Stemme S10-VT im Leser-Test

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Stemme S10-VT im Leser-Test

Antreten zum Test: 28 aerokurier-Leser nahmen den High-End-Motorsegler Stemme S10-VT "Peak Performance" unter die Lupe.

Stemme S10-VT im Leser-Test

In unserer Serie „Leser testen für Leser“ stand im Spätsommer 2015 die Stemme S10-VT im Mittelpunkt. Interessierte Leser hatten sich aus allen Ecken Deutschlands gemeldet. In Strausberg, Schwäbisch Hall und Donauwörth gab es dann für 28 ausgewählte Piloten Gelegenheit, die Stemme S10 unter die Lupe zu nehmen. Die Frage war: Wie beurteilen anspruchsvolle Piloten das Stemme-Angebot? Wie kommen Anfänger und Piloten von Vereinsmotorseglern wie dem Scheibe Falken oder der Dimona von Diamond Aircraft mit dem Hightech-Flieger von Stemme zurecht?

Inzwischen fliegt die S10 in mehr als 250 Exemplaren. Sie verteilen sich über die ganze Welt. Hierzulande hat die S10 längst nicht den Bekanntheitsgrad erreicht wie die sehr viel häufiger anzutreffende Dimona oder gar der Scheibe Falke. Dies mit einer breit angelegten Testserie zu ändern, lag somit ganz im Interesse der Stemme AG. Das Strausberger Unternehmen hat den aerokurier Lesertest denn auch bereitwillig mit teils sogar zwei Flugzeugen unterstützt.

Vor rund 30 Jahren hatte Dr. Reiner Stemme für die S10 das Konzept aufgenommen, den Motor im Mittelrumpf zu platzieren und den über eine Fernwelle angetriebenen Propeller im Bug für den Segelflug einklappbar zu gestalten. Die ersten S10 flogen mit dem Limbach L2400 und starrem Propeller. Im Laufe des Serienbaus wurde eine Verstellmöglichkeit für den Propeller eingeführt, die den Start/Steigflug und den Reiseflug optimierte. Für den Lesertest stand die aktuelle S10-Version VT mit Zweistellungspropeller und dem 115 PS starken, turboaufgeladenen Rotax 914 zur Verfügung.

Mit dieser Ausstattung ist die S10-VT zum vollwertigen Reisemotorsegler herangereift. Eigentlich müsste die S10 deshalb ebenso mit einer TMG-Berechtigung wie mit der Berechtigung für eigenstartfähige Segelflugzeuge mit Hilfsmotor in der Segelfluglizenz zu fliegen sein. In Deutschland und unter JAR war die S10 ein Reisemotorsegler und mit TMG-Berechtigung zu fliegen. Im europäischen Lizenzwesen (Part-FCL) ist sie jetzt ein motorisiertes Segelflugzeug, weil sie mit dem versenkbaren Propeller eine Bedingung für diese Flugzeugklasse erfüllt. Eine Ausnahme wurde nicht fixiert. Wie bei dieser Einordnung die Rechte bisheriger TMG-Piloten erhalten bleiben, die ja nicht einfach beschnitten werden können, ist offen. Noch unübersichtlicher wird die Lizenzfrage in EASA-Europa durch die Möglichkeit, dass jedes Mitgliedsland diese Einordnung ändern kann. In Deutschland und für D-zugelassene S10 gilt die TMG-Regelung. Damit kann der Motorsegler von PPL(A)-Piloten wie von Segelfliegern mit TMG-Berechtigung geflogen werden.

Im Testprogramm waren beide Seiten der S10-VT gefragt. Mit Stemme-Pilot Klaus „Theo“ Körner, der die S10-Tester begleitete, wurde das gesamte Einsatzprogramm durchgespielt: Starten, steigen, ausleveln und einnehmen verschiedener Reisegeschwindigkeiten, das zugehörige Airwork und auch das Stilllegen des Triebwerks bis hin zu Anflug und Landung in Segelflugkonfiguration standen auf dem Aufgabenzettel.

Die Verwendung von Wölbklappenprofilen weisen den Schulterdecker  S10 vor allem als Segelflugzeug aus. Die damit möglichen Profilveränderungen kommen aber nicht nur beim Thermikkurbeln und der Landung zur Wirkung, sondern auch im schnellen Vor- beziehungsweise Reiseflug. Für die Steuerung des Landeanflugs gibt es segelflugzeugtypisch Schempp-Hirth-Bremsklappen. Das ermöglicht Anflüge wie mit Segelflugzeugen, sie können aber auch motorflugtypisch mit der Triebwerksleistung reguliert werden.

Unsere Highlights

Gute Noten, außer beim Preis

Das Einziehfahrwerk der S10 mit anspruchsvollerer Spornradauslegung fiel bei keinem Tester durch, obgleich die geringe Spurweite bei der Spannweite von 23 Metern bei Unebenheiten schnell zum Schaukeln führt. Einzig die beim Rollen eingeschränkte Sicht wurde von einem Teil der Piloten bemängelt.

In einem Punkt waren sich aber nahezu alle einig, ob jung und sportlich oder schon älter und nicht mehr so beweglich: Der Einstieg ins Flugzeug sollte erleichtert werden. Auf die Frage nach möglichen Verbesserungen wünschten sich fast alle eine Einstiegshilfe. Ohne dieses Element musste ein Pilot die Hilfe von Kollegen in Anspruch nehmen. Einmal von Theo Körner vorgemacht, fiel allen anderen der Einstieg mehr oder weniger leicht.Wer es richtig macht und sich rücklings an Flügel und Cockpitrahmen abstützt und hochstemmt, kann sich halbwegs locker ins Flugzeug gleiten lassen.

Die Vorflugkontrolle hatte zuvor eine nicht minder große Beweglichkeit in den Knien und Flexibilität im Rücken gefordert. Für die Kontrolle des Kühlflüssigkeitsstands muss unter den Rumpf zwischen die Fahrwerksbeine gekrabbelt werden. Hier fordert die Unterbringung des Motors im Mittelrumpf ihren Tribut. Daran nahm aber kein Tester Anstoß.

Von der Verarbeitung, der Oberflächengüte und der geradezu luxuriösen Innenausstattung waren alle angetan. Die Größe des Cockpits bot ausreichend Platz, auch den groß gewachsenen Piloten. Als zu klein wurde dagegen die Möglichkeit zur Unterbringung von Gepäck bemängelt. Hinter den Rücklehnen lässt sich ein gut gefüllter Rucksack platzieren. Bei jüngeren Modellen gibt es im Rumpfrücken noch ein Gepäckfach.

Die Instrumentierung ließ keine Wünsche offen, obgleich das Testmodell (Baujahr 2011) in der Avionikausstattung nicht dem aktuellen Stand entsprach.

Die Ruderkräfte fanden unterschiedliche Beurteilungen, im Gesamtbild war die Einschätzung leicht positiv. Auch die Bewertung der Wendigkeit war stark subjektiv gefärbt und ließ sich weitgehend auf die fliegerische Herkunft und Erfahrung der Tester zurückführen.

In Schwäbisch Hall und Donauwörth hatten die Piloten – obwohl schon recht spät im Jahr – auch Gelegenheit, die Thermikqualität der S10 zu testen. Walter Wartelsteiner, der eine dreieinhalbstündige Anfahrt aus Innsbruck für den Probeflug in Kauf genommen hatte, fand sogar Gelegenheit, unter einer Wolkenstraße die Schnellflugleistungen der S10 zu erproben. Er konnte sie direkt mit denen der ASH 25 vergleichen, mit der ihm von Innsbruck aus der weiteste Streckenflug aus der Winde (über 1300 km) gelungen war. Der Langstrecken-Fan:„Mit der S10 gibt es ganz neue Perspektiven für den Segelflug. Früh am Morgen kann man mit ihr im Motorflug weit entfernte Abflugpunkte erreichen und so seine Segelflugmöglichkeiten erheblich erweitern.“

Gerhard Bumüller, auf Jets wie Turboprops zu Hause und im Segelflug mit einer DG-808 unterwegs, zur S10: „Ein Flieger, um sorglos einen schönen Segelflug mit Rückfluggarantie zu genießen.“

In der Gesamtschau erhielt die S10-VT von den Testern die Note „gut“ bis „sehr gut“. Nur beim Preis – 280 000 Euro plus Steuern – mussten die meisten schlucken.

aerokurier Ausgabe 11/2015