Brüssel, den 17.5.2021

COM(2021) 240 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

über einen neuen Ansatz für eine nachhaltige blaue Wirtschaft in der EU
Umgestaltung der blauen Wirtschaft der EU für eine nachhaltige Zukunft


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

über einen neuen Ansatz für eine nachhaltige blaue Wirtschaft in der EU
Umgestaltung der blauen Wirtschaft der EU für eine nachhaltige Zukunft

1.Den Übergang schaffen vom „blauen Wachstum“ zu einer „nachhaltigen blauen Wirtschaft“

Im europäischen Grünen Deal 1 wird der Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft gefordert, in der keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Naturkapital der EU geschützt wird. Ziel des Europäischen Aufbauplans 2  ist es, den ökologischen und digitalen Wandel voranzutreiben und die europäische Wirtschaft für künftige Generationen gerechter, robuster und nachhaltiger zu gestalten. Die „blaue Wirtschaft“ der Europäischen Union kann dazu beitragen, diese doppelte Herausforderung zu bewältigen: Wenn sie auf einen nachhaltigeren Weg gebracht wird, werden daraus Maßnahmen und Ideen hervorgehen, die zu Innovationen führen, einen schnellen und dauerhaften Aufschwung unterstützen und den Planeten schützen.

Würde man die globale blaue Wirtschaft mit einer Volkswirtschaft vergleichen, wäre sie die siebtgrößte der Welt, und der Ozean als Wirtschaftsakteur wäre G7-Mitglied. Das Tätigkeitsfeld der blauen Wirtschaft ist das größte Ökosystem unseres Planeten: Die Ozeane machen 97 % der gesamten Wasserressourcen aus und enthalten 80 % aller Lebensformen. Die Ozeane umgeben uns und erhalten uns. Sie liefern die Hälfte des Sauerstoffs, den wir benötigen, sie bieten Nahrung für fast die Hälfte der Menschheit und wichtige Ressourcen für die menschliche Gesundheit, ganz zu schweigen von einem ganzen Geflecht an wirtschaftlichen Interaktionen.

Die europäische blaue Wirtschaft sorgt für 4,5 Millionen direkte Arbeitsplätze 3 , viele davon in Regionen, in denen es nur wenige Alternativen gibt. Sie umfasst alle Industriezweige und Sektoren, die mit Ozeanen, Meeren und Küsten zu tun haben, unabhängig davon, ob sich ihre Tätigkeit auf bzw. im Meer (z. B. Schifffahrt, Fischerei, Energieerzeugung) oder an Land (z. B. Häfen, Werften, Aquakultur und Algenproduktion an Land, Küstentourismus) abspielt. In diesem umfassenden, sich rasch entwickelnden Segment der europäischen Wirtschaft wurden im letzten Jahrzehnt wesentliche Schritte zur Modernisierung und Diversifizierung unternommen. Neben den traditionellen Sektoren entstehen und wachsen innovative Sektoren wie erneuerbare Meeresenergie, die blaue Bioökonomie, Biotechnologie und Entsalzung, die neue Perspektiven bieten und Arbeitsplätze schaffen.

Diese und andere wirtschaftlichen Tätigkeiten haben eine kumulative Wirkung auf die Meeresumwelt, von der sichtbaren Verschmutzung wie Plastikmüll und Ölverschmutzung bis hin zu unsichtbarer Verschmutzung durch Mikroplastik, Unterwasserlärm, Chemikalien und Nährstoffe. Die Auswirkungen des Klimawandels und der Treibhausgasemissionen sind verheerend für die Ozeane, die Küsten und die Menschen, die in diesen Gebieten leben. Sie reichen von Veränderungen der Wassertemperatur über Versauerung und steigende Meeresspiegel bis hin zu häufigeren und intensiveren Überschwemmungen und Erosion. Zusammen mit der großen Bedrohung durch den Verlust der Biodiversität aufgrund des Klimawandels, der Umweltverschmutzung, der übermäßigen Ausbeutung von Ressourcen und der Zerstörung natürlicher Lebensräume stellen diese Auswirkungen eine Herausforderung für die Resilienz der blauen Wirtschaft und der Gesellschaft als Ganzes dar.

In dieser Mitteilung wird die Meerespolitik aus einer systemischen Perspektive in die neue europäische Wirtschaftspolitik einbezogen. Unsere Ozeane und die darauf beruhende „blaue Wirtschaft“ sind unverzichtbar, um den im europäischen Grünen Deal vorgesehenen Übergang zu schaffen. Wichtige Beispiele sind die Beiträge der Ozeane zur Energieerzeugung, zur Ökologisierung des Verkehrs und zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Der Beitrag gesunder Ozeane zu einer nachhaltigen Wirtschaft ist von wesentlicher Bedeutung. Wir müssen die Umwelt- und die Meerespolitik besser miteinander verknüpfen und gleichzeitig unseren Ansatz über die EU-Grenzen hinaus ausweiten und den Weg für eine internationale Meerespolitik ebnen.

Eine nachhaltige blaue Wirtschaft bietet konkrete Chancen für neue Arbeitsplätze und Unternehmen. Diese entstehen dadurch, dass an der Minderung schädlicher Auswirkungen auf Ozeane und Küsten gearbeitet wird, um ein widerstandsfähiges Wirtschaftsmodell aufzubauen, das auf Innovation, Kreislaufwirtschaft und einem respektvollen Umgang mit den Ozeanen basiert. Dies bedeutet, dass für Unternehmen, die erneuerbare Ressourcen nutzen oder erzeugen, Meeresökosysteme erhalten, die Umweltverschmutzung reduzieren und die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel erhöhen, Anreize geschaffen werden, während andere ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren müssen. Dies ist für uns Menschen ebenso wichtig wie für den Planeten. In der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ist festgehalten 4 , dass das Leben ohne gesunde Ozeane auf diesem Planeten gefährdet ist; ohne die Ressourcen der Ozeane verlieren menschliche Gemeinschaften rund um den Planeten die Fähigkeit, sich selbst zu erhalten.

Diese Mitteilung enthält eine ausführliche und realistische Agenda für die blaue Wirtschaft, die bei der Erreichung der Ziele des europäischen Grünen Deals eine wichtige Rolle spielen soll. Dank seiner Dynamik und seines Innovationspotenzials befindet sich der Sektor in einer guten Ausgangsposition, um den Übergang zu einer grünen Wirtschaft voranzutreiben und die unkontrollierte Expansion durch saubere, klimafreundliche und nachhaltige Tätigkeiten zu ersetzen, bei denen die Meeresumwelt geschont wird. Die überholte Vorstellung, dass Umweltschutz im Widerspruch zur Wirtschaft steht, weicht der Erkenntnis, dass Umwelt und Wirtschaft gerade in der maritimen Industrie untrennbar miteinander verbunden sind. Wir müssen den Fokus von „blauem Wachstum“ auf eine nachhaltige blaue Wirtschaft verlagern.

Europas Meere und Ozeane sind natürliche und wichtige Verbündete bei der Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrise. Es gilt eine beträchtliche Umsetzungslücke zu schließen, um die Fläche der Meeresschutzgebiete bis 2030 von derzeit 11 % auf 30 % zu erhöhen 5 , die ehrgeizigen Ziele zur Schadstoffreduzierung in den Meeren zu erreichen und die natürlichen und maritimen Ressourcen Europas optimal zu nutzen, damit Europa seine Ziele für 2030 und das Ziel der Klimaneutralität erreichen kann. Diese Mitteilung wird zusammen mit der geplanten Mission für Meere und Ozeane 6 den Weg zur Verwirklichung dieser Ziele ebnen.

Mit dieser Mitteilung werden die Akteure der blauen Wirtschaft aufgerufen, die Grundsätze des europäischen Grünen Deals zu unterstützen. In den vergangenen 15 Jahren hat die EU ein solides Fundament für eine integrierte und auf Synergien ausgerichtete Meerespolitik in Europa gelegt, indem sie ihre Mitgliedsstaaten, Regionen, lokale Interessenträger und die an Land angesiedelte grüne Wirtschaft einbezogen hat. Der Wandel hin zu einer nachhaltigen blauen Wirtschaft erfordert eine noch engere Zusammenarbeit mit allen Interessenträgern, von großen und kleinen Unternehmen über lokale Gruppen bis hin zu jungen Menschen, denen die Gesundheit der Ozeane am Herzen liegt, und der breiten Öffentlichkeit. Dabei müssen alle Gruppen und Sektoren sich auf eine gemeinsame Strategie einigen. Ergänzend zu anderen aktuellen Initiativen der Kommission wird in dieser Mitteilung (in Kapitel 2) die Agenda für die blaue Wirtschaft zur Dekarbonisierung, zum Erhalt des Naturkapitals, zur Kreislaufwirtschaft und zur verantwortungsvollen Lebensmittelproduktion vorgestellt. Obwohl diese Mitteilung nicht erschöpfend ist, werden darin einige neue Initiativen angekündigt und einige der Werkzeuge (Kapitel 3) und entscheidenden Faktoren (Kapitel 4) beschrieben, die erforderlich sind, um den Übergang zu ermöglichen.

2. Umstellung der Wertschöpfungsketten der blauen Wirtschaft

2.1    Verwirklichung des Ziels der Klimaneutralität und des Null-Schadstoff-Ziels

Eine nachhaltige blaue Wirtschaft bietet viele Lösungen, um die Ziele des europäischen Grünen Deals zu erreichen. Bei vielen der derzeitigen Tätigkeiten muss der CO2-Fußabdruck reduziert werden, und gleichzeitig müssen neue, klimaneutrale Tätigkeiten in den Mittelpunkt rücken. Die blaue Wirtschaft kann zur CO2-Neutralität beitragen, indem die erneuerbare Offshore-Energie ausgebaut wird und der Seeverkehr und die Häfen umweltfreundlicher gestaltet werden.

Die EU strebt an, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu werden. Erneuerbare Offshore-Energie könnte dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen, und bis 2050 ein Viertel des Stroms der EU liefern, hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) durch Offshore-Windenergie. Ein nachhaltiger Meeresenergiemix sollte (neben im Boden verankerten Offshore-Windkraftanlagen) auch schwimmende Wind-, Wärme-, Wellen- und Gezeitenkraftwerke umfassen – aufstrebende Technologien, die voraussichtlich innerhalb der nächsten Jahre Marktreife erreichen werden. Um ihre Entwicklung zu beschleunigen, veröffentlichte die Kommission im Jahr 2020 eine neue EU-Strategie zur Nutzung des Potenzials der erneuerbaren Offshore-Energie 7 , in der das Ziel formuliert wurde, die Leistung der erneuerbaren Offshore-Energie bis 2030 um das Fünffache und bis 2050 um das 30fache zu steigern.

Im europäischen Grünen Deal ist vorgesehen, die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen um 90 % zu senken; dies umfasst auch den Seeverkehr. Unsere Seewege sind ein wichtiges Element im globalen Handelssystem. Der Seeverkehr verursacht zwar weniger Emissionen als der Straßen- oder Luftverkehr, doch führt er aufgrund der großen Kraftstoffmengen und der starken Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen sowohl zu Kohlenstoff- als auch zu anderen umweltschädlichen Emissionen. Die Dekarbonisierung des Seeverkehrs (und der Fischerei) wird nicht nur zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen führen, sondern auch die Luft- und Wasserverschmutzung und den Unterwasserlärm verringern und gleichzeitig neue wirtschaftliche Chancen eröffnen.

In der Mitteilung von 2020 über eine Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität 8  wird das Ziel genannt, bis 2030 die ersten emissionsfreien Schiffe auf den Markt zu bringen und den Seeverkehr durch eine ganze Reihe gezielter Maßnahmen zu dekarbonisieren. Dazu zählt eine mögliche Ausweitung des Emissionshandelssystems der EU auf den Seeverkehr und die Frage, ob bei der Überarbeitung der Richtlinie zur Besteuerung von Energieerzeugnissen 9 die Besteuerung von Energieerzeugnissen an die Energie- und Klimapolitik der EU angeglichen werden kann. Außerdem erwägt die Kommission, bei der aktuellen Überarbeitung der Sportbootrichtlinie 10 neue Antriebssysteme zu berücksichtigen und die Richtlinie über die Meeresverschmutzung durch Schiffe zu überarbeiten. In der Zwischenzeit sollen mit der Initiative FuelEU 11 die Produktion und der Einsatz von erneuerbaren und CO2-armen Kraftstoffen (wie Wasserstoff und wasserstoffbasierte Brennstoffe, Biokraftstoffe, synthetische Kraftstoffe, Elektrizität und andere nachhaltige Energien z. B. aus Wind) sowie die Landstromversorgung von Schiffen am Liegeplatz gefördert werden. Sowohl die TEN-V-Verordnung als auch die Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe werden in diesem Sinne überarbeitet und angeglichen, um insbesondere dafür zu sorgen, dass die erforderliche Betankungsinfrastruktur entsprechend ausgebaut wird. Werften in der EU könnten die Chancen ergreifen, die die rasch wachsenden Märkte für innovative energieeffiziente Serviceschiffe bieten, durch die der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen erheblich gesenkt werden dürften.

Im Rahmen ihres Null-Schadstoff-Aktionsplans möchte die Kommission auf dem Erfolg bestehender Emissionsüberwachungsgebiete in EU-Gewässern aufbauen, indem sie sich bei der Ausweisung neuer Gebiete im Mittelmeer an die Spitze stellt (was innerhalb von zehn Jahren zu einer Senkung der SO2- und NOx-Emissionen in der internationalen Schifffahrt um 80 % bzw. 20 % führen könnte) und indem sie ähnliche Anstrengungen im Schwarzen Meer unternimmt.

Häfen sind entscheidend für die Konnektivität und die Wirtschaft von Regionen und Ländern. Mit dem Wandel der Industrielandschaft Europas (z. B. durch den Ausbau der erneuerbaren Offshore-Energie) wird sich auch die Rolle der Häfen weiterentwickeln. Die Kommission ist davon überzeugt, dass deren Zukunft über den Umschlag und die Logistik hinaus in der Weiterentwicklung ihrer Schlüsselrolle als Energieknotenpunkte (für integrierte Strom-, Wasserstoff- 12 und andere Systeme für erneuerbare und CO2-arme Kraftstoffe), für die Kreislaufwirtschaft (für die Sammlung, den Umschlag und die Entsorgung von Schiffsabfällen und anderer Abfälle der Hafenwirtschaft sowie für die Stilllegung von Schiffen), für die Kommunikation (für Unterwasserkabel) und für die Industrie (als Industriecluster) liegt. Ein weiterer Aspekt, der zur Dekarbonisierung und zum Null-Schadstoff-Ziel beiträgt, ist der Einsatz von intelligenten digitalen Lösungen und autonomen Systemen, da diese den Verkehrsfluss und den Güterumschlag in und um die Häfen optimieren. Die Übernahme dieser neuen Aufgaben wird die Arbeitsbedingungen der Betreiber und die Lebensbedingungen in den umliegenden Gemeinden verbessern. Auch spezialisierte Jacht- und Fischereihäfen sollten umweltgerechter betrieben werden.

Um die Dekarbonisierung und die Schadstoffreduzierung bei der Energieerzeugung, im Seeverkehr und in Häfen zu unterstützen, wird die Kommission

-ein blaues Forum für Nutzer der Meere einrichten, um den Dialog zwischen Offshore-Betreibern, Interessenträgern und Wissenschaftlern zu koordinieren, die in den Bereichen Fischerei, Aquakultur, Schifffahrt, Tourismus, erneuerbare Energien und anderen Bereichen tätig sind. Im Rahmen dieses Forums werden Synergien zwischen den Tätigkeiten entwickelt und konkurrierende Nutzungen des Meeres miteinander in Einklang gebracht;

-dafür sorgen, dass EU-Mittel verstärkt in den umweltfreundlichen Seeverkehr fließen, indem

a)der Kurzstreckenseeverkehr anstelle der Nutzung umweltschädlicherer Verkehrsträger ausgebaut wird;

b)die maritime Flotte der EU erneuert wird (z. B. Fahrgastschiffe und Versorgungsschiffe für Offshore-Anlagen), um so die Energieeffizienz zu verbessern;

c)fortschrittliche Fertigungs- und Technologiekapazitäten der EU weiterentwickelt werden;

-anstreben, den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds zu nutzen, um Fischereiflotten bei der Umstellung auf umweltfreundlichere Motoren und Techniken zu unterstützen, vorausgesetzt, diese Maßnahmen führen nicht zu Überkapazitäten und Überfischung;

-das Ziel emissionsfreier Häfen verfolgen, wie bereits in der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität hervorgehoben, auch durch Zusammenarbeit mit der Untergruppe für nachhaltige Häfen des Europäischen Hafenforums, um so mit den Interessenträgern zu beraten und sich über bewährte Verfahren sowie Bottom-up-Initiativen im Bereich der umweltverträglichen Gestaltung von Hafendienstleistungen auszutauschen und diese zu fördern; 13

-die Mitgliedstaaten durch das verstärkte Katastrophenschutzverfahren der Union und Maßnahmen der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung unterstützen, um sie auf unfallbedingte Meeresverschmutzungen vorzubereiten und ihnen bei der Reaktion darauf zu helfen.

2.2.    Kreislaufwirtschaft und Abfallvermeidung

Es ist eine gemeinsame Verantwortung, die Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten auf das Meer zu verringern. Die blaue Wirtschaft kann bei den Anstrengungen zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle spielen und von neuen Möglichkeiten profitieren, die sich aus diesen Anstrengungen ergeben.

Jedes Jahr gelangen etwa 27 000 Tonnen Makroplastik (hauptsächlich Einwegkunststoffartikel, verlorene oder aufgegebene Fischfanggeräte und von Schiffen abgelassener Abfall) in die europäischen Meere. 14 Nach umfangreichen Maßnahmen im Rahmen der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 15 haben sich die EU-Mitgliedstaaten darauf geeinigt, dass ein Strand weniger als 20 Abfälle pro 100 Meter Küstenlinie aufweisen sollte. Die wichtige Verpflichtung, Europas Meere sauber zu halten, wird durch die Einwegkunststoff-Richtlinie 16 untermauert, die sich auf Einwegkunststoffartikel und Fischfanggeräte bezieht, die derzeit 70 % der Meeresabfälle in der EU ausmachen. Es wird daran gearbeitet, dasselbe für Abfälle am Meeresboden und für Mikroplastik zu tun. Die Kommission ergreift Maßnahmen zur Entwicklung von Normen für die Kreislaufwirtschaft in Bezug auf Fischfanggeräte, die die Wiederverwendung und Wiederverwertbarkeit am Ende der Lebensdauer erleichtern. Maßnahmen zur Verringerung der Schäden durch verlorene und aufgegebene Fanggeräte sind im Vorschlag der Kommission für eine überarbeitete Fischereiaufsichtsverordnung 17 enthalten. Im Rahmen der neuen Verordnung über den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds 18 erhalten Fischer weiterhin finanzielle Unterstützung, um Abfälle und verlorene Fanggeräte einzusammeln 19 und die ordnungsgemäße Verarbeitung in Häfen und Anlandestellen zu finanzieren, wie in der Richtlinie über Hafenauffangeinrichtungen 20 festgelegt. Die EU sieht die Fischer als Hüter der Meere und ermutigt sowohl die Länder als auch den Wirtschaftszweig selbst, diese Rolle weiter zu fördern.

Der Schlüssel liegt jedoch darin, zu verhindern, dass Abfälle überhaupt erst ins Meer gelangen. Der Null-Schadstoff-Aktionsplan der EU bietet eine einmalige Gelegenheit, verstärkte Maßnahmen gegen Nährstoffeinträge (die zur Eutrophierung führen), Schadstoffe, Abfälle (größtenteils aus Kunststoff) und Unterwasserlärm zu ergreifen.

Neben der Reduzierung der Umweltverschmutzung wird es entscheidend sein, kreislauforientierte Modelle und Lösungen zu entwickeln. Im EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft 21 von 2020 ist eine ehrgeizige Agenda festgelegt, die darauf abzielt, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten und Abfälle auf ein Mindestmaß zu begrenzen, um so die Kreislaufwirtschaft auszubauen. Für das Recycling großer Schiffe verfügt die EU mit der Schiffsrecycling-Verordnung 22 über ein einzigartiges und ehrgeiziges Regelwerk, das die Kommission bis 2023 überarbeiten will, um den Geltungsbereich möglicherweise zu erweitern und die bestehenden Regelungen zu stärken. Bei der umweltgerechten Behandlung und einem optimalen Umgang mit stillgelegten Offshore-Öl- und -Gasplattformen richtet sich die EU nach dem Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks und wird eine Überarbeitung der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften in Betracht ziehen.

Um die wichtigsten Quellen der Verschmutzung der Meere zu bekämpfen und Recyclinglösungen zu fördern, wird die Kommission

-Maßnahmen ergreifen, um Plastikmüll im Meer, Nährstoffeinträge in die Meere sowie den Einsatz und die Gefährdung durch chemische Pestizide bis 2030 zu halbieren;

-Maßnahmen ergreifen, um die absichtliche Freisetzung von Mikroplastik zu begrenzen, und Kennzeichnungs-, Standardisierungs-, Zertifizierungs- und Regulierungsmaßnahmen in Bezug auf die unbeabsichtigte Freisetzung von Mikroplastik ausarbeiten, einschließlich Maßnahmen zur verstärkten Erfassung von Mikroplastik in allen Phasen des Lebenszyklus von Produkten;

-sicherstellen, dass während der Fischerei gesammelter Müll im Hafen gemeldet wird und dass Fanggeräte aus Kunststoff nach ihrer Verwendung gesammelt und recycelt werden. Die Kommission wird die entsprechenden Durchführungsrechtsakte ausarbeiten und hat die Normungsgremien der Industrie gebeten, Normen für wiederverwertbare Fanggeräte zu entwickeln;

-eine Überarbeitung der Schiffsrecycling-Verordnung 23 und der EU-Anforderungen für die Stilllegung von Offshore-Plattformen vorschlagen, um einen angemessenen Schutz der Meeresumwelt zu gewährleisten.

2.3.    Biodiversität und Investitionen in die Natur

Die Erhaltung und der Schutz der Biodiversität sollten als Grundprinzipien der Meereswirtschaft betrachtet werden. Die biologische Vielfalt der Meere ist nicht nur eine Voraussetzung für Wirtschaftstätigkeiten wie Fischerei, Biotechnologie und Tourismus, sondern bietet, wenn sie erhalten und wiederhergestellt wird, auch wirtschaftliche Chancen.

Wie in der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 hervorgehoben, werden die Ausweitung des Schutzes auf 30 % der Meeresfläche der EU und die Schaffung ökologischer Korridore den Verlust der biologischen Vielfalt umkehren, zum Klimaschutz und zur Widerstandsfähigkeit beitragen und gleichzeitig erheblichen finanziellen und sozialen Nutzen bringen. Investitionen in Meeresschutzgebiete, insbesondere in streng geschützte Gebiete, bringen nachweislich bedeutende wirtschaftliche Erträge und sorgen dort, wo der Schutz wirksam ist, für einen größeren Bestand an Fischen und Meereslebewesen.

Der Erhalt und die Wiederherstellung von Küstenvegetationssystemen wie Seemarsch, Mangroven und Seegraswiesen – die „blauen Kohlenstoff“ 24 in ihrer Vegetation und den Böden und Sedimenten speichern – kann erheblich zum Erreichen der Dekarbonisierungsziele des europäischen Grünen Deals beitragen. Die Erhaltung der Speicherung von blauem Kohlenstoff geht auch Hand in Hand mit der Erhaltung der Biodiversität an der Küste. In ähnlicher Weise sind die Gestaltung künstlicher Riffe, die Wiederherstellung wichtiger Lebensräume am Meeresboden (Korallenriffe, Makroalgenwälder und andere) sowie die Entwicklung von Lösungen zur Entschlackung von Gebieten oder zur Bekämpfung der Eutrophierung der Schlüssel zur Wiederherstellung der Biodiversität und damit der Widerstandsfähigkeit von Küsten- und Meeresökosystemen. Alle diese Tätigkeiten können Teil eines eigenständigen Wirtschaftssektors sein. Es liegt auf der Hand, dass alle potenziellen Auswirkungen ganzheitlich angegangen werden müssen, damit sie wirklich nachhaltig sind. Blaue Biotechnologien bieten auch Lösungen zur Herstellung von Materialien, Enzymen, Nahrungsergänzungsmitteln und Pharmazeutika.

In der Zukunft wird die Anwendung eines ökosystembasierten Bewirtschaftungskonzepts im Rahmen des EU-Rechts 25 die negativen Auswirkungen der Fischerei, des Abbaus von mineralischen Ressourcen und anderer menschlicher Tätigkeiten auf die Meeresökosysteme, insbesondere auf empfindliche Arten und Lebensräume am Meeresboden, verringern. Um die Umweltauswirkungen der Fischerei auf die marinen Lebensräume zu minimieren, hat die Kommission Maßnahmen wie Spezifikationen für Fanggeräte und Maschengrößen, Sperrgebiete und Fangzeiten eingeführt. Sie bereitet derzeit einen Bericht über die Umsetzung dieser Maßnahmen vor und wird einen neuen Aktionsplan veröffentlichen, der darauf abzielt, die Fischerei – einschließlich der grundberührenden Fischerei – weiter mit den Biodiversitätszielen in Einklang zu bringen. Dazu gehören gegebenenfalls auch neue Maßnahmen, um den Einsatz der für die Biodiversität schädlichsten Fanggeräte einzuschränken, einschließlich des Einsatzes von grundberührenden Fanggeräten, die für den Meeresboden derzeit am schädlichsten sind. Der Europäische Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sollte auch den Übergang zu selektiveren und weniger schädlichen Fangtechniken unterstützen.

Um die biologische Vielfalt der Meere zu erhalten und wiederherzustellen, wird die Kommission

-einen Vorschlag für rechtsverbindliche EU-Ziele zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme vorlegen, insbesondere für wichtige Laich- und Aufzuchtgebiete von Fischen und für Gebiete, die das größte Potenzial für die Aufnahme und Speicherung von CO2 sowie für die Verhinderung und Abmilderung von Naturkatastrophen aufweisen;

-bis Ende 2021 einen neuen Aktionsplan zur Erhaltung der Fischereiressourcen und zum Schutz der Meeresökosysteme vorschlagen, der insbesondere notwendige Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Arten und Lebensräume enthalten wird;

-mit den Mitgliedstaaten, Regionen und der Europäischen Umweltagentur zusammenarbeiten, um zusätzliche Meeresschutzgebiete zu identifizieren und auszuweisen und bis Ende 2021 einen strengen Schutz zu gewährleisten;

-lokale Initiativen der Teilhabe fördern und unterstützen (wie z. B. von der Bevölkerung vor Ort eingerichtete lokale Entwicklungsgruppen, lokale Fischerei-Aktionsgruppen usw.), bei denen die Regeneration der Meeresressourcen mit dem Erhalt der lokalen Lebensgrundlagen verbunden wird.

2.4.    Widerstandsfähigkeit der Küsten

Der Schutz der natürlichen und wirtschaftlichen Ressourcen und der Infrastruktur erfordert eine Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels. Als Alternative zum Bau von noch mehr „grauer“ Infrastruktur (Dämme, Deiche oder Betonbarrieren) sollte die Klimaanpassung auf natürlichen und naturbasierten Lösungen basieren – zum Beispiel Feuchtgebieten wie Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven und Dünen. In den Küstenregionen wird die Entwicklung grüner Infrastruktur dazu beitragen, die biologische Vielfalt, die Küstenökosysteme und die Landschaften zu erhalten und die nachhaltige Entwicklung des Tourismus und der Wirtschaft der Küstenregionen zu stärken. Diese Anpassungsaktivitäten entwickeln sich zu einem eigenständigen neuen Sektor der blauen Wirtschaft.

Etwa ein Drittel der EU-Bevölkerung lebt maximal 50 km von einer Küste entfernt. Über 200 Millionen Bürgerinnen und Bürger leben in Küstenregionen oder auf einer der vielen Inseln Europas. Der Weltklimarat (International Panel on Climate Change, IPCC) gab 2018 an, dass der Meeresspiegel bis 2100 wahrscheinlich um zwischen 0,4 und 0,8 m ansteigen wird, bei gleichbleibenden globalen Treibhausgasemissionen wahrscheinlich sogar um bis zu 1,1 m. 26 Auch nach 2100 wird der Meeresspiegel aufgrund des anhaltenden Temperaturanstiegs und des Wegschmelzens des arktischen und antarktischen Eises noch über Jahrhunderte hinweg weiter ansteigen. Darüber hinaus wird aufgrund des Klimawandels die Wahrscheinlichkeit extremer Wetterereignisse, die von den Meeren und Ozeanen ausgehen und schwere Schäden an Bevölkerung, Wirtschaftsgütern und Infrastrukturen verursachen, um ein Vielfaches zunehmen. 

Die öffentlichen Ausgaben der EU für den Schutz der Küsten vor Erosions- und Überschwemmungsgefahren werden für den Zeitraum 1990-2020 auf über 5 Mrd. EUR pro Jahr geschätzt. 27 Nichts zu tun, würde sich andererseits in Kosten in Höhe von 340 bis 360 Mrd. EUR jährlich in Form von verlorenen Ökosystemleistungen entlang der EU-Küsten niederschlagen. Es bedarf eines Quantensprungs bei der Prüfung und Planung einer gemeinsamen Reaktion. Mit der neuen EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel 28 wird ein Handlungsrahmen für eine intelligentere, schnellere und systemischere Anpassung innerhalb der EU geschaffen und werden umfassendere internationale Maßnahmen zur Klimaresilienz festgelegt. Bei der Anwendung der Leitlinien wird die Kommission

-sich bemühen, die Wissenslücken zu schließen und Innovationen für eine erhöhte Klimaresilienz für Küstengebiete anzuregen, was auch durch eine neue vergleichende Analyse von traditionellen und naturbasierten Lösungen geschehen wird;

-sich bemühen, die Kapazitäten für die Copernicus- und EMODnet-Beobachtung, ‑Modellierung und ‑Vorhersage fördern, damit eine bessere Vorbereitung auf die Auswirkungen extremer Wetterereignisse (z. B. Überschwemmungen, Sturmfluten) und des regionalen Meeresspiegelanstiegs möglich wird;

-die Zusammenarbeit zwischen Küstenregionen und Inseln mit gemeinsamen Bedürfnissen im selben Meeresbecken fördern, um Anpassungsstrategien und gemeinsame Ansätze für das Küstenzonenmanagement zu entwickeln 29 , in nachhaltige Küstenschutzmaßnahmen zu investieren und die wirtschaftlichen Tätigkeiten an der Küste anzupassen;

-die Mitgliedstaaten bei der langfristigen Planung der schrittweisen Einführung von Investitionen mithilfe von EU-Mitteln unterstützen.

2.5.    Verantwortungsvolle Lebensmittelsysteme

Durch eine bessere Nutzung der Meeresressourcen und die Wahl alternativer Lebens- und Futtermittelquellen kann die blaue Wirtschaft dazu beitragen, den Druck auf das Klima und auf die natürlichen Ressourcen für die Nahrungsmittelproduktion zu verringern.

Einer der Sektoren, der für Kohlenstoffemissionen, Umweltverschmutzung und den Verlust der biologischen Vielfalt verantwortlich ist, ist das derzeitige System der Lebensmittelerzeugung und des Lebensmittelverbrauchs. Mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ 30 der Kommission wird das Ziel verfolgt, das System auf einen nachhaltigen Weg zu bringen. Dabei wird ein umfassender Ansatz verfolgt, der sich auf viele Aspekte der blauen Wirtschaft auswirkt. Dazu gehören eine verantwortungsvolle Fischerei, um die Fischbestände auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen, eine nachhaltige Aquakultur, um die natürlichen Grenzen der Wildfänge auszugleichen, und Algenproduktion als Alternative zur Landwirtschaft.

Die europäische Fischerei hat – insbesondere im Nordostatlantik – beträchtliche Fortschritte gemacht, um die europäischen Fischbestände wieder auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen und den Nachhaltigkeitsstandard der Gemeinsamen Fischereipolitik 31 zu erfüllen. Einige große Herausforderungen bleiben jedoch bestehen, darunter die Reduzierung unerwünschter Fänge und der Rückwurfmengen durch selektivere Fangtechniken. Rückwürfe verursachen erhebliche Abfälle und untergraben sowohl die nachhaltige Nutzung der biologischen Meeresressourcen als auch die Lebensfähigkeit der Fischerei. Die laufende Überarbeitung der EU-Fischereiaufsichtsverordnung, die damit verbundene Debatte über die fehlende Kontrolle der Anlandeverpflichtung und die Notwendigkeit, Fischereien und Beifänge empfindlicher Arten vollständig zu dokumentieren, unterstreichen, wie wichtig die Umstellung von traditionellen Kontrollmethoden auf neue digitale Systeme ist.

Digitalisierung und fortschrittliche Werkzeuge für die Fischerei (wie elektronische Fernüberwachungssysteme, Fangmeldungen über mobile Anwendungen, Ökosystemmodellierung und Instrumente der künstlichen Intelligenz) können die Fischerei optimieren und gleichzeitig die Datenerfassung und -analyse ermöglichen, die Kontrolle und Überwachung verbessern, den Verwaltungsaufwand verringern und letztlich die nachhaltige Bewirtschaftung der biologischen Meeresressourcen unterstützen, ohne dass eine physische Präsenz erforderlich ist. Solche High-Tech-Systeme könnten durchaus zum Standard in der Fischereiindustrie werden. Durch die Förderung des in der EU vorhandenen digitalen Know-hows für die Fischereiindustrie würden ganz neue Arbeitsplätze geschaffen.

Bei nachhaltiger Bewirtschaftung ist die Aquakultur eine wertvolle, wenig belastende Quelle für Lebens- und Futtermittel. Die EU-Aquakultur erfüllt hohe Standards in Bezug auf Produktqualität und Tiergesundheit, aber es gibt noch Spielraum für Verbesserungen in Bezug auf Diversifizierung 32 , Wettbewerbsfähigkeit und Umweltleistung. Eine umweltverträgliche Aquakultur (z. B. eine niedertrophe, multitrophe und ökologische/biologische Aquakultur) und Umweltdienstleistungen der Aquakultur können, wenn sie weiterentwickelt werden, einen großen Beitrag zum europäischen Grünen Deal, zur Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und zu einer nachhaltigen blauen Wirtschaft leisten. Die neuen strategischen Leitlinien für die EU-Aquakultur 33  geben die Strategie und einen konkreten Weg vor, um diesen Wandel zu vollziehen. Mit ihnen werden bewährte Praktiken gefördert, um eine gute Umweltleistung zu gewährleisten, und sie begünstigen die Kreislaufwirtschaft in der Aquakultur, z. B. durch Umweltüberwachung von Standorten und Abfallbewirtschaftung. Der Aktionsplan für die Entwicklung des ökologischen/biologischen Lebensmittelsektors 34 enthält eine Reihe von Initiativen, die speziell auf die Förderung der ökologischen/biologischen Aquakultur in der EU abzielen.

Aus Algen können nicht nur biobasierte Produkte und Biokraftstoffe hergestellt werden, sondern sie können auch tragfähige und nachhaltige alternative Lebens- und Futtermittel liefern. Lebensmittel auf Algenbasis können die Umweltbelastung durch Landwirtschaft, Aquakultur und Fischerei mindern. Investitionen in Mikroalgen als neue Quelle für Tierfutter können dazu beitragen, den Fang von Wildfischen für Tierfutter zu reduzieren. Obwohl zur Bekämpfung der Eutrophierung in erster Linie die Verschmutzung an der Quelle reduziert werden muss, kann die Produktion von Algen im Meer helfen, überschüssigen Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor aus dem Wasser zu entfernen. Die Einführung neuer algen- und meeresbasierter Lebens- und Futtermittelerzeugnisse auf dem Markt der Europäischen Union bietet eine große Chance für die Entwicklung eines nachhaltigen Lebensmittelsektors. Obwohl bereits mehrere Produkte auf dem Markt sind, kann die Einführung neuer Lebensmittel auf Algenbasis den Anforderungen der Verordnung über neuartige Lebensmittel 35 und einer Zulassung vor dem Inverkehrbringen unterliegen. Die Kommission wird auch das Potenzial von zellbasierten Meeresfrüchten als innovative und nachhaltige Alternative untersuchen.

Die Nachfrage der Verbraucher nach Produkten mit geringem ökologischen Fußabdruck und kurzen Lieferketten wächst. Gleichzeitig müssen die wachsenden Bemühungen der Fischer und Fischzüchter um Produktqualität vom Markt honoriert werden. Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ beinhaltet Initiativen für eine nachhaltige Lebensmittelkennzeichnung, die es den Verbrauchern ermöglicht, sachkundige Entscheidungen zu treffen. Mit einem EU-Verhaltenskodex für verantwortungsbewusstes Wirtschaften und Marketing in der Lebensmittelversorgungskette werden ehrgeizige Verpflichtungen des mittleren Teils der Kette angestrebt, um die Nachhaltigkeitsbemühungen von Fischern und Fischzüchtern zu unterstützen und letztlich die Wertschöpfungsketten für Meeresfrüchte nachhaltiger zu machen. Um die Position der Verbraucher zu stärken und dazu beizutragen, dass auf dem EU-Markt für Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen, werden die EU-Vermarktungsnormen für Meeresfrüchte überarbeitet.

Um nachhaltige Lebensmittelsysteme in der blauen Wirtschaft aufzubauen, wird die Kommission

-bis 2023 einen Legislativvorschlag vorlegen, der einen Rahmen für Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse schafft und den Übergang zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem beschleunigt und erleichtert;

-2022 einen Legislativvorschlag für moderne, nachhaltige Vermarktungsnormen für Meeresfrüchte vorlegen, um Verbrauchern und Akteuren in der Lieferkette vergleichbare Informationen über die ökologische und soziale Nachhaltigkeit von Meeresfrüchten sowie über ihren CO2-Fußabdruck zu liefern;

-2022 eine konkrete Algeninitiative 36 annehmen, um die Entwicklung der Algenindustrie in der EU zu unterstützen. Dank der Initiative wird es leichter, Algen als neuartige Lebensmittel zuzulassen, da durch sie die Anwendungskosten gesenkt, der Marktzugang erleichtert, das Bewusstsein und die Akzeptanz der Verbraucher für Algenprodukte erhöht und Wissens-, Forschungs- und Innovationslücken geschlossen werden;

-den digitalen Wandel der Fischereiaufsicht unterstützen und die Durchsetzung von Fischereivorschriften fördern, indem das Fischereiaufsichtssystem überarbeitet wird, um zu fortschrittlichen digitalen Kontrollmechanismen für die Fischerei überzugehen;

-das Potenzial und den Forschungs- und Investitionsbedarf in Bezug auf zellbasierte Meeresfrüchte prüfen;

-bei der Umsetzung der Gemeinsamen Fischereipolitik die Fischereiwirtschaft im Mittelmeer und im Schwarzen Meer stärken und dabei eng mit allen Beteiligten zusammenarbeiten, um den mehrjährigen Bewirtschaftungsplan für die Fischerei im westlichen Mittelmeer rasch umzusetzen.

3.Unterstützung der Entwicklung einer nachhaltigen blauen Wirtschaft

3.1    Wissen über die Meere

Verlässliche, hochwertige und harmonisierte Meeresdaten sind eine Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen Wandel in der blauen Wirtschaft. Bessere Kenntnisse über die Meere und ihre Ökosysteme sowie der freie Zugang zu Daten werden es der Industrie, den Behörden und der Zivilgesellschaft ermöglichen, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Dank gemeinsamer Standards und der Grundsätze des offenen Zugangs werden die Messungen von Hunderten von Institutionen in EMODnet 37 zusammengetragen, wodurch die EU beim Austausch von Meeresdaten und der Meeresbeobachtung eine Vorreiterrolle einnimmt. Der Copernicus-Dienst zur Überwachung der Meeresumwelt liefert Satellitendaten und Vorhersagedienste für die Meeresgebiete der EU und weltweit. Es wird daran gearbeitet, weitere Meeresdaten digital zu erfassen, die Auflösung und die Nutzbarkeit der Daten zu verbessern und diese Daten in Wissen und Instrumente umzuwandeln, die einer Vielzahl von Interessengruppen zugutekommen. An dieser Arbeit, insbesondere an dem Projekt „Digital Twin of the Ocean“ 38 als Teil der Initiative „Destination Earth“ (Ziel Erde), sind mehrere internationale Einrichtungen beteiligt. Sie wird dazu beitragen, durch die Überwachung und Simulation von Meeresentwicklungen komplexe Umweltveränderungen und ihre sozioökonomischen Folgen zu bewältigen. Außerdem wird sie einen konkreten Beitrag zur Dekade der Ozeanwissenschaften für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen 39 leisten.

Sozioökonomische Daten sind wichtige Inputs für politische Entscheidungsträger und für Unternehmen, die in einem sich schnell entwickelnden Umfeld, insbesondere in Krisenzeiten, rasch Entscheidungen treffen müssen. Seit 2018 wird mit dem Bericht über die blaue Wirtschaft der EU eine Bestandsaufnahme der blauen Wirtschaft vorgenommen. Ein benutzerfreundliches Tool, die „Blue Economy Indicators“ (Indikatoren für die blaue Wirtschaft) 40 , verfolgt den wirtschaftlichen Fortschritt. Von der Europäischen Marktbeobachtungsstelle für Fischerei und Aquakultur 41  wurden Daten zu den Fischerei- und Aquakulturmärkten sowie zu innovativen Nutzungsmöglichkeiten von biologischen Ressourcen des Meeres erhoben, aufbereitet und verbreitet; zudem wurden solche Daten in den Bericht über die blaue Wirtschaft aufgenommen. Seit Beginn der Pandemie wurden die Auswirkungen auf den Sektor durch neue und häufigere Analysen in Echtzeit bewertet, was es den Betreibern ermöglicht, Änderungen von Vorschriften und Verbrauchsmustern zu antizipieren, sich anzupassen und sich schneller zu erholen. Dies trägt zum Ziel des europäischen Grünen Deals bei, eine resilientere Lebensmittelversorgungskette aufzubauen.

Um das Wissen zu schaffen, das für den Übergang zu einer nachhaltigen blauen Wirtschaft benötigt wird, wird die Kommission

-bis 2022 eine Initiative zur Meeresbeobachtung vorbereiten, um die Erhebung von Daten in den Ozeanen für verschiedene Zwecke zu organisieren und zu harmonisieren, (wie z. B. Umweltüberwachung, Fischerei- und Aquakulturmanagement, Forschung, sichere Navigation);

-2021 eine Beobachtungsstelle der blauen Wirtschaft bei der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission einrichten, die Jahresberichte über die blaue Wirtschaft herausgegeben wird und über den Fortschritt bei der Dekarbonisierung der blauen Wirtschaft berichten wird;

-eine stabile Methodik zur Einbeziehung des Konzepts des „Naturkapitals“ in ökonomische Entscheidungen veröffentlichen. Dies bedeutet, dass sowohl der wirtschaftliche Wert der marinen Ökosystemleistungen als auch die sozioökonomischen Kosten und Vorteile, die sich aus der Gesunderhaltung der Meeresumwelt ergeben, bewertet und quantifiziert werden müssen;

-den Copernicus-Meeresdienst als EU-Referenz für Prognosen in Bezug auf die Meere und ein Meeresklimazentrum für globale, europaweite Küstendienste ausbauen;

-weiter in die Modellierung investieren, um lebende Ökosysteme und Fischereiressourcen zeitlich und räumlich besser zu überwachen.

Alle genannten Initiativen stehen mit der europäischen Datenstrategie 42 der Europäischen Kommission im Einklang, da sie Daten des öffentlichen Sektors für die Wiederverwendung verfügbar machen und den freien Datenfluss innerhalb der EU sektorübergreifend ermöglichen, was Unternehmen, Forschern und öffentlichen Verwaltungen zugutekommt.

3.2    Forschung und Innovation

Marine und maritime Forschung und Innovation sind entscheidend für das Erreichen des Ziels der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, für den Schutz und die Wiederherstellung der Meeresökosysteme und dafür, dass die blaue Wirtschaft Ideen und Maßnahmen hervorbringt, die zu nachhaltigen Innovationen führen.

Innovative Technologien wie Big Data, künstliche Intelligenz, fortschrittliche Modellierung, hochentwickelte Sensoren und autonome Systeme werden die blaue Wirtschaft in naher Zukunft wahrscheinlich verändern. Durch neue Technologien können traditionelle Sektoren wie Schifffahrt, Fischerei und Tourismus ihre Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit verbessern; aufstrebende Sektoren wie blaue Biotechnologien, erneuerbare Offshore-Energien und maritime Sicherheit sind existenziell auf Innovationen angewiesen. Durch Innovation können Küstengemeinden ihre Wirtschaft neu aufbauen oder umgestalten und zu lokalen Motoren der Nachhaltigkeit werden. Die von der örtlichen Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung, die durch den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds finanziert wird, ist ein wirksames Instrument, um diesen Prozess voranzutreiben. 43

Die Rolle von Forschung und Innovation bei der Umsetzung des Grünen Deals kann nicht oft genug betont werden. Investitionen in Forschung und Innovation im Rahmen von Horizont Europa werden den Transformationsprozess unterstützen, um nachhaltige Wertschöpfungsketten für die blaue Wirtschaft zu schaffen und den gleichzeitigen ökologischen und digitalen Wandel zu ermöglichen. Die neuen Missionen und europäischen Partnerschaften im Rahmen des Programms „Horizont Europa“ werden eine entscheidende Rolle spielen, da sie Bürgerinnen und Bürgern sowie die in diesem Bereich tätigen Akteure (kleine und mittlere Unternehmen, Hochschulen, Forscher, Behörden und Investoren) in die Lage versetzen, die Lösungen mitzugestalten und gemeinsam umzusetzen.

Die Strategien für eine intelligente Spezialisierung tragen in enger Anlehnung an Horizont Europa dazu bei, Innovationen im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zu fördern. Mit dem neuen Instrument für interregionale Innovationsinvestitionen werden interregionale Projekte unterstützt, in deren Rahmen europäische Wertschöpfungsketten entwickelt werden, während mit dem Fonds für Klimainnovationen Demonstrationsprojekte für kohlenstoffarme Technologien in der Meeresumwelt gefördert werden.

Die Kommission wird ein gesamteuropäisches Innovationsökosystem für eine nachhaltige blaue Wirtschaft entwickeln und dazu folgende Initiativen nutzen:

-Die vorgeschlagene Mission „Gesunde Ozeane, Meere, Küsten- und Binnengewässer“ hat zum Ziel, Störungen von Meeresökosystemen zu verringern, Meeres- und Süßwasserökosysteme zu regenerieren, den Verlust der biologischen Vielfalt und die Verschmutzung zu bekämpfen und Lösungen der blauen Wirtschaft zu fördern, um klimaneutral zu werden;

-Die neue europäische Partnerschaft für eine klimaneutrale, nachhaltige und produktive „blaue“ Wirtschaft, die im Jahr 2023 starten soll, wird die Form einer öffentlichen Initiative annehmen, die von der EU, nationalen Regierungen und Einrichtungen zur Forschungsförderung kofinanziert wird.

3.3.    Investitionen

Zur Verwirklichung der Ziele des europäischen Grünen Deals sind erhebliche Investitionen erforderlich. Es könnte sein, dass noch 2030 ein Drittel der Investitionen in die blaue Wirtschaft nicht nachhaltig ist. Die beschriebenen Nachhaltigkeitsaspekte (Kapitel 2) müssen jetzt zwingend bei allen Investitionsentscheidungen, unabhängig von der Quelle, berücksichtigt werden.

In Bezug auf privates Kapital haben die Kommission, die Europäische Investitionsbank und der WWF in Zusammenarbeit mit privaten und öffentlichen Finanzinstitutionen eine Reihe von Grundsätzen und Normen für nachhaltige Ozeane festgelegt. Bislang haben sich über 50 Finanzinstitute der freiwilligen Sustainable Blue Economy Finance Initiative 44 (Finanzierungsinitiative für eine nachhaltige blaue Wirtschaft) angeschlossen. Ein wichtiges Instrument zur Definition nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten mit Meeresbezug wird die EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen sein, die derzeit ausgearbeitet wird.

Öffentliche Mittel der EU sind nach wie vor entscheidend für weniger ausgereifte Technologien und Projekte, für die Investoren angelockt, Kosten und Unsicherheiten gesenkt und deren Markteintritt beschleunigt werden müssen. Das neue Programm InvestEU wird für den Seeverkehr, für Häfen und für erneuerbare Offshore-Energie sowie für die Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt, eine nachhaltige Aquakultur und die Meeresbeobachtung von großer Bedeutung sein. Im Verkehrswesen beispielsweise würde die Fertigungsindustrie durch die Modernisierung oder Nachrüstung von Schiffen mit emissionsarmen und emissionsfreien Technologien unterstützt, wodurch Europa einen strategischen Vorteil erlangen würde. Bei neuen Projekten im Bereich der erneuerbaren Offshore-Energie kann durch die Risikominderung und die Senkung der Kapitalkosten eine positive Kettenreaktion ausgelöst werden, wodurch Anreize für privates Kapital und neue Investitionen geschaffen werden.

Mit den Mitteln der Kohäsionspolitik werden auch künftig Projekte, die durch umweltfreundliche und CO2-neutrale Lösungen im Seeverkehr zu dem angestrebten Wandel beitragen und die Dekarbonisierung von Hafeninfrastrukturen und den Einsatz erneuerbarer Energien voranbringen, sowie in der Kreislaufwirtschaft tätige Unternehmen und lokale Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel unterstützt. Darüber hinaus wird die Aufbau- und Resilienzfazilität die Mitgliedstaaten bei ihrem Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten, wettbewerbsfähigen und widerstandsfähigen Wirtschaft unterstützen. Mit den entsprechenden nationalen Plänen sollen Reformen und Investitionen in blaue Technologien und Kapazitäten gefördert werden, und Maßnahmen, mit denen die Umwelt erheblich geschädigt oder die nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen untergraben wird, werden im Rahmen der Fazilität nicht gefördert.

Um die öffentlichen und privaten Investitionen in die in dieser Mitteilung genannten Schwerpunktbereiche aufzustocken, wird die Kommission mit europäischen Finanzinstituten zusammenarbeiten:

-Die Kommission wird mit der Europäischen Investitionsbank zusammenarbeiten, um die Bemühungen um weniger Verschmutzung der europäischen Meere, insbesondere des Mittelmeers, aufeinander abzustimmen. Beide Institutionen werden prüfen, wie sie Anreize für private Investoren und öffentliche Entwicklungsbanken schaffen können, damit diese sich diesen Bemühungen anschließen;

-Die Kommission wird mit dem Europäischen Investitionsfonds zusammenarbeiten, um einen Rahmen abzustecken, der die Nutzung von Finanzinstrumenten in geteilter Mittelverwaltung für eine nachhaltige blaue Wirtschaft erleichtern würde;

-Zur Unterstützung kleinerer Unternehmen, die bahnbrechende Ideen haben, aber nur mit Mühe Zugang zu privatem Kapital bekommen, bietet die Plattform BlueInvest 45 der Kommission maßgeschneiderte Unterstützung, mehr Sichtbarkeit, Zugang zu Investoren und Beratung bis zur Investitionsreife. In diesem Zusammenhang wird die EU-Haushaltsgarantie im Rahmen von InvestEU in Verbindung mit Finanzbeiträgen aus dem EU-Haushalt für sektorspezifische Programme privates Kapital mobilisieren, um Risikokapital für „Blue-Tech“-Start-ups und Unternehmen in der Frühphase zu finanzieren;

-Im Rahmen der bevorstehenden Überarbeitung der Vorschriften über staatliche Beihilfen und der Richtlinie für erneuerbare Energien werden Bedingungen festgelegt, um die Einführung sauberer Energie, einschließlich erneuerbarer Offshore-Energie, auf umweltfreundliche und kosteneffiziente Weise zu unterstützen.

3.4    Kompetenzen und Arbeitsplätze in der blauen Wirtschaft

Trotz einer allgemeinen Flaute auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Pandemie bietet der digitale und ökologische Wandel ein enormes Beschäftigungspotenzial. Um dieses Potenzial zu erschließen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass fortschrittliche Technologieunternehmen auf qualifizierte Arbeitskräfte zurückgreifen können. Zudem muss die öffentliche Wahrnehmung einer beruflichen Laufbahn in der blauen Wirtschaft verbessert werden.

Auf dem Arbeitsmarkt der blauen Wirtschaft führt der Wandel bereits zu unbesetzten Stellen. Bis zu 30 % der Unternehmen, die im Bereich der erneuerbaren Offshore-Energien tätig sind, beklagen beispielsweise, dass die benötigten Qualifikationen auf dem Markt nicht zu finden sind oder dass es nicht genügend qualifizierte Fachkräfte (z. B. Techniker) gibt. Allein im Bereich der Offshore-Windenergie könnte sich die Zahl der Arbeitsplätze bis 2030 verdreifachen.

Mit der neuen Europäischen Kompetenzagenda 46  werden Unternehmen und Einzelpersonen durch Maßnahmen zur Höherqualifizierung und Umschulung bei der Anpassung an digitalisierte Prozesse und neue Technologien unterstützt. Mit der „Blaupause zur Branchenzusammenarbeit für Kompetenzen“ 47 wird die im Rahmen von Erasmus+ ins Leben gerufene Maritime Alliance for Fostering the European Blue Economy through a Marine Technology Skilling Strategy (maritime Allianz zur Förderung der europäischen blauen Wirtschaft durch eine Strategie zur Entwicklung von Kompetenzen in der Meerestechnik) 48  bis Ende 2021 aufzeigen, wie die Qualifikationslücken in der Industrie für erneuerbare Offshore-Energie und im Schiffbau geschlossen werden können, und eine Qualifikationsstrategie vorschlagen, die auf nationaler und regionaler Ebene umgesetzt werden soll.

Das Programm „Blue Careers“, in dessen Rahmen seit 2016 Finanzhilfen zur Umschulung und Weiterbildung von Arbeitskräften in der blauen Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden, wird jetzt erweitert, um den Schulungsbedarf abzudecken, der sich aus dem europäischen Grünen Deal und der Gesundheitskrise ergibt. Um das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern in Seefahrtsberufen zu fördern, wird die Kommission in die Sammlung, Konsolidierung und Analyse von Daten über Frauen, die im maritimen Sektor arbeiten, investieren.

2021 legte die Kommission einen ehrgeizigen Aktionsplan vor, um die Europäische Säule sozialer Rechte und ihre 20 Grundsätze in der gesamten EU umzusetzen. Mit dem Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds werden speziell die Ausbildung und Fortbildung von Fischern sowie andere Initiativen unterstützt, die in Menschen, Fortbildung und den sozialen Dialog investieren. Im Rahmen weiterer EU-Fonds (z. B. des Europäischen Sozialfonds+ und des Instruments für technische Unterstützung) wird ebenfalls in Menschen, Arbeitsplätze und Fähigkeiten investiert. Die EU setzt sich für die Verbesserung der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz im maritimen Sektor ein, indem sie sowohl die Ausbildung von Arbeitnehmern in der blauen Wirtschaft fördert als auch an besseren Arbeitsbedingungen für Seeleute und Fischer arbeitet. 49

Die Kommission ist bestrebt,

-den Aufbau von Kompetenzpartnerschaften im Rahmen des Kompetenzpakts in den industriellen Ökosystemen zu fördern und zu erleichtern, die gemäß der EU-Industriestrategie für die blaue Wirtschaft von Belang sind (z. B. im Bereich der erneuerbaren Offshore-Energie oder des Schiffbaus);

-2022 im Rahmen des Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds eine neue Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen und eine spezifische Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen zum Thema Frauen zu veröffentlichen, durch die der Anteil der Frauen an den Beschäftigten in der blauen Wirtschaft erhöht und ihre Rolle im Rahmen der Meerespolitik gestärkt werden soll;

-die Umsetzung bzw. Verabschiedung von Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation und der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation zu fördern, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Ausbildungsanforderungen für Besatzungsmitglieder zu harmonisieren und damit das Ansehen des Berufsstandes zu fördern.

4.Schaffung der Voraussetzungen für eine nachhaltige Meerespolitik

Ozeane und Meere schaffen Nutzen für alle, aber es besteht die Gefahr, dass sie ohne Rücksicht auf die Folgen übermäßig ausgebeutet werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, allgemein akzeptierte Regeln und Vereinbarungen über die Raumplanung, die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger, die regionale Zusammenarbeit, die maritime Sicherheit und die internationale Politik zu erarbeiten.

4.1.    Maritime Raumplanung

Je größer die Nachfrage nach der Nutzung des maritimen Raums ist, desto entscheidender ist es, dass es überhaupt eine Raumplanung gibt. Die maritime Raumplanung ist ein wesentliches Instrument, um Konflikte zwischen politischen Prioritäten zu vermeiden und die Erhaltung der Natur mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang zu bringen. Öffentliche Konsultationen, bei denen sowohl Bürger als auch Interessenvertreter einbezogen werden, sind ein grundlegender Bestandteil des Prozesses der maritimen Raumplanung.

Die maritime Raumplanung spielt eine zentrale Rolle bei der Erreichung der europäischen Ziele zur Dekarbonisierung und zum Schutz der Biodiversität. Die Biodiversitätsstrategie der EU sieht eindeutig vor, dass zur Anwendung eines ökosystembasierten Bewirtschaftungskonzepts die nationalen maritimen Raumordnungspläne alle maritimen Sektoren und Tätigkeiten sowie gebietsbezogene Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen umfassen sollten. Die Raumplanung verbessert auch die Sicherheit und Vorhersehbarkeit privater Investitionen und kann Synergien zwischen Wirtschaftssektoren fördern. Mit der Richtlinie über die maritime Raumplanung 50 wird sichergestellt, dass mögliche negative Umweltauswirkungen in einer sehr frühen Phase des Planungsprozesses identifiziert und vermieden werden und dass die nationalen maritimen Raumordnungspläne mit den nationalen Energie- und Klimaplänen sowie mit einem guten Umweltzustand gemäß der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie vereinbar sind.

Die Kommission wird

-2022 über die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung berichten, nachdem im März 2021 die nationalen maritimen Raumordnungspläne verabschiedet wurden, und Vorschläge ausarbeiten, wie die Kommission die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtern und die Mitgliedstaaten dazu anregen kann, Ziele im Bereich der Entwicklung erneuerbarer Offshore-Energien in ihre nationalen Raumordnungspläne aufzunehmen;

-2021 eine Überprüfung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie einleiten und die Richtlinie auf der Grundlage der diesbezüglichen Ergebnisse möglicherweise bis 2023 überarbeiten;

-einen Leitfaden für einen ökosystembasierten Ansatz für die maritime Raumplanung erstellen und die Mehrfachnutzung des Meeresraums durch die Kombination verschiedener Tätigkeiten am selben Ort fördern (z. B. Marikultur und Systeme für erneuerbare Offshore-Energie).

4.2    Engagement der Bürgerinnen und Bürger und Meereskompetenz

Die Politik für eine nachhaltige blaue Wirtschaft fördert die Bürgerbeteiligung und wird dadurch verbessert.

Für die europäischen Bürgerinnen und Bürger und insbesondere für junge Menschen ist die Gesundheit der Meere und Ozeane sehr wichtig, weshalb sie einen nachhaltigen Umgang unterstützen. Dies zeigt sich in der öffentlichen Besorgnis über Plastikmüll in den Ozeanen. Es ist jedoch weiterhin entscheidend, das öffentliche Bewusstsein in Bezug auf die Bedeutung der Meere und Ozeane für das Leben auf dem Planeten zu schärfen. Moderne mobile Anwendungen ermöglichen es den Bürgerinnen und Bürgern, beobachtete Umweltschäden zu verfolgen, zu überwachen oder zu melden. Eine der Aufgaben der vorgeschlagenen Mission „Gesunde Ozeane, Meere, Küsten- und Binnengewässer“ ist es, neue Wege zur Einbeziehung und Teilhabe der Menschen in der EU einzuschlagen. Dies wird dazu beitragen, negative Umweltauswirkungen zukünftiger Unternehmungen auszuschließen, und den europäischen Grünen Deal direkt unterstützen.

-Die „EU4Ocean Coalition“ 51 , eine kürzlich von der Kommission ins Leben gerufene Initiative, wird Netzwerke für europäische Schulen schaffen, die das Thema Meere in die Klassenzimmer bringen werden. Dadurch können Organisationen, die sich für den Schutz der Meere einsetzen, gemeinsame Projekte durchführen, um die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen und ihre Wirkung und Reichweite zu verstärken.

-Die Kommission wird mit der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission der UNESCO, den Mitgliedstaaten und internationalen Partnern zusammenarbeiten, um zum Programm „Ocean Literacy“ im Rahmen der Dekade der Ozeanwissenschaften für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen für den Zeitraum 2021–2030 beizutragen.

4.3    Meeresbecken, regionale Zusammenarbeit und Unterstützung für Küstenregionen

Küstenregionen und Inseln sind wichtige Akteure der blauen Wirtschaft. Da sie sich oft ein Meeresbecken teilen, entsteht ein klarer Mehrwert, wenn Herausforderungen gemeinsam angegangen und gemeinsame Güter durch regionale Zusammenarbeit geschützt werden. Die EU wird auch künftig die Zusammenarbeit fördern, maßgeschneiderte Strategien für jedes europäische Meeresbecken entwickeln und diesen kooperativen Ansatz auf Nachbarländer ausdehnen, mit denen die EU ein gemeinsames Meeresbecken, biologische Meeresressourcen und geoökonomische Merkmale teilt. 

Meeresbeckenstrategien erweisen sich insofern als effektiv, als sie ein breites Spektrum von Interessenträgern (nationale Regierungen, Küstenregionen, Städte, Forschungsinstitute, Bildungsnetzwerke und Unternehmen) zusammenbringen und es ihnen ermöglichen, ihre Arbeit auf spezifische Projekte und Aktionen zu fokussieren, mit denen eine nachhaltige blaue Wirtschaft unterstützt werden kann, wie z. B. nachhaltige Tourismusangebote. Die Kommission unterstützt meeresbezogene und makroregionale Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit, d. h. den Aktionsplan 2020 für den Atlantik 52 , die Meeresstrategie für den westlichen Mittelmeerraum 53 , die Gemeinsame Maritime Agenda für das Schwarze Meer 54 , die EU-Strategie für die Region Adria-Ionisches Meer 55  und die EU-Strategie für den Ostseeraum 56 .

Mehr als die Hälfte der touristischen Beherbergungsbetriebe in der EU befinden sich in Küstengebieten, und 30 % der Übernachtungen erfolgen in Seebadeorten. Als eine Säule der blauen Wirtschaft, die eng mit vielen anderen Sektoren verbunden ist, hat der Meeres- und Küstentourismus unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten. Die Ausgangsbeschränkungen haben massive Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Einkommen und haben die Möglichkeiten des Sektors, in die Entwicklung widerstandsfähigerer und nachhaltigerer Dienstleistungen und Lieferketten zu investieren, erheblich eingeschränkt. Investitionen sind erforderlich, um für soziale Resilienz zu sorgen und Arbeitsplätze und wirtschaftliche Chancen für Küstengemeinden zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission einen Rahmen festgelegt, um wieder einen sicheren Tourismus zu ermöglichen und den Weg für einen widerstandsfähigeren und nachhaltigeren Sektor zu ebnen. 57  

Klimafreundliche, nachhaltige Reiseerlebnisse sind in den letzten Jahren zwar immer mehr in den Fokus der Reisenden gerückt, aber die Pandemie hat die Nachfrage nach einem „sanften Tourismus“ und naturnahen Reisezielen noch weiter gesteigert. Es wird erwartet, dass Nachhaltigkeit bei touristischen Entscheidungen eine größere Rolle spielen wird, wobei regionale und lokale Reiseziele die wirtschaftliche Erholung fördern werden. 58 Diese Ambitionen und Trends hin zu einem nachhaltigeren Tourismus-Ökosystem sollten richtungsweisend für den Einsatz von finanziellen Ressourcen und Investitionen auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene sein.

Im europäischen Grünen Deal wird der Rolle der EU-Gebiete in äußerster Randlage besondere Aufmerksamkeit gewidmet und dabei ihrer Anfälligkeit für den Klimawandel und für Naturkatastrophen sowie ihren einzigartigen Reichtümern hinsichtlich der Biodiversität und der Quellen erneuerbarer Energien Rechnung getragen. 

Um die Erholung in den Küstenregionen zu unterstützen, verfolgt die Kommission folgende Ziele:

-Unterstützung von Städten und Regionen bei der Bewältigung des ökologischen und digitalen Wandels auf lokaler Ebene und bei der vollen Inanspruchnahme von Mitteln und Anreizen, die die EU bereitstellt. Die Kommission wird ein Unterstützungspaket (eine „Blaupause für lokale Grüne Deals“) sowie strategische Leitlinien (z. B. die Initiative „Intelligent Cities Challenge“) ausarbeiten. Sie wird die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auffordern, Meeresbeckenstrategien und makroregionale Strategien in die Planung von EU-Mitteln einzubinden 59 ;

-Sie wird die Entwicklung des Meeres- und Küsten-Ökotourismus durch EU-Mittel fördern und unterstützen. Mit der Unterstützung durch die EU sollen das vielfältige maritime Erbe des Kontinents präsentiert, Touristenströme intelligent gesteuert, das Angebot diversifiziert und der Tourismus außerhalb der Saison ausgeweitet werden;

-Sie wird die Regionen in äußerster Randlage in Übereinstimmung mit ihrer Mitteilung von 2017 60 weiterhin dabei unterstützen, die Chancen zu nutzen, die ihre großen ausschließlichen Wirtschaftszonen bieten, ihre außergewöhnlich vielfältigen Ökosysteme zu schützen, ihre eigenen Strategien für eine nachhaltige blaue Wirtschaft zu entwickeln und bewährte Verfahren auszutauschen, um ihre gemeinsamen Herausforderungen in Bezug auf die Klimaanpassung zu bewältigen;

-Sie wird weiterhin besondere Beziehungen zu Nachbarschafts- und Erweiterungsländern pflegen, um Lieferketten der blauen Wirtschaft auszubauen, mit denen die Verbindungen zur EU verbessert werden (im Einklang mit der Mitteilung zur Überprüfung der Handelspolitik). Durch das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit, das Instrument für Heranführungshilfe und andere EU-Instrumente werden weiterhin Initiativen zur Zusammenarbeit unterstützt, insbesondere zur Umsetzung der zweiten Ministererklärung der Union für den Mittelmeerraum zur Blauen Wirtschaft 61 , der erneuerten Partnerschaft mit der südlichen Nachbarschaft 62 und des Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan.

4.4    Maritime Sicherheit

Ein sicherer und geschützter maritimer Raum ist eine Grundvoraussetzung für die Wahrung der strategischen Interessen der EU, z. B. die Freiheit der Schifffahrt, die Kontrolle an den Außengrenzen oder die Versorgung mit grundlegenden Materialien, und für den Schutz von Wirtschaftstätigkeiten sowie Bürgerinnen und Bürgern, sowohl auf See als auch an Land.

Die Strategie der Europäischen Union für maritime Sicherheit und der dazugehörige Aktionsplan stellen eine gemeinsame Antwort auf die inneren und äußeren Herausforderungen der maritimen Sicherheit der heutigen Zeit dar. Eine dieser Herausforderungen ist die Umweltsicherheit, bei der es darum geht, den Klimawandel zu antizipieren und zu bewältigen und illegale Einleitungen, Abfallablagerungen, Unfälle und andere Umweltrisiken zu verhindern. Der Austausch von Informationen, auch von In-situ-, Luft- und Satellitendaten, ist ein entscheidender Faktor bei der Bewältigung von Sicherheitsproblemen, der Verhinderung illegaler Tätigkeiten auf See und der Durchsetzung von Gesetzen. Die Zusammenarbeit bei den Aufgaben der Küstenwache zwischen drei wichtigen EU-Agenturen 63 führt zu erheblichen Größenvorteilen, indem Überschneidungen reduziert, Mehrzweckeinsätze entwickelt und Flugzeuge und Schiffe für Such- und Rettungseinsätze, die Bekämpfung von Ölverschmutzung usw. gemeinsam genutzt werden. Zur Verbesserung des Informationsaustauschs hat die Europäische Kommission einen gemeinsamen Informationsraum für die Überwachung des maritimen Bereichs der EU (CISE) 64 entwickelt.

Mit CISE können Behörden aus verschiedenen zivilen und militärischen Bereichen (Sicherheit im Seeverkehr, Fischereiaufsicht, Vermeidung und Bekämpfung von Meeresverschmutzung, Schutz der Meeresumwelt, Zoll, Grenzkontrolle, allgemeine Strafverfolgung und Verteidigung) auch über Grenzen hinweg Echtzeitinformationen über jedes Ereignis auf See austauschen. Die Beteiligung an CISE ist freiwillig. Federführend für die derzeitige Übergangsphase, die bis 2023 läuft, ist die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs unter enger Einbeziehung der Mitgliedstaaten und anderer EU-Institutionen. Die Agentur ist auch damit betraut, Satellitenprodukte im Rahmen des Copernicus-Dienstes zur Überwachung der Meeresumwelt zu liefern.

Die Kommission wird

-vorschlagen, die operative Phase des CISE – vorbehaltlich der Ergebnisse der Übergangsphase – im Jahr 2024 mit dem Ziel einzuleiten, ein vollwertiges Informationsaustauschsystem zwischen den Meeresüberwachungsbehörden in der EU zu schaffen.

4.5    Förderung einer nachhaltigen blauen Wirtschaft in Drittländern

Die Förderung einer nachhaltigen blauen Wirtschaft für die Europäische Union kann nicht an den Grenzen der EU haltmachen. Viele Wertschöpfungsketten der blauen Wirtschaft sind global ausgerichtet und dem globalen Wettbewerb ausgesetzt, und die EU-Akteure sind weltweit tätig. Die Verantwortung der EU liegt daher nicht nur darin, den EU-Markt vor nicht nachhaltigen Produkten und Praktiken zu schützen, sondern auch darin, gleiche Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen auf dem globalen Markt zu schaffen und das Know-how, die Umweltmaßnahmen und die Rechtsstaatlichkeit der EU zu fördern.

Im Einklang mit der 2016 angenommenen Agenda für die Zukunft unserer Weltmeere 65 und dem durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen geschaffenen Rechtsrahmen wird die Kommission weiterhin die Voraussetzungen für eine nachhaltige blaue Wirtschaft auf internationaler Ebene schaffen. Sie wird sich auch künftig für eine wissenschaftlich fundierte Bewirtschaftung der natürlichen Meeresressourcen, einschließlich der Fischerei, einsetzen, indem sie die nachhaltige Entwicklung der Meere im Rahmen der Partnerschaften und Abkommen der EU unterstützt und die nachhaltige Fischerei in regionalen Fischereiorganisationen fördert. Die Kommission wird den Kampf gegen die illegale Fischerei und die Betrugsbekämpfung bei Meeresfrüchten im Rahmen der EU-Verordnungen fortsetzen. Durch ihre partnerschaftlichen Abkommen über nachhaltige Fischerei wird sie sich weiterhin für die Verbesserung der Fischereipolitik in den Partnerländern einsetzen und die Entwicklung der lokalen Wirtschaft unterstützen.

Bei internationalen Verhandlungen sollte sich die EU dafür einsetzen, dass mit dem Abbau von Meeresmineralien in Gebieten, die zum internationalen Meeresboden zählen, erst begonnen werden darf, wenn die Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf die Meeresumwelt, die biologische Vielfalt und menschliche Tätigkeiten ausreichend erforscht sind, die Risiken bekannt sind und die Technologien und operativen Verfahren nachweislich keine schwerwiegenden Umweltschäden verursachen.

Die Kommission wird

-sich auf der 15. Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt für ein ehrgeiziges globales Rahmenwerk für die biologische Vielfalt nach 2020 einsetzen, mit dem marine Ökosysteme und Lebensräume geschützt und wiedergeherstellt werden und das eine globale Vereinbarung zum Schutz von mindestens 30 % der weltweiten Meeresfläche beinhaltet;

-den Abschluss eines ehrgeizigen, rechtsverbindlichen Übereinkommens über die marine biologische Vielfalt in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt auf der 4. Regierungskonferenz des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen unterstützen, um die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Ressourcen auf hoher See zu fördern;

-die Bemühungen um ein globales Abkommen über Kunststoffe anführen und die Übernahme des Konzepts der Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe fördern, das die Grundlage für eine stärkere und besser koordinierte Reaktion auf Plastikmüll auf globaler Ebene bilden würde;

-weiterhin auf den Abschluss der multilateralen Verhandlungen über Fischereisubventionen im Rahmen der Welthandelsorganisation hinwirken (Umsetzung des Ziels für nachhaltige Entwicklung 14.6), um bestimmte Formen von Fischereisubventionen zu verbieten, die zu Überkapazitäten und Überfischung beitragen, und Subventionen abzuschaffen, die zu illegaler, ungemeldeter und unregulierter Fischerei beitragen;

-im Rahmen der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis ihren gesamten diplomatischen Einfluss und ihre gute Vernetzung nutzen, um in vermittelnder Funktion eine Einigung bei der Ausweisung von drei großen Meeresschutzgebieten im südlichen Ozean (östliche Antarktis, Weddell-Meer und Antarktis-Halbinsel) zu erreichen;

-Drittländer bei der Förderung und Diversifizierung ihrer nachhaltigen, inklusiven und gerechten blauen Wirtschaft unterstützen. Sie wird Finanzmittel aus den verschiedenen verfügbaren Finanzierungsquellen zur Verfügung stellen, um den Ansatz der nachhaltigen blauen Wirtschaft in der meerespolitischen Zusammenarbeit weltweit zu verankern. Die Kommission wird auch die Einrichtung einer EU-Afrika-Taskforce für die blaue Wirtschaft erwägen;

-multilaterale Initiativen wie die Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen und die Dekade der Ozeanwissenschaften für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen im Zeitraum 2021–2030 unterstützen, insbesondere in den Bereichen Meeresbeobachtung und -modellierung sowie Infrastruktur für den Datenaustausch;

-die maritime Raumplanung auf internationaler Ebene durch die Zusammenarbeit mit der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission der UNESCO 66 fördern;

-ihre internationale Agenda für die Zukunft unserer Weltmeere im Lichte der jüngsten Konsultationen und Empfehlungen des Internationalen Ozeanforums aktualisieren. Mit der Agenda sollte sichergestellt werden, dass das marine Ökosystem durch die blaue Wirtschaft geschützt und nicht geschädigt wird, dass eine transparente und inklusive Entscheidungsfindung unterstützt wird und dass die Standards für soziale Nachhaltigkeit angehoben werden.

5.Schlussfolgerungen

In dieser Mitteilung legt die Kommission ihre Vorschläge für eine Meerespolitik für dieses Jahrzehnt vor, um den mit dem europäischen Grünen Deal angestrebten Wandel in der Meereswirtschaft zu verwirklichen. Ergänzt wird diese Agenda durch die bevorstehende Mission „Gesunde Ozeane, Meere, Küsten- und Binnengewässer“. Die Kommission wird gegebenenfalls mit dem Europäischen Parlament, dem Rat und anderen EU-Institutionen zusammenarbeiten, um die vorgelegte Agenda und die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen. Sie wird alle maritimen Interessenträger dazu aufrufen, gemeinsam eine faire und gerechte nachhaltige blaue Wirtschaft zu gestalten.

(1)

 COM(2019) 640 final.

(2)

COM(2020) 442 final.

(3)

Europäische Kommission (2020), Bericht über die blaue Wirtschaft 2020.

(4)

Ziel für nachhaltige Entwicklung 14 – Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.

(5)

COM(2020) 380 final.

(6)

Ein Kandidat ist die EU-Mission „Gesunde Ozeane, Meere, Küsten- und Binnengewässer“.

(7)

COM(2020) 741 final.

(8)

COM(2020) 789 final.

(9)

Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom.

(10)

Richtlinie 2013/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über Sportboote und Wassermotorräder und zur Aufhebung der Richtlinie 94/25/EG.

(11)

  https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12312-FuelEU-Maritime- .

(12)

COM(2020) 301 final.

(13)

Im neuen Aktionsplan für den Atlantik 2.0 werden Häfen als Zugangstore und Drehkreuze für die blaue Wirtschaft erwähnt, während im Rahmen der Initiative für die nachhaltige Entwicklung der blauen Wirtschaft im westlichen Mittelmeerraum (WestMed) eine lokale Fachgruppe für nachhaltigen Verkehr und umweltfreundliche Schifffahrt eingerichtet wurde. 

(14)

SWD(2018) 254 final.

(15)

Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie).

(16)

Richtlinie (EU) 2019/904 vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt.

(17)

COM(2018) 368 (Vorschlag zur Änderung derzeit in erster Lesung mit den gesetzgebenden Organen).

(18)

 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Meeres-, Fischerei und Aquakulturfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (EMFF) – politische Einigung vom 3. Dezember 2020.

(19)

Möglicherweise unter Einsatz vernetzter Ausrüstung, die mit IoT (Internet of Things)-Sensoren ausgestattet wird.

(20)

Richtlinie (EU) 2019/883 zur Änderung der Richtlinie 2010/65/EU.

(21)

 COM(2020) 98 final.

(22)

 Verordnung (EU) Nr. 1257/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über das Recycling von Schiffen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 und der Richtlinie 2009/16/EG.

(23)

 Verordnung (EU) Nr. 1257/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über das Recycling von Schiffen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 und der Richtlinie 2009/16/EG.

(24)

Von Küsten- und Meeresökosystemen gespeicherter Kohlenstoff.

(25)

In diesem Zusammenhang ist die vollständige Umsetzung der folgenden Rechtsakte unerlässlich: Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG), Vogelschutzrichtlinie (2009/147/EG), FFH-Richtlinie (92/43/EWG), Richtlinie 2011/92/EU, Richtlinie 2001/42/EG, Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik, Verordnung (EU) 2019/1241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 mit technischen Maßnahmen für die Erhaltung der Fischereiressourcen und den Schutz von Meeresökosystemen, EU-Biodiversitätsstrategie (COM(2020) 380 final).

(26)

 Zwischenstaatliche Sachverständigengruppe für Klimaänderungen (IPCC), Sonderbericht: Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Summary for Policy Makers, Abschnitt B.3.1, abrufbar unter https://www.ipcc.ch/srocc/chapter/summary-for-policymakers/ .

(27)

  https://www.eea.europa.eu/themes/water/europes-seas-and-coasts .

(28)

  SEC(2021) 89 final .

(29)

 Beschluss 2010/631/EU des Rates vom 13. September 2010 über den Abschluss des Protokolls über integriertes Küstenzonenmanagement im Mittelmeerraum zum Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt und der Küstengebiete des Mittelmeers im Namen der Europäischen Union.

(30)

COM(2020) 381 final.

(31)

 Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rates.

(32)

Die EU führt immer noch über 70 % der in der EU konsumierten Meeresfrüchte ein. Aquakulturerzeugnisse machen nur 25 % des EU-Konsums von Meeresfrüchten aus, und die EU-Aquakultur macht weniger als 2 % der weltweiten Aquakultur aus. Die Aquakultur ist nach wie vor stark auf bestimmte EU-Mitgliedstaaten als auch auf bestimmte Arten konzentriert, sodass noch viel Spielraum für eine Diversifizierung besteht.

(33)

COM(2021) 236 final.

(34)

https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12555-Organic-farming-action-plan-for-the-development-of-EU-org.

(35)

Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission.

(36)

  https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12780-Towards-a-strong-and-sustainable-EU-Algae-sector.

(37)

https://emodnet.eu/en. EMODnet umfasst mehr als 120 Organisationen, die Daten über die Meeresumwelt in sieben Fachbereichen bereitstellen: Bathymetrie, Geologie, Lebensräume am Meeresboden, Chemie, Biologie, Physik und menschliche Tätigkeiten. Die Daten werden so aufbereitet, dass sie „FAIR“ (leicht auffindbar, leicht zugänglich, leicht zusammenstellbar und leicht nutzbar, bzw. auf Englisch: Findable, Accessible, Interoperable, Reusable) sind.

(38)

Das thematische Projekt „Digital Twin of the Ocean“ (digitaler Zwilling des Ozeans) wird ab 2023 programmiert und in das System der Initiative „Destination Earth“ eingebunden.

(39)

  https://www.oceandecade.org/ .

(40)

  https://blueindicators.ec.europa.eu/  

(41)

EUMOFA: https://www.eumofa.eu/ .

(42)

COM(2020) 66 final.

(43)

Im Netzwerk FARNET sind mehrere Beispiele zu finden.

(44)

  https://www.unepfi.org/blue-finance/ .

(45)

  https://webgate.ec.europa.eu/maritimeforum/en/frontpage/1451 .

(46)

COM(2020) 274 final.

(47)

 Im Rahmen der Blaupause wird den wesentlichen Interessenträgern (Unternehmen, Gewerkschaften, Forschungsinstituten, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und Behörden) vorgeschlagen, sektorspezifische Partnerschaften zu bilden und Qualifikationsstrategien und konkrete Lern- und Ausbildungsprogramme zu entwickeln, um Qualifikationslücken in ihren Sektoren zu schließen.

(48)

  https://www.projectmates.eu/ .

(49)

 Im Einklang mit international anerkannten Grundsätzen und Rahmenbedingungen, einschließlich der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und des Seearbeitsübereinkommens.

(50)

Richtlinie 2014/89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung.

(51)

  https://webgate.ec.europa.eu/maritimeforum/de/node/4484 .

(52)

  http://www.atlanticstrategy.eu/en .

(53)

  https://www.westmed-initiative.eu/ .

(54)

  https://blackseablueconomy.eu/206/common-maritime-agenda-black-sea .

(55)

  https://www.adriatic-ionian.eu/ .

(56)

  https://www.balticsea-region-strategy.eu/about/about .

(57)

Insbesondere durch die Mitteilung „Tourismus und Verkehr im Jahr 2020 und darüber hinaus“, die EU-Impfstrategie, die Mitteilung über eine sichere Wiedereröffnung, das digitale grüne Zertifikat sowie die Webseite und die App „re-open EU“.

(58)

UNWTO, „Principles for the transition to a green travel and tourism economy“ (Grundsätze für einen Übergang zu einer grünen Reise- und Tourismusindustrie).

(59)

SWD(2020) 206 final.

(60)

COM(2017) 623 final.

(61)

  https://ufmsecretariat.org/wp-content/uploads/2021/02/Declaration-UfM-Blue-Economy-EN-1.pdf .

(62)

JOIN(2021) 2.

(63)

EMSA, EFCA und FRONTEX.

(64)

  http://emsa.europa.eu/cise.html .

(65)

SWD(2016) 352 final.

(66)

„Joint roadmap to accelerate Maritime/Marine Spatial Planning processes worldwide“, März 2017.