaler Ebene führen nicht nur zu deutlich unterschiedlichen Frauenanteilen unter den nicht geschäftsführenden Direktoren und einer divergierenden Entwicklung dieser Anteile in den Mitgliedstaaten, sondern behindern auch den Binnenmarkt, da die börsennotierten Gesellschaften in der Union unterschiedliche Unternehmensführungsanforderungen erfüllen müssen. Diese unterschiedlichen rechtlichen Bestimmungen über die Zusammensetzung der Leitungsorgane von Gesellschaften und voneinander abweichenden Selbstregulierungsmaßnahmen können für grenzüberschreitend tätige börsennotierte Gesellschaften, besonders bei der Gründung von Tochtergesellschaften, bei Unternehmenszusammenschlüssen und Übernahmen, wie auch für Kandidaten für Direktorenstellen in der Praxis Hürden darstellen.

(21)

Die unausgewogenen Verhältnisse der Geschlechter in Unternehmen sind auf den Leitungsebenen deutlicher ausgeprägt. Darüber hinaus sind viele der Frauen im höheren Management in Bereichen wie Personal oder Kommunikation tätig, während Männer im höheren Management eher in der Geschäftsleitung oder im „Linienmanagement“ des Unternehmens beschäftigt sind. Da sich der Pool für die Besetzung von Direktorenstellen in Leitungsorganen im Wesentlichen aus Kandidaten zusammensetzt, die Erfahrungen im höheren Management besitzen, ist es von großer Bedeutung, dass die Zahl der Frauen, die auf diese Führungspositionen in Unternehmen vorrücken, steigt.

(22)

Einer der wichtigsten Faktoren für eine ordnungsgemäße Umsetzung dieser Richtlinie ist die wirksame Anwendung von im Voraus und in vollkommen transparenter Weise festzulegenden Kriterien für die Auswahl von Direktoren, nach denen die Qualifikationen, Kenntnisse und Fähigkeiten der Kandidaten unabhängig von ihrem Geschlecht auf gleicher Grundlage berücksichtigt werden.

(23)

Die gegenwärtig in den meisten Mitgliedstaaten herrschende Intransparenz der Auswahlverfahren und Qualifikationskriterien für die Besetzung von Direktorenstellen steht einer ausgewogeneren Vertretung der Geschlechter unter Direktoren entgegen und wirkt sich negativ auf den beruflichen Werdegang der Kandidaten, ihre Mobilität und Entscheidungen von Investoren aus. Ein solcher Mangel an Transparenz hindert potenzielle Kandidaten für Direktorenstellen daran, sich um eine Position in Leitungsorganen zu bewerben, in denen ihre Qualifikationen besonders benötigt würden, und geschlechtsspezifisch verzerrte Entscheidungen anzufechten, was ihre Mobilität im Binnenmarkt einschränkt. Investoren könnten hingegen Strategien verfolgen, für die sie auch Informationen über die Erfahrung und Kompetenz der Direktoren benötigen. Wenn die Qualifikationskriterien und die Verfahren zur Auswahl der Direktoren transparenter sind, sind Investoren besser in der Lage, die Geschäftsstrategie eines Unternehmens einzuschätzen und sachkundige Entscheidungen zu treffen. Es ist daher wichtig, dass die Verfahren zur Besetzung der Leitungsorgane klar und transparent sind und dass die Kompetenzen der Kandidaten objektiv und unabhängig vom Geschlecht bewertet werden.

(24)

Zwar sollen die nationalen Bestimmungen über die Auswahlverfahren und Qualifikationskriterien für Direktoren durch diese Richtlinie nicht im Einzelnen harmonisiert werden, doch ist es für eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter erforderlich, dass bestimmte Mindestanforderungen eingeführt werden, nach denen börsennotierte Gesellschaften ohne ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren auf der Grundlage eines transparenten und eindeutig festgelegten Auswahlverfahrens und eines objektiven Vergleichs ihrer Qualifikation hinsichtlich ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung auswählen. Nur eine verbindliche Maßnahme auf Unionsebene kann wirksam dazu beitragen, dass unionsweit gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen und Komplikationen im Wirtschaftsleben vermieden werden.

(25)

Die Union sollte daher auf eine stärkere Vertretung der Frauen in den Leitungsorganen der Unternehmen aller Mitgliedstaaten hinwirken, um so das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, die Mobilität am Arbeitsmarkt zu fördern, die Wettbewerbsfähigkeit der börsennotierten Gesellschaften zu stärken und eine effektive Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen. Dieses Ziel sollte verfolgt werden, indem Mindestanforderungen für positive Maßnahmen in Form verbindlicher Maßnahmen festgelegt werden. Mit diesen verbindlichen Maßnahmen sollte versucht werden, ein quantitatives Ziel der Verteilung der Geschlechter in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften zu erreichen, da die Mitgliedstaaten und Drittländer, die sich für solche oder ähnliche Maßnahmen entschieden haben, der Unterrepräsentanz von Frauen in wirtschaftlichen Entscheidungspositionen am erfolgreichsten entgegengewirkt haben.

(26)

Es ist wichtig, dass jede börsennotierte Gesellschaft eine Politik zur Gleichstellung der Geschlechter entwickelt, um eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter auf allen Ebenen zu erreichen. Diese Politik könnte beispielsweise die Benennung einer Kandidatin und eines Kandidaten für Schlüsselpositionen, Mentorensysteme, Beratung bei der Laufbahnentwicklung für Frauen und Personalstrategien zur Förderung diversitätsorientierter Einstellungen umfassen.

(27)

Börsennotierte Gesellschaften sind von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung und Sichtbarkeit und üben auf dem Markt großen Einfluss aus. Diese Unternehmen setzen Maßstäbe für die Wirtschaft im weiteren Sinne; es ist davon auszugehen, dass andere Unternehmen ihrem Beispiel folgen werden. Ihre öffentliche Sichtbarkeit rechtfertigt es, dass börsennotierte Gesellschaften im öffentlichen Interesse umfangreicheren Regelungsmaßnahmen unterworfen werden.

(28)

Die Maßnahmen dieser Richtlinie sollten für börsennotierte Gesellschaften gelten.

(29)

Für Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollte diese Richtlinie nicht gelten.

(30)

Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte der für die Regelung der Fragen im Rahmen dieser Richtlinie zuständige Mitgliedstaat der Mitgliedstaat sein, in dem die betreffende börsennotierte Gesellschaft ihren eingetragenen Sitz hat. Die nationalen Regeln zur Bestimmung des auf Gesellschaften in Sachverhalten, die nicht durch diese Richtlinie geregelt werden, anzuwendenden Rechts bleiben von dieser Richtlinie unberührt.

(31)

Die Strukturen der Leitungsorgane börsennotierter Gesellschaften sind in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich, wobei vor allem dualistische Systeme mit Vorstand und Aufsichtsrat und monistische Systeme, bei denen ein Organ die Funktionen des Vorstands und Aufsichtsrats auf sich vereint, zu unterscheiden sind. Daneben gibt es hybride Systeme, die Elemente beider Systeme vorweisen oder Unternehmen die Wahl zwischen unterschiedlichen Modellen überlassen. Diese Richtlinie sollte für alle in den Mitgliedstaaten bestehenden Systeme von Leitungsorganen gelten.

(32)

In allen Systemen wird — rechtlich oder faktisch — unterschieden zwischen geschäftsführenden Direktoren, die für die Geschäftsführung zuständig sind, und nicht geschäftsführenden Direktoren, die eine Aufsichtsratsfunktion ausüben und keine Geschäftsführungsaufgaben in börsennotierten Gesellschaften wahrnehmen. Mit dieser Richtlinie soll eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter in beiden Kategorien von Direktoren erreicht werden. Damit ohne zu starke Eingriffe in das Tagesgeschäft eines Unternehmens eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen des Unternehmens erreicht wird, unterscheidet diese Richtlinie zwischen diesen beiden Kategorien von Direktoren.

(33)

In mehreren Mitgliedstaaten kann oder muss nach nationalem Recht oder nationaler Praxis ein bestimmter Teil der nicht geschäftsführenden Direktoren von den Arbeitnehmern der Unternehmen bzw. den Arbeitnehmerorganisationen benannt oder gewählt werden. Die in dieser Richtlinie festgelegten Quantitativen Zielvorgaben sollten auch für diese Direktoren gelten. In Anbetracht der Tatsache, dass bestimmte nicht geschäftsführende Direktoren Arbeitnehmervertreter sind, sollten die Mitgliedstaaten Mittel zur Gewährleistung der Einhaltung dieser Zielvorgaben festlegen, und zwar unter gebührender Berücksichtigung der im nationalen Recht der Mitgliedstaaten dargelegten spezifischen Vorschriften für die Wahl oder Benennung der Arbeitnehmervertreter und unter Achtung der Abstimmungsfreiheit bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter. Angesichts der Unterschiede in den nationalen Vorschriften des Gesellschaftsrechts der Mitgliedstaaten sollte dies auch die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten beinhalten, die quantitativen Zielvorgaben auf Aktionärs- und Arbeitnehmervertreter getrennt anzuwenden.

(34)

Die Mitgliedstaaten sollten börsennotierte Gesellschaften entweder dem Ziel unterwerfen, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts unter den nicht geschäftsführenden Direktoren in Leitungsorganen bis zum 30. Juni 2026 auf mindestens 40 % zu erhöhen oder, da es wichtig ist, dass börsennotierte Gesellschaften den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts in sämtlichen Entscheidungspositionen erhöhen,, alternativ dazu dem Ziel unterwerfen, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts unter allen Direktoren in Leitungsorganen unabhängig davon, ob sie geschäftsführende Direktoren oder nicht geschäftsführende Direktoren sind — bis zum 30. Juni 2026 auf mindestens 33 % zu erhöhen, um eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter unter allen Direktoren zu fördern.

(35)

Die Ziele, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts unter den nicht geschäftsführenden Direktoren in Leitungsorganen auf mindestens 40 % oder unter allen Direktoren in Leitungsorganen auf mindestens 33 % zu erhöhen, betreffen eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter unter Direktoren insgesamt und haben keinen Einfluss auf die konkrete Auswahl eines einzelnen Direktors aus einem großen Pool von männlichen und weiblichen Kandidaten im konkreten Einzelfall. Insbesondere schließt diese Richtlinie weder bestimmte Kandidaten bei der Besetzung von Direktorenstellen aus, noch zwingt sie börsennotierte Gesellschaften oder Aktionäre zur Auswahl bestimmter Direktoren. Die Auswahl geeigneter Direktoren bleibt nach wie vor den börsennotierten Gesellschaften und den Aktionären überlassen.

(36)

Es ist angemessen, dass öffentliche Unternehmen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, naturgemäß als Muster für die Privatwirtschaft dienen. Die Mitgliedstaaten üben einen beherrschenden Einfluss auf öffentliche Unternehmen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission (8) aus, die an einem geregelten Markt notiert sind. Dieser beherrschende Einfluss gibt den Mitgliedstaaten die Mittel an die Hand, die notwendigen Veränderungen schneller herbeizuführen.

(37)

Wie genau dieser Anteil in die Anzahl der Direktorenstellen umzurechnen ist, um die in dieser Richtlinie festgelegten Zielvorgaben zu erreichen, muss genauer festgelegt werden, da es in Anbetracht der Zahl der Mitglieder der meisten Leitungsorgane mathematisch nicht möglich ist, einen genauen Anteil von 40 % oder gegebenenfalls 33 % zu erreichen. Im Hinblick auf die Zielvorgaben dieser Richtlinie sollte daher die Anzahl der Direktorenstellen maßgebend sein, die dem Anteil von 40 % oder gegebenenfalls 33 % am nächsten kommt, und sie sollte in beiden Fällen 49 % nicht übersteigen.

(38)

In seinen Entscheidungen (9) zu positiven Maßnahmen und deren Vereinbarkeit mit dem Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, das auch in Artikel 21 der Charta verankert ist, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) erklärt, dass in bestimmten Fällen bei der Personalauswahl oder Beförderung dem unterrepräsentierten Geschlecht Vorrang eingeräumt werden kann, wenn der betreffende Bewerber die gleiche Qualifikation hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung hat wie der Bewerber des anderen Geschlechts, wenn kein automatischer und unbedingter Vorrang eingeräumt wird, sondern der Vorrang entfallen kann, wenn spezifische Kriterien zugunsten des Bewerbers des anderen Geschlechts überwiegen, und wenn sämtliche Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der alle Auswahlkriterien konkret auf die einzelnen Bewerber angewandt werden.

(39)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass börsennotierte Gesellschaften, in deren Leitungsorganen das unterrepräsentierte Geschlecht weniger als 40 % der nicht geschäftsführenden Direktoren oder, wenn maßgeblich, weniger als 33 % aller Direktoren, wozu die Posten der geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Direktoren zählen, stellt, die Auswahl der am besten geeigneten Kandidaten für die betreffenden durch Bestellung oder Wahl zu besetzenden Positionen auf der Grundlage eines Vergleichs der Qualifikationen der Kandidaten nach klaren, neutral formulierten und eindeutigen, vor dem Auswahlverfahren festgelegten Kriterien im Hinblick darauf durchführen, eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter in Leitungsorganen zu erreichen. Auswahlkriterien, die börsennotierten Gesellschaften zugrunde legen könnten, sind beispielsweise Erfahrung mit Management- oder Aufsichtsaufgaben, internationale Erfahrung, Interdisziplinarität, Leitungsqualitäten, Kommunikationsfähigkeit, Fähigkeit zur Netzwerkarbeit und einschlägige Kenntnisse, beispielsweise im Bereich Finanzen, Finanzaufsicht oder Personalverwaltung.

(40)

Bei der Auswahl von Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren sollte dem gleich qualifizierten Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts Vorrang eingeräumt werden. Dieser Vorrang sollte jedoch keine automatische und unbedingte Präferenz darstellen. Es kann in Ausnahmefällen vorkommen, dass eine objektive Beurteilung der spezifischen Situation eines gleich qualifizierten Kandidaten des anderen Geschlechts dazu führt, dass dieser trotz des Vorranges, der eigentlich dem Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts eingeräumt werden sollte, bevorzugt wird. Eine solche Aufhebung des Vorrangs könnte beispielsweise dann erfolgen, wenn auf nationaler Ebene oder auf Unternehmensebene umfassendere Diversitätsstrategien für die Auswahl der Direktoren gelten. Diese Aufhebung der Anwendung positiver Maßnahmen sollte jedoch eine Ausnahme bleiben, auf Grundlage einer Einzelfallprüfung erfolgen sowie durch objektive Kriterien — durch die das unterrepräsentierte Geschlecht auf keinen Fall diskriminiert werden darf — hinreichend begründet sein.

(41)

In Mitgliedstaaten, in denen die in dieser Richtlinie festgelegten Verpflichtungen im Rahmen der Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren gelten, sollten börsennotierte Gesellschaften, in deren Leitungsorganen das unterrepräsentierte Geschlecht mindestens 40 % der nicht geschäftsführenden Direktoren oder, wenn maßgeblich, mindestens 33 % aller Direktoren stellt, nicht verpflichtet sein, diese Verpflichtungen einzuhalten.

(42)

Die Methoden der Auswahl von Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren unterscheiden sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat und von börsennotierter Gesellschaft zu börsennotierter Gesellschaft. In manchen Fällen trifft beispielsweise ein Ernennungsausschuss oder eine auf die Vermittlung von Führungskräften spezialisierte Firma eine Vorauswahl der Kandidaten, die dann der Aktionärsversammlung vorgestellt werden. Die Anforderungen für die Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren sollten in der geeigneten Phase des Auswahlverfahrens gemäß dem nationalen Recht und den Satzungen der börsennotierten Gesellschaften — einschließlich vor der Wahl eines Kandidaten durch die Gesellschafter — erfüllt werden, beispielsweise während der Erstellung der Auswahlliste. Diesbezüglich werden in der Richtlinie lediglich Mindeststandards für das Verfahren zur Auswahl von Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren festgelegt, die es ermöglichen, die vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aufgestellten Bedingungen mit dem Ziel anzuwenden, die Gleichstellung der Geschlechter und eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften zu erreichen. Diese Richtlinie greift nicht ungebührend in das Tagesgeschäft börsennotierter Gesellschaften ein, da es den ihnen weiterhin freisteht, Kandidaten aufgrund von Qualifikationen und sonstigen zielrelevanten Kriterien auszuwählen.

(43)

Angesichts der Ziele dieser Richtlinie in Bezug auf eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter sollte von den börsennotierten Gesellschaften verlangt werden, auf Antrag eines Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren diesen über die Qualifikationskriterien für die Auswahl, den objektiven Vergleich der Kandidaten anhand dieser Kriterien und gegebenenfalls die spezifischen Erwägungen zu informieren, die ausnahmsweise den Ausschlag für den Kandidaten des nicht unterrepräsentierten Geschlechts gegeben haben. Eine Anforderung, solche Informationen zur Verfügung zu stellen, könnte eine Einschränkung der jeweils in den Artikeln 7 und 8 der Charta anerkannten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten bedeuten. Einschränkungen dieser Art sind jedoch erforderlich und entsprechen anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Somit stehen sie im Einklang mit den Anforderungen des Artikels 52 Absatz 1 der Charta und mit der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Diese Einschränkungen sollten gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) angewandt werden.

(44)

Wenn ein Kandidat des unterrepräsentierten Geschlechts für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren vor Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde glaubhaft macht, dass er im Vergleich zu dem ausgewählten Kandidaten des anderen Geschlechts genauso qualifiziert ist, sollte von der börsennotierten Gesellschaft verlangt werden, die Ordnungsmäßigkeit dieser Wahl zu begründen.

(45)

Auch wenn diese Richtlinie darauf abzielt, Mindestanforderungen in Form verbindlicher Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammensetzung der Leitungsorgane hinsichtlich einer ausgewogenen Vertretung beider Geschlechter festzulegen, ist es im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip wichtig, die Legitimität unterschiedlicher Ansätze und die Wirksamkeit bestimmter bestehender nationaler Maßnahmen in diesem Politikbereich anzuerkennen, die bereits verabschiedet wurden und zufriedenstellende Ergebnisse gezeigt haben. In manchen Mitgliedstaaten wurden daher bereits Anstrengungen unternommen, um eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen zu gewährleisten, indem verbindliche Maßnahmen erlassen wurden, die als ebenso wirksam wie die in dieser Richtlinie festgelegten Maßnahmen gelten. Diesen Mitgliedstaaten sollte es möglich sein, die Anwendung der in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen an das Verfahren zur Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren und gegebenenfalls an die Festlegung individueller quantitativer Zielvorgaben auszusetzen, vorausgesetzt, die Bedingungen für eine Aussetzung gemäß dieser Richtlinie werden erfüllt. In solchen Fällen, in denen die Mitgliedstaaten über nationales Recht bereits derartige verbindliche Maßnahmen eingeführt haben, sollten die in dieser Richtlinie festgelegten Rundungsregeln in Bezug auf die Anzahl der Direktoren zum Zwecke der Beurteilung dieser nationalen Maßnahmen im Rahmen dieser Richtlinie sinngemäß angewendet werden. In einem Mitgliedstaat, in dem eine solche Aussetzung angewendet wird, sollten die in dieser Richtlinie festgelegten Zielvorgaben als erreicht gelten, sodass die in dieser Richtlinie festgelegten Zielvorgaben hinsichtlich nicht geschäftsführender Direktoren oder aller Direktoren die erlassenen nationalen Maßnahmen nicht ersetzen und zu diesen nicht hinzugefügt werden müssen.

(46)

Im Hinblick auf eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter unter den Direktoren, die für die Geschäftsführung zuständig sind, sollte von den börsennotierten Gesellschaften verlangt werden, individuelle quantitative Zielvorgaben für eine ausgewogenere Vertretung beider Geschlechter unter den geschäftsführenden Direktoren festzulegen und zu versuchen, diese Zielvorgaben bis zu dem in der Richtlinie festgelegten Zeitpunkt zu erfüllen. Diese Zielvorgaben sollten den Unternehmen helfen, deutliche Fortschritte im Vergleich zu ihrer derzeitigen Situation zu erzielen. Diese Verpflichtung sollte nicht für börsennotierte Gesellschaften gelten, die das 33 %-Ziel in Bezug auf alle Direktoren — geschäftsführende Direktoren ebenso wie nicht geschäftsführende Direktoren — verfolgen.

(47)

Die Mitgliedstaaten sollten von den börsennotierten Gesellschaften verlangen, den zuständigen Behörden jährlich Angaben zu dem Anteil der Geschlechter in ihren Leitungsorganen sowie zu den von ihnen zur Erfüllung der Zielvorgaben dieser Richtlinie eingeleiteten Maßnahmen vorzulegen, damit diese Behörden die Fortschritte jeder der börsennotierten Gesellschaften im Hinblick auf eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter unter Direktoren beurteilen können. Börsennotierte Gesellschaften sollten solche Angaben in angemessener und leicht zugänglicher Weise auf ihren Websites veröffentlichen und in ihre Jahresberichte aufnehmen. Hat eine börsennotierte Gesellschaft die geltenden quantitativen Zielvorgaben nicht erfüllt, sollte sie in den Angaben die konkreten Maßnahmen darlegen, die sie bereits ergriffen hat oder zu ergreifen gedenkt, um die in dieser Richtlinie festgelegten Zielvorgaben zu erreichen. Um unnötigen Verwaltungsaufwand und Doppelarbeit zu vermeiden, sollten die gemäß dieser Richtlinie vorzulegenden Angaben über die ausgewogene Vertretung der Geschlechter in Leitungsorganen von Gesellschaften gegebenenfalls Teil der Erklärung zur Unternehmensführung börsennotierter Gesellschaften im Einklang mit geltendem Unionsrecht und insbesondere der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (11) sein. Haben die Mitgliedstaaten die Anwendung von Artikel 6 gemäß Artikel 12 ausgesetzt, sollten die in dieser Richtlinie festgelegten Berichterstattungspflichten nicht gelten, sofern das nationale Recht dieser Mitgliedstaaten Berichterstattungspflichten enthält, die die regelmäßige Veröffentlichung von Informationen über Fortschritte börsennotierter Gesellschaften im Hinblick auf eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen gewährleisten.

(48)

Die Anforderungen in Bezug auf die Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren, die Verpflichtung, ein quantitative Zielvorgabe zu setzen, was die geschäftsführenden Direktoren betrifft, sowie die Berichterstattungspflichten sollten mit Hilfe von Sanktionen durchgesetzt werden, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind, und die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass für diesen Zweck angemessene Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren zur Verfügung stehen. Derartige Sanktionen könnten Geldbußen oder die Möglichkeit einer gerichtlichen Instanz, einen Beschluss über die Auswahl von Direktoren zu annullieren oder für nichtig zu erklären, umfassen. Unbeschadet nationaler Bestimmungen über die Verhängung von Sanktionen sollten börsennotierte Gesellschaften, die die genannten Verpflichtungen erfüllen, für das Verfehlen der quantitativen Zielvorgaben in Bezug auf die Vertretung von Frauen und Männern unter Direktoren nicht sanktioniert werden. Sanktionen sollten nicht die börsennotierten Gesellschaften selbst treffen, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach nationalem Recht nicht dem Unternehmen, sondern anderen natürlichen oder juristischen Personen, etwa einzelnen Aktionären, zuzuschreiben ist. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, andere Sanktionen als die in der in dieser Richtlinie aufgeführten nicht erschöpfenden Liste von Sanktionen zu verhängen, insbesondere bei schweren und wiederholten Verstößen einer börsennotierten Gesellschaft im Zusammenhang mit den in dieser Richtlinie festgelegten Verpflichtungen. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass börsennotierte Gesellschaften bei der Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen die geltenden Verpflichtungen des Arbeits- und Sozialrechts im Einklang mit dem einschlägigen Unionsrecht einhalten.

(49)

Mitgliedstaaten oder börsennotierten Gesellschaften sollten in der Lage sein, vorteilhaftere Maßnahmen einzuführen oder beizubehalten, um eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern zu gewährleisten.

(50)

Die Mitgliedstaaten sollten Stellen bezeichnen, deren Aufgabe darin besteht, die ausgewogene Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen börsennotierter Gesellschaften zu fördern, zu analysieren, zu beobachten und zu unterstützen. Ferner würden Aufklärungskampagnen und der Austausch bewährter Verfahren erheblich zur Sensibilisierung für dieses Thema bei allen börsennotierten Unternehmen beitragen und sie dazu ermutigen, auf eigene Initiative ein ausgewogeneres Verhältnis der Geschlechter zu erreichen. Insbesondere werden die Mitgliedstaaten ermutigt, Strategien einzurichten, um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu unterstützen und ihnen Anreize zu bieten, die ausgewogenere Vertretung der Geschlechter auf allen Managementebenen und in den Leitungsorganen von Unternehmen erheblich zu verbessern.

(51)

Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta anerkannt wurden. Insbesondere trägt sie zur Durchsetzung des Grundsatzes der Gleichheit von Frauen und Männern (Artikel 23 der Charta) und der Berufsfreiheit und des Rechts zu arbeiten (Artikel 15 der Charta) bei. Die Richtlinie ist auf eine lückenlose Einhaltung des Rechts auf wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Artikel 47 der Charta) angelegt. Die Einschränkung der unternehmerischen Freiheit (Artikel 16 der Charta) und des Rechts auf Eigentum (Artikel 17 Absatz 1 der Charta) lassen den Wesensgehalt dieser Freiheit und dieses Rechts unangetastet und sind erforderlich sowie verhältnismäßig. Einschränkungen sind nur zulässig, wenn sie den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer entsprechen.

(52)

Während einige Mitgliedstaaten gesetzliche Maßnahmen ergriffen oder mit unterschiedlichem Erfolg Selbstregulierungsmaßnahmen gefördert haben, haben die meisten Mitgliedstaaten nichts unternommen oder sich nicht zu Maßnahmen bereit erklärt, mit denen sich ausreichende Verbesserungen erzielen lassen. Auf der Grundlage einer umfassenden Auswertung aller vorhandenen Informationen über frühere und aktuelle Trends und Absichtserklärungen zeigen Prognosen, dass durch individuelles Handeln der Mitgliedstaaten unionsweit eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern unter Direktoren im Einklang mit den Zielen dieser Richtlinie in absehbarer Zeit nicht erreicht werden kann. Untätigkeit in diesem Bereich verlangsamt die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz im Allgemeinen, auch im Hinblick auf die Beseitigung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, das zum Teil auf die vertikale Segregation zurückzuführen ist. Angesichts dessen sowie in Anbetracht der wachsenden Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, was die Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen anbelangt, lässt sich daher ein ausgewogeneres Verhältnis der Geschlechter in diesen Organen nur durch ein gemeinsames Vorgehen auf Unionsebene erreichen und das Potential für eine Gleichstellung der Geschlechter, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum lässt sich besser durch unionsweit abgestimmte Maßnahmen als durch nationale Initiativen mit variablem Anwendungsbereich, Anspruch und Wirkungsgrad verwirklichen. Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern unter Direktoren börsennotierter Gesellschaften, indem wirksame Maßnahmen festgelegt werden, die auf raschere Fortschritte in diesem Bereich abzielen, wobei börsennotierten Gesellschaften ausreichend Zeit eingeräumt wird, um die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können, sondern wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme besser auf Unionsebene zu erreichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 AEUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über die Festlegung gemeinsamer Ziele und Grundsätze und das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. Die Mitgliedstaaten erhalten genügend Spielraum, um zu entscheiden, wie sich die in dieser Richtlinie festgelegten Ziele unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in ihrem Land, insbesondere der Regeln und Verfahren für die Auswahl der Mitglieder von Leitungsorganen, am besten erreichen lassen. Diese Richtlinie schränkt die Möglichkeiten der börsennotierten Gesellschaften zur Bestellung der am besten qualifizierten Direktoren nicht ein und sieht einen flexiblen Rahmen und ausreichend lange Anpassungsfristen vor.

(53)

Die Mitgliedstaaten sollten mit den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um sie wirksam über die Tragweite, Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie zu informieren.

(54)

Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollten die von den börsennotierten Gesellschaften zu erfüllenden Zielvorgaben zeitlich befristet sein und nur so lange beibehalten werden, bis nachhaltige Fortschritte bei der Zusammensetzung der Leitungsorgane eingetreten sind. Aus diesem Grund sollte die Kommission die Anwendung dieser Richtlinie regelmäßig überprüfen und dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht erstatten. Darüber hinaus ist in dieser Richtlinie ein Zeitpunkt festgelegt, zu dem ihre Geltungsdauer endet. Die Kommission sollte bei ihrer Überprüfung bewerten, ob es notwendig ist, die Geltungsdauer dieser Richtlinie darüber hinaus zu verlängern.

(55)

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten (12) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. Bei dieser Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Ziel

Mit dieser Richtlinie wird das Ziel verfolgt, eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften zu erreichen, indem wirksame Maßnahmen festgelegt werden, die raschere Fortschritte in diesem Bereich gewährleisten sollen, wobei börsennotierten Gesellschaften ausreichend Zeit eingeräumt wird, um die notwendigen Vorkehrungen zu diesem Zweck zu treffen.

Artikel 2

Geltungsbereich

Diese Richtlinie findet auf börsennotierte Gesellschaften Anwendung. Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.

„börsennotierte Gesellschaft“ eine Gesellschaft, die ihren eingetragenen Sitz in einem Mitgliedstaat hat und deren Anteile zum Handel an einem geregelten Markt im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 21 der Richtlinie 2014/65/EU in einem oder mehreren Mitgliedstaaten zugelassen sind;

2.

„Leitungsorgan“ einen Verwaltungsrat, Vorstand oder Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft;

3.

„Direktor“ ein Mitglied des Leitungsorgans, bei dem es sich auch um einen Arbeitnehmervertreter handeln kann;

4.

„geschäftsführender Direktor“ in einem monistischen System ein für die Geschäftsführung zuständiges Mitglied des Leitungsorgans einer börsennotierten Gesellschaft oder, in einem dualistischen System, ein Mitglied des Vorstandseiner börsennotierten Gesellschaft;

5.

„nicht geschäftsführender Direktor“ in einem monistischen System ein Mitglied des Leitungsorgans, das kein geschäftsführender Direktor ist, oder, in einem dualistischen System, ein Mitglied des Aufsichtsratseiner börsennotierten Gesellschaft;

6.

„monistisches System“ ein System, in dem ein und dasselbe Leitungsorgan die Funktionen eines Vorstands und eines Aufsichtsrats einer börsennotierten Gesellschaft ausführt;

7.

„dualistisches System“ ein System, in dem getrennte Leitungsorgane die Funktionen eines Vorstands und eines Aufsichtsrats einer börsennotierten Gesellschaft ausführen;

8.

„Kleinstunternehmen, kleines und mittleres Unternehmen“ oder „KMU“ ein Unternehmen, das weniger als 250 Personen beschäftigt und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. EUR beläuft beziehungsweise bei einem KMU, das seinen eingetragenen Sitz in einem Mitgliedstaat hat, der nicht den Euro als Währung hat, die entsprechenden Beträge in der Währung dieses Mitgliedstaats.

Artikel 4

Anwendbares Recht

Für die Regelung der von dieser Richtlinie erfassten Bereiche in Bezug auf eine börsennotierte Gesellschaft ist derjenige Mitgliedstaat zuständig, in dem die Gesellschaft ihren eingetragenen Sitz hat. Das anwendbare Recht ist das Recht dieses Mitgliedstaats.

Artikel 5

Zielvorgaben in Bezug auf eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für börsennotierte Gesellschaften eines der folgenden Ziele gilt, das bis zum 30. Juni 2026 zu erreichen ist:

a)

das unterrepräsentierte Geschlecht stellt mindestens 40 % der nicht geschäftsführenden Direktoren;

b)

das unterrepräsentierte Geschlecht stellt mindestens 33 % aller Direktoren, wozu die Posten der geschäftsführenden und der nicht geschäftsführenden Direktoren/zählen.

(2)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass börsennotierte Gesellschaften, die von der in Absatz 1 Buchstabe b genannte Zielvorgabe ausgenommen sind, individuelle quantitative Zielvorgaben zur Verbesserung der ausgewogenen Vertretung der Geschlechter unter den geschäftsführenden Direktoren festlegen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese börsennotierten Gesellschaften versuchen, diese individuellen quantitativen Zielvorgaben bis zum 30. Juni 2026 zu erfüllen.

(3)   Die genaue Anzahl der Stellen nicht geschäftsführender Direktoren, bei der die Zielvorgabe gemäß Absatz 1 Buchstabe a als erfüllt gilt, entspricht der Anzahl, die dem Anteil von 40 % am nächsten kommt, 49 % aber nicht überschreitet. Die Anzahl aller Direktorenstellen, bei denen die Zielvorgabe gemäß Absatz 1 Buchstabe b als erfüllt gilt, entspricht der Anzahl, die dem Anteil von 33 % am nächsten kommt, 49 % aber nicht überschreitet. Die betreffenden Zahlen werden im Anhang genannt.

Artikel 6

Mittel zur Erreichung der Zielvorgaben

(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass börsennotierte Gesellschaften, die die nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a oder b, soweit anwendbar, anzuwendenden Zielvorgaben nicht erfüllen, das Verfahren für die Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren anpassen. Diese Kandidaten werden auf der Grundlage eines Vergleichs der Qualifikationen jedes Kandidaten ausgewählt. Zu diesem Zweck werden klare, neutral formulierte und eindeutige Kriterien ohne Diskriminierung während des gesamten Auswahlverfahrens angewandt, einschließlich bei der Vorbereitung von Stellenausschreibungen, der Vorauswahl, der Auswahlliste und der Bildung von Auswahlpools von Kandidaten. Diese Kriterien werden vor dem Auswahlverfahren festgelegt.

(2)   Im Hinblick auf die Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass bei der der Auswahl zwischen den Kandidaten, die in Bezug auf Eignung, Befähigung und berufliche Leistung gleichermaßen qualifiziert sind, dem Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts Vorrang eingeräumt wird, es sei denn, dass in Ausnahmefällen Gründe von größerem rechtlichem Gewicht, wie etwa die Verfolgung anderer Diversitätsstrategien, die im Rahmen einer objektiven Beurteilung angewandt werden, die die besondere Situation eines Kandidaten des anderen Geschlechts berücksichtigt und auf nichtdiskriminierenden Kriterien beruht, den Ausschlag zugunsten dieses Kandidaten des anderen Geschlechts geben.

(3)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass börsennotierte Gesellschaften einen Kandidaten, der bei der Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren in Betracht gezogen wurde, auf seinen Antrag über Folgendes informieren müssen:

a)

über die Qualifikationskriterien für die Auswahl der Kandidaten,

b)

über den objektiven Vergleich der Kandidaten anhand dieser Kriterien,

c)

gegebenenfalls über die besonderen Erwägungen, die ausnahmsweise den Ausschlag zugunsten des Kandidaten gegeben haben, der nicht dem unterrepräsentierten Geschlecht angehört.

(4)   Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Justizsystem die Maßnahmen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass, wenn ein nicht ausgewählter Kandidat des unterrepräsentierten Geschlechts vor einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde glaubhaft macht, dass er die gleiche Qualifikation hat wie der Kandidat des anderen Geschlechts, der für die Bestellung oder Wahl zum Direktor ausgewählt wurde, die börsennotierte Gesellschaft nachweisen muss, dass nicht gegen Artikel 6 Absatz 2 verstoßen wurde.

Dieser Absatz lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für die klagende Partei günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt.

(5)   Erfolgt die Auswahl der Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktoren in Form einer Abstimmung von Aktionären oder Beschäftigten, so fordern die Mitgliedstaaten die börsennotierten Gesellschaften auf dafür zu sorgen, dass den Abstimmenden die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen in angemessener Form bekannt gegeben werden, auch die Sanktionen, denen sich eine börsennotierte Gesellschaft aussetzt, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommt.

Artikel 7

Berichterstattung

(1)   Die Mitgliedstaaten verlangen von den börsennotierten Gesellschaften, den zuständigen Behörden jährlich Angaben über die Vertretung von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen vorzulegen, und zwar getrennt nach geschäftsführenden Direktoren und nicht geschäftsführenden Direktoren sowie im Hinblick auf die Maßnahmen, die sie ergriffen haben, um die jeweils geltenden in Artikel 5 Absatz 1 genannten Zielvorgaben und gegebenenfalls die nach Artikel 5 Absatz 2 festgelegten Zielvorgaben zu erreichen. Sie verlangen von den börsennotierten Gesellschaften, diese Angaben in geeigneter leicht zugänglicher Form auf ihren Webseiten zu veröffentlichen. Auf der Grundlage der bereitgestellten Informationen veröffentlichen die Mitgliedstaaten auf leicht zugängliche und zentralisierte Weise eine Liste der börsennotierten Gesellschaften, die eine der in Artikel 5 Absatz 1 genannten Zielvorgaben erreicht haben, und aktualisieren diese Liste regelmäßig.

(2)   Erfüllt eine börsennotierte Gesellschaft nicht eine der in Artikel 5 Absatz 1 genannten Zielvorgaben oder gegebenenfalls nicht eine der nach Artikel 5 Absatz 2 festgelegten Zielvorgaben, so sind zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels auch die Gründe hierfür zu nennen und umfassend darzulegen, welche Maßnahmen die börsennotierte Gesellschaft bereits ergriffen hat oder zu ergreifen gedenkt, um die Zielvorgaben zu erfüllen.

(3)   Gegebenenfalls werden die in Absatz 1 und 2 des vorliegenden Artikels genannten Angaben gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2013/34/EU auch in die Erklärung zur Unternehmensführung der Gesellschaft aufgenommen.

(4)   Die in den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels dargelegten Verpflichtungen gelten nicht in einem Mitgliedstaat, der die Anwendung von Artikel 6 auf der Grundlage von Artikel 12 ausgesetzt hat, wenn das nationale Recht Berichterstattungspflichten enthält, die die regelmäßige Veröffentlichung von Informationen über die Fortschritte börsennotierter Gesellschaften im Hinblick auf eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen gewährleistet.

Artikel 8

Sanktionen und zusätzliche Maßnahmen

(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen Vorschriften über Sanktionen, die bei Verstößen der börsennotierten Gesellschaften gegen die gemäß Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 und Artikel 7 soweit anwendbar, erlassenen nationalen Vorschriften zu verhängen sind, und treffen alle für die Anwendung der Sanktionen erforderlichen Maßnahmen. Die Mitgliedstaaten sorgen insbesondere dafür, dass es geeignete Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gibt, um die Erfüllung der sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen durchsetzen zu können. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Derartige Sanktionen können Geldbußen oder die Möglichkeit einer gerichtlichen Instanz, einen Beschlusses hinsichtlich der Auswahl von Direktoren zu annullieren oder für nichtig zu erklären, umfassen, wenn dabei gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung von Artikel 6 verstoßen wurde. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Vorschriften und Maßnahmen bis zum 28. Dezember 2024 mit und melden ihr unverzüglich alle diesbezüglichen Änderungen.

(2)   Börsennotierte Gesellschaften können nur für die Handlungen oder Unterlassungen haftbar gemacht werden, die ihnen nach nationalem Recht zuzuschreiben sind.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass börsennotierte Gesellschaften bei der Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen die geltenden Verpflichtungen des Arbeits- und des Sozialrechts im Einklang mit dem einschlägigen Unionsrecht in diesem Bereich einhalten.

Artikel 9

Mindestanforderungen

Die Mitgliedstaaten dürfen Vorschriften einführen oder beibehalten, die eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen börsennotierten Gesellschaften noch stärker als die in der Richtlinie festgelegten Vorschriften begünstigen.

Artikel 10

Stellen für die Förderung einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter in börsennotierten Gesellschaften

Jeder Mitgliedstaat bezeichnet eine oder mehrere Stellen, deren Aufgabe darin besteht, die ausgewogene Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen zu fördern, zu analysieren, zu beobachten und zu unterstützen. Zu diesem Zweck können Mitgliedstaaten beispielsweise Gleichstellungsstellen benennen, die gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (13) benannt wurden.

Artikel 11

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 28. Dezember 2024 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

(2)   Mitgliedstaaten, die die Anwendung von Artikel 6 gemäß Artikel 12 ausgesetzt haben, übermitteln der Kommission unverzüglich Angaben, die belegen, dass die Bedingungen des Artikels 12 erfüllt sind.

(3)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Vorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 12

Aussetzung der Anwendung des Artikels 6

(1)   Ein Mitgliedstaat kann die Anwendung des Artikels 6 und gegebenenfalls des Artikels 5 Absatz 2 aussetzen, wenn bis zum 27. Dezember 2022 die folgenden Bedingungen durch diesen Mitgliedstaat erfüllt wurden:

a)

das unterrepräsentierte Geschlecht stellt mindestens 30 % der nicht geschäftsführenden Direktoren oder mindestens 25 % aller Direktoren in börsennotierten Gesellschaften; oder

b)

das nationale Recht des Mitgliedstaats

i)

vorschreibt, dass das unterrepräsentierte Geschlecht mindestens 30 % der nicht geschäftsführenden Direktoren oder mindestens 25 % aller Direktoren in börsennotierten Gesellschaften stellt;

ii)

wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Durchsetzungsmaßnahmen bei Nichteinhaltung der Anforderungen gemäß Ziffer i einschließt und

iii)

vorschreibt, dass alle börsennotierten Gesellschaften, die nicht unter dieses nationale Recht fallen, individuelle quantitative Zielvorgaben für alle Direktorenstellen festlegen.

In den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat die Anwendung des Artikels 6 und gegebenenfalls des Artikels 5 Absatz 2 auf der Grundlage der in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes genannten Bedingungen ausgesetzt hat, gelten die in Artikel 5 Absatz 1 genannten Zielvorgaben in jenem Mitgliedstaat als erfüllt.

(2)   Zum Zwecke der Beurteilung, ob die Bedingungen für die Aussetzung auf der Grundlage von Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstaben a oder b erfüllt sind, entspricht die Anzahl der erforderlichen Direktorenstellen der Anzahl, die dem Anteil von 30 % der nicht geschäftsführenden Direktoren oder 25 % aller Direktoren am nächsten kommt, 39 % aber nicht übersteigt. Dies ist auch dann der Fall, wenn gemäß nationalem Recht die in Artikel 5 festgelegten quantitativen Zielvorgaben auf Aktionärs- und Arbeitnehmervertreter getrennt angewandt werden.

(3)   Sind in einem Mitgliedstaat, der die Anwendung des Artikels 6 und gegebenenfalls des Artikels 5 Absatz 2 gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels ausgesetzt hat, die Anforderungen gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger erfüllt, gelten Artikel 6 und gegebenenfalls Artikel 5 Absatz 2 spätestens sechs Monate nach Beendigung der Erfüllung dieser Anforderungen.

Artikel 13

Überprüfung

(1)   Bis zum 29. Dezember 2025 und anschließend alle zwei Jahre übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission einen Bericht über die Umsetzung dieser Richtlinie. In einem solchen Bericht sind ausführliche Angaben zu den ergriffenen Maßnahmen im Hinblick auf das Erreichen der in Artikel 5 Absatz 1 festgelegten Zielvorgaben, Angaben gemäß Artikel 7 und gegebenenfalls Angaben zu den individuellen quantitativen Zielvorgaben der börsennotierten Gesellschaften gemäß Artikel 5 Absatz 2 zu machen.

(2)   Die Mitgliedstaaten, die die Anwendung von Artikel 6 und gegebenenfalls von Artikel 5 Absatz 2 gemäß Artikel 12 ausgesetzt haben, nehmen in die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Berichte Angaben auf, aus denen hervorgeht, ob und wie die in Artikel 12 festgelegten Bedingungen erfüllt sind und ob sie weiterhin Fortschritte hin zu einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren oder unter allen Direktoren in börsennotierten Gesellschaften erzielen.

Bis zum 29. Dezember 2026 und danach alle zwei Jahre legt die Kommission einen entsprechenden Bericht vor, in dem sie unter anderem prüft, ob und wie die Bedingungen des Artikels 12 Absatz 1 erfüllt sind und gegebenenfalls, ob die Mitgliedstaaten die Anwendung von Artikel 6 und Artikel 5 Absatz 2 wieder gemäß Artikel 12 Absatz 3 aufgenommen haben.

(3)   Bis zum 31. Dezember 2030 und danach alle zwei Jahre überprüft die Kommission die Anwendung dieser Richtlinie und erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht. Die Kommission bewertet insbesondere, ob die Ziele dieser Richtlinie erreicht wurden.

(4)   In ihrem Bericht nach Absatz 3 des vorliegenden Artikels bewertet die Kommission, ob die Richtlinie angesichts der Entwicklungen bei der Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen auf verschiedenen Entscheidungsebenen in der gesamten Wirtschaft und unter Berücksichtigung der Frage, ob die erzielten Fortschritte hinreichend nachhaltig sind, ein effizientes und wirksames Instrument ist, um eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen von Unternehmen zu erreichen. Auf der Grundlage dieser Bewertung prüft die Kommission, ob es notwendig ist, die Geltungsdauer dieser Richtlinie über den 31. Dezember 2038 hinaus zu verlängern oder ob sie geändert werden muss, indem beispielsweise ihr Anwendungsbereichs auf nicht börsennotierte Gesellschaften ausgeweitet wird, die nicht unter die Definition von KMU fallen, oder indem die in Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a genannten Bedingungen überarbeitet werden, um weitere Fortschritte im Hinblick auf eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern unter den geschäftsführenden Direktoren und nicht geschäftsführenden Direktoren oder unter allen Direktoren in börsennotierten Gesellschaften zu gewährleisten.

Artikel 14

Inkrafttreten und Ende der Geltungsdauer

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt bis zum 31. Dezember 2038.

Artikel 15

Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Straßburg am 23. November 2022.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Die Präsidentin

R. METSOLA

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. BEK


(1)  ABl. C 133 vom 9.5.2013, S. 68.

(2)  ABl. C 218 vom 30.7.2013, S. 33.

(3)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 20. November 2013 (ABl. C 436 vom 24.11.2016, S. 225) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 17. Oktober 2022 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 17. Oktober 2022 (ABl. C 433 vom 15.11.2022, S. 14).

(4)  Empfehlung 84/635/EWG des Rates vom 13. Dezember 1984 zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen (ABl. L 331 vom 19.12.1984, S. 34).

(5)  Empfehlung 96/694/EG des Rates vom 2. Dezember 1996 über die ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern am Entscheidungsprozess (ABl. L 319 vom 10.12.1996, S. 11).

(6)  https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2021/05/08/the-porto-declaration/

(7)  Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 79).

(8)  Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (kodifizierte Fassung) (ABl. L 318 vom 17.11.2006, S. 17).

(9)  Siehe Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Oktober 1995, Kalanke v Freie Hansestadt Bremen, Rechtssache C-450/93, ECLI:EU:C:1995:322, Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. November 1997, Marschall v Land Nordrhein-Westfalen, Rechtssache C-409/95, ECLI:EU:C:1997:533, Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 28. März 2000, Badeck and Others Rechtssache C-158/97, ECLI:EU:C:2000:163, Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Juli 2000, Abrahamsson and Anderson, Rechtssache C-407/98, ECLI:EU:C:2000:367.

(10)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(11)  Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19).

(12)  ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.

(13)  Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23).


ANHANG

ZIELVORGABEN FÜR DIE VOM UNTERREPRÄSENTIERTEN GESCHLECHT GESTELLTE DIREKTOREN

Zahl der Posten im Leitungsorgan

Erforderliche Mindestanzahl der vom unterrepräsentierten Geschlecht gestellten nicht geschäftsführenden Direktoren für die Erfüllung der 40 %-Zielvorgabe (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a)

Erforderliche Mindestanzahl der vom unterrepräsentierten Geschlecht gestellten Direktoren für die Erfüllung der 33 %-Zielvorgabe (Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b)

1

-

-

2

-

-

3

1 (33,3  %)

1 (33,3  %)

4

1 (25  %)

1 (25  %)

5

2 (40  %)

2 (40  %)

6

2 (33,3  %)

2 (33,3  %)

7

3 (42,9  %)

2 (28,6  %)

8

3 (37,5  %)

3 (37,5  %)

9

4 (44,4  %)

3 (33,3  %)

10

4 (40  %)

3 (30  %)

11

4 (36,4  %)

4 (36,4  %)

12

5 (41,7  %)

4 (33,3  %)

13

5 (38,4  %)

4 (30,8  %)

14

6 (42,9  %)

5 (35,7  %)

15

6 (40  %)

5 (33,3  %)

16

6 (37,5  %)

5 (31,3  %)

17

7 (41,2  %)

6 (35,3  %)

18

7 (38,9  %)

6 (33,3  %)

19

8 (42,1  %)

6 (31,6  %)

20

8 (40  %)

7 (35  %)

21

8 (38,1  %)

7 (33,3  %)

22

9 (40,1  %)

7 (31,8  %)

23

9 (39,1  %)

8 (34,8  %)

24

10 (41,7  %)

8 (33,3  %)

25

10 (40  %)

8 (32  %)

26

10 (38,5  %)

9 (34,6  %)

27

11 (40,7  %)

9 (33,3  %)

28

11 (39,3  %)

9 (32,1  %)

29

12 (41,4  %)

10 (34,5  %)

30

12 (40  %)

10 (33,3  %)