PA-19-Bruchlandung: Falsche Drehung am Tankwahlschalter?

Bruchlandung einer Piper PA-19
Falsche Drehung am Tankwahlschalter?

Nach einem halbstündigen Gastflug will der Pilot einer Kolbeneinmot erneut zusammen mit einem Passagier starten. Das Anlassen des Motors per Hand am Propeller funktioniert zunächst nicht. Erst als der Fluggast ins Cockpit greift und am Tankwahlschalter dreht, springt der Motor an. Doch nach dem Start kommt das Flugzeug nicht weit.

Falsche Drehung am Tankwahlschalter?
Foto: BFU

Beim Motorflug hängt ein großer Teil der Sicherheit buchstäblich am Antrieb und an allem, was diesen am Laufen hält. Besonders der Tankwahlschalter hat schon manchen Piloten in große Bedrängnis gebracht. Denn eine Verwechslung oder kurze Unaufmerksamkeit beim Rasten der Kraftstoffzufuhr kann böse Folgen haben. Der Besatzung einer Piper PA-19 passiert am 18. Mai 2023 vermutlich genau das. Der Pilot hat einen VFR-Flug von Oldenburg-Hatten nach Rinteln zusammen mit einem weiteren Piloten geplant. Beim ersten Flug an diesem Tag, dem Hinflug von Rinteln nach Oldenburg, steuerte der Begleiter die PA-19 als PIC, während der Eigner des Flugzeugs mit einer anderen Maschine nach Oldenburg-Hatten flog. Dort startete er mit der PA-19 zu einem halbstündigen Gastflug. Nach der Landung stellte er den Kraftstoffhahn auf "off". Der 68-Jährige hat auf verschiedenen Mustern und in mehreren Klassen Erfahrung im Cockpit gesammelt. Er besitzt unter anderem die Berechtigungen für Single-Engine Piston (SEP) und Ultraleichtflugzeuge (SPL). Als verantwortlicher Pilot hat er insgesamt 942 Stunden im Cockpit verbracht, davon 654 Stunden in zertifizierten Motorflugzeugen, 117 in Tourenmotorseglern (TMG), 110 Stunden in Segelflugzeugen und 61 Stunden in Ultraleichtflugzeugen. In den vergangenen 90 Tagen ist er jedoch nur rund zweieinhalb Stunden als PIC in der Luft gewesen. Mit der Piper PA-19 hat er zudem wenig Erfahrung: Lediglich rund drei Stunden sind in seinem Flugbuch dokumentiert. Vor über einem Jahr absolvierte er den letzten Übungsflug auf diesem Muster. Seither ist er nicht mehr mit der Piper geflogen.

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Über 10 000 Flugzeuge aus der Baureihe PA-18/-19 – im Bild eine L-18 C Super Cub – wurden vom US-Hersteller Piper Aircraft gebaut.

Kurz nach dem Start steht der Motor still

Vor dem Start zum Rückflug steht der Pilot, der die Maschine auf dem Hinflug selbst steuerte und nun als Passagier mitfliegt, rechts neben dem Cockpit, um bei den Startvorbereitungen zu helfen. Zuerst betätigt er den Kraftstoffprimer, um Benzin direkt in die Zylinder zu pumpen. Dann versucht er, den Motor durch Anreißen des Propellers zu starten. Mehrere Versuche bleiben jedoch erfolglos. Der PIC bittet ihn daraufhin, doch den Kraftstoffhahn im Cockpit zu öffnen. Von außen greift der Fluggast nun nach links unten ins Cockpit und dreht den Schalter um 180 Grad. Anschließend betätigt er erneut den Primer. Der Motor springt daraufhin sofort an. Erst jetzt nimmt der Passagier auf dem hinteren Sitz der PA-19 Platz. Auf dem Taxiway folgt die Piper einem anderen Flugzeug zum Rollhalt der Piste 06. Kurz darauf startet die erste Maschine. Anschließend rollt auch die PA-19 auf die Piste und beschleunigt. Startlauf und Anfangssteigflug verlaufen zunächst wie gewohnt. Doch in einer Höhe von rund 80 Metern über Grund registriert der Pilot plötzlich einen deutlichen Leistungsverlust. Der Fluggast ruft ihm daraufhin zu: "Benzinhahn!" Dabei greift er nach vorne nach dem Kraftstoffhahn. Doch das Triebwerk steht in diesem Moment bereits still. Der Pilot entscheidet sich für eine Notlandung auf einem Acker links der Abflugroute.

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Nach dem Start in etwa 80 Metern Höhe steht der Motor plötzlich still. Der Pilot entscheidet sich für eine Notlandung im Acker.

Abfangbogen zu spät eingeleitet

Unmittelbar vor dem Aufsetzen hat die Piper noch eine Längsneigung von mindestens 30, möglicherweise bis zu 40 Grad. Dann zieht der Pilot den Steuerknüppel voll durch, um die Maschine vor dem Aufprall noch abzufangen. Doch das Flugzeug schlägt hart auf dem Boden auf und kommt kurz darauf zum Stillstand. Bei der Bruchlandung zieht sich der Passagier schwere Verletzungen zu, der Pilot kommt mit leichten Blessuren davon. Beide können sich selbstständig aus dem Wrack befreien. Die Absturzstelle liegt nur etwa 400 Meter vom Ende der Piste 06 entfernt. Die Kabine der PA-19 ist stark gestaucht, mehrere Fensterscheiben sind gebrochen, Glassplitter liegen um das ganze Wrack herum. Beim Aufprall ist die rechte Tragfläche an der Flügelwurzel aus dem Rumpf herausgerissen worden, die linke Tragfläche wurde nach hinten gebogen, ist aber noch mit dem Rumpf verbunden. Hauptfahrwerk und Spornrad sind dagegen vom Rumpf abgerissen. Der Motorblock wurde Richtung Brandschott nach hinten gedrückt. Ein Propellerblatt ist an der Spitze nach hinten abgeknickt, das zweite Blatt ist unbeschädigt – ein Hinweis darauf, dass Motor und Luftschraube beim Aufschlag stillstanden. Auch die Kraftstoffleitung ist vom Rumpf abgerissen, Benzin läuft in die Kabine. Die Feuerwehr stoppt den Abfluss zunächst provisorisch mit einem Ast, mit dem die Kraftstoffleitung verschlossen wird. Das restliche, im rechten Flächentank verbliebene Benzin wird durch das untere Drainventil abgelassen, um eine Kontamination des Erdbodens an der Unfallstelle zu verhindern.

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Die Notlandung fällt hart aus. Während der Pilot mit leichten Blessuren davon kommt, erleidet der Passagier schwere Verletzungen.

Suche nach der Ursache für den Motorausfall

Einen ersten Hinweis auf die Unfallursache finden die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) am Instrumentenpanel im Cockpit des Wracks: Dort ist der Kraftstoffhahn geschlossen. Möglicherweise wurde der Motor dadurch kurz nach dem Start nicht mehr mit Kraftstoff versorgt. Andere mögliche Ursachen für den Verlust der Triebwerksleistung können die Ermittler dagegen nach intensiven Untersuchungen am Antriebssystem mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen: An den Zylindern und dem Motor-gehäuse sind keine Schäden feststellbar, auch das Ansaugsystem sowie die Anschlüsse von Gas, Mixture und Vorwärmzug zeigen keinen Befund, der auf eine Störung hinweist. Die Ansaugspinne einschließlich Vergaser ist bei der Bruchlandung abgebrochen, ebenso sind Ansaugbox, Luftfilter, Schalldämpfer und Auspuffrohr stark verformt. Die Untersuchung der Zündkerzen und Zündkabelanschlüsse ergibt ebenfalls keine Hinweise auf einen Schaden vor dem Unfall. Auch eine aufwendige Dichteprüfung bleibt ohne Befund. Darüber hinaus schließen die Experten einen mechanischen Schaden im Bereich der Zylinder, im Kurbeltrieb oder am Propeller aus. Trotz der verbogenen unteren Blattspitze lässt sich die Luftschraube leicht durchdrehen. Unterm Strich bleibt also noch das Kraftstoffsystem als Unfallursache. Doch auch hier ergeben die Untersuchungen der BFU ausschließlich Schäden, die als Folge des harten Aufschlags identifiziert werden: An der Flügelwurzel der abgerissenen rechten Tragfläche ist die Kraftstoffleitung zur Tankanzeige abgerissen. Dadurch kam es an der Absturzstelle zu dem eingangs erwähnten Benzinleck. Der Tank in der linken Tragfläche ist jedoch intakt geblieben. Trotz leichter Verschmutzungen im Kraftstofffilter finden die Ermittler auch an dieser Stelle keinen Hinweis auf die Unfallursache.

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Die Unfallursache liegt bei der falschen Drehung am Tankwahlschalter: Er war auf "off" geschaltet.

Kraftstoffmanagement als Unfallursache

Als Grund für den Motorausfall kurz nach dem Start im Anfangssteigflug bleibt demnach nur ein Fehler beim Kraftstoffmanagement. Sehr wahrscheinlich hatte der Fluggast den Tankwahlschalter bereits am Boden falsch gerastet. Erst im Steigflug, als der Motor schon aussetzte, erkannte der Passagier das Problem und versuchte, den Piloten mit dem Ruf "Benzinhahn!" auf die Ursache des Leistungsverlustes aufmerksam zu machen. Der Pilot selbst hatte die Stellung des Tankwahlschalters offenbar nicht überprüft. Für die BFU ist der Tankwahlschalter als Unfallursache ein altes Problem, das in den Unfallstatistiken seit Jahrzehnten seinen Platz hat. In einer Flugunfallinformation aus dem Jahr 1983 heißt es bereits: "Eine Analyse der Unfälle mit Triebwerksstörung im Start, bei denen eine Ursache gefunden wurde, zeigt, daß (...) 60 Prozent der Ursachen Pilotenfehler (waren). In einigen Fällen erfolgte eine Fehlbedienung des Propellers oder des Triebwerkes (8 Prozent), die anderen 52 Prozent entstanden durch mangelhafte Flugvorbereitung, besonders durch Kraftstoffmangel am Triebwerk." Teilweise habe der Tankwahlhebel zum Unfallzeitpunkt auf einem leeren Tank gestanden, oder es wurde mit zu geringer Kraftstoffmenge gestartet, heißt es weiter. "Der große Anteil dieser Ursachen (...) ist nicht auf mangelnde fliegerische Kenntnisse oder Inübunghaltung zurückzuführen, sondern auf Nachlässigkeit", so die Schlussfolgerung der BFU. Daran hat sich offenbar bis heute nicht viel geändert.