Pferdemist als Energiequelle: So funktioniert es

Energiegewinnung aus Pferdemist
Haufenweise Energie

Pferdemist einfach in Biogas, Strom oder Wärme zu verwandeln, scheiterte bisher meist an der Technik. Doch Forschung und Praxis sind nun weiter.

Pferdemist in Biogas, Strom oder Wärme verwandeln
Foto: privat

Pferdemist als Energiequelle

Strom und Wärme aus Pferdemist gewinnen, statt diesen kostenpflichtig zu entsorgen – klingt verlockend. Und die Voraussetzungen scheinen ideal: "Pferdemist ist ja in der Regel ein Gemisch aus Stroh und Pferdekot. Dieser Kot ist in einer Biogasanlage ohne Aufbereitung gut verwertbar, da Pferdeäpfel aus kleinen Partikeln bestehen", erklärt Dr. Hans Oechsner. Oechsner forscht an der Uni Hohenheim, Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie. An Nachschub herrscht kein Mangel: Zwischen 15 und 23 Kilogramm Mist wird ein Pferd täglich los, bis zu zwölf Mal am Tag äpfelt es. Bei etwa 1,2 Millionen Tieren hierzulande kommen da gut 18 Millionen Tonnen pro Jahr zusammen. Aus einer Tonne normalem Pferdemist mit einem Gehalt an organischer Trockensubstanz von 40 Prozent können bei optimaler Vergärung im Biogasfermenter etwa 100 Kubikmeter Methan erzeugt werden, rechnet Oechsner vor. Ein Blockheizkraftwerk kann daraus mehr als 300 kWh Strom und 350 kWh Wärme erzeugen. Was für eine Energiequelle!

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Biogas auf dem Vormarsch

Stand heute gibt es in Deutschland etwa 9 600 landwirtschaftliche Biogasanlagen, die zwischen 75 kW bis 3 000 kW (Kilowatt) elektrische installierte Leistung haben, so Oechsner: "Diese Biogasanlagen liefern zehn Prozent unseres gesamten Strombedarfs.” Rund 230 Anlagen speisen Biogas ins Erdgasnetz. Wie viele auch oder nur Pferdemist verarbeiten, darüber gibt es keine offiziellen Zahlen. "Es gibt einige, die im großen Stil bis zu 50 Prozent Pferdemist einsetzen und viele, die kleinere Mengen bis 30 Prozent zusetzen", so Oechsner. Die Mehrheit dieser Anlagen sind sogenannte Flüssigvergärer der ersten Generation. "Sie sind primär für die Verarbeitung von flüssigeren Substraten wie Gülle oder Energiepflanzen konzipiert und weniger für festere oder faserreichere Materialien wie Pferdemist", weiß Daniel Hepfer, Geschäftsführer der Firma Renergon International AG, weltweit tätiger Spezialist für Biogas-Technologie mit Hauptsitz in der Schweiz.

Flüssige Gülle als Zusatz

In der Biogas-Technologie unterscheidet man zwischen Nass- und Trockenfermentation, also etwa Gülle und festerem Mist. Durch die Vergärung (Fermentation) des Materials, also dem sauerstofffreien Abbau von Biomasse, wird Gas erzeugt.

In landwirtschaftlichen Anlagen werden tierische Exkremente, etwa von Kühen oder Schweinen, in Kombination mit Energiepflanzen wie Mais zur Strom- und Wärmeerzeugung verwendet. Nichtlandwirtschaftliche Anlagen lassen sich zudem mit Biotonnen-Abfall betreiben. Die Gärreste (Gärsubstrate), ein flüssiger oder fester Rückstand, der bei der Vergärung von Biomasse anfällt, werden als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt.

Biogasanlagen laufen in der Regel als volldurchmischte Flüssigfermenter, in denen ein Biogassubstrat mit zehn bis zwölf Prozent Trockensubstanzgehalt enthalten ist. "Es ist zweckmäßig, neben Pferdemist auch Rinder- oder Schweinegülle mitzuvergären, um die passende Verdünnung zu bekommen. Reine Anlagen für Pferdemist sind schwierig zu betreiben und kaum im Einsatz", sagt Wissenschaftler Hans Oechsner. Eine der wenigen steht im bayerischen Pfeffenhausen.

Mist zuerst zerkleinern

Schwierig ist das Prozedere, weil die Einstreu Probleme bereiten kann. "Stroh ist reich an faserigem Material, für die Biogasbakterien schwer zugänglich und nicht gut abbaubar. Es führt im Biogasfermenter mitunter zu Schwimmschichten und Verstopfungen der Pumpen", so Dr. Hans Oechsner. Daher sei es auch sinnvoll, bei mehr als zehn Prozent Pferdemist in einer Biogasanlage diesen vorher aufzubereiten. Heißt: Er muss zerkleinert werden.

Dafür gibt es verschiedene Aufbereitungstechniken wie Querstromzerspaner (ermöglichen die Zerkleinerung gemischter Abfallstoffe). "Wir untersuchen gerade eine Kugelmühle, die mit einem in Rotation versetzten Mahlraum arbeitet. All diese mechanischen Systeme arbeiten gut.” Wichtig sei, das Substrat direkt vor Zugabe zum Fermenter aufzubereiten. "Eine Zugabe erst in den Fermenter und danach versuchen mit bestimmter Technik zu zerkleinern, halten wir für wenig effektiv." Wäre da eine andere Einstreu nicht einfacher? Nein, sagt Hans Oechsner: "Es ist wichtig, dass Stroh als Einstreu verwendet wird. Sägespäne sind nicht zweckmäßig, sie liefern kein Biogas!"

Was ebenfalls für weniger Biogas sorgt: eine längere Lagerung am Stall; das führt zu Energieverlusten. Pferdemist sollte möglichst schnell nach dem Entmisten zur Biogasanlage transportiert und dort eingesetzt werden. "Der Mist sollte nicht älter sein als eine Woche", so Oechsner.

Ein weiteres Problem: Pferdemist enthält oft "Störstoffe", die Pumpen oder Rührwerke im Fermenter beschädigen können. Hufeisen, Halfter oder Bindegarn von Strohballen sind nicht selten im Misthaufen zu finden. Zudem sei das Verfahren "durchaus tricky": Das Substrat im Fermenter muss mindestens 37° Celsius haben, damit "ein effizienter Stoffabbau und Biogasproduktion erzielt" werden könne. Dies erfordere eine gute Wärmedämmung der Fermenter plus Heizung.

Spezielles für Pferdemist

Die alleinige Verwertung von Pferdemist in einer Biogasanlage erfolgt durch Trockenvergärung; etwa in speziellen Anlagen, wie sie Renergon International anbietet: "Unsere Feststoffvergärungsanlage ist für die Vergärung von organischen Feststoffen wie Pferdemist konzipiert", erklärt Geschäftsführer Daniel Hepfer. "Der Prozess läuft unter anaeroben Bedingungen ab und nutzt gasdichte, säurebeständige Beton-Fermenterboxen. Die Biomasse wird lediglich im Vorfeld zu einem Haufen aufgeschoben und nach Erwärmung in die Fermenterboxen eingebracht, wo sie mit Perkolat besprüht wird. Perkolat, also bei der Gärung austretende Flüssigkeit, enthält Mikroorganismen und essenzielle Nährstoffe für den Biogasprozess. Die simultane Vergärung in den Boxen und im Perkolattank wandelt dann die Biomasse in Biogas um." Das so erzeugte Biogas wird zur Strom- und Wärmeerzeugung verwendet oder auch zu Biomethan aufbereitet, welches als erneuerbarer Kraftstoff dient.

Partnerschaft notwendig

Was die Wirtschaftlichkeit von rein Pferdemistbetriebenen Anlagen anbelangt, haben Experten wie Hans Oechsner vorsichtige Zweifel: "Ab 100 Pferde und Zusatz von Gülle beziehungsweise nachwachsenden Rohstoffen könnte es sich rentieren, eine solche Anlage zu betreiben."

Bei kleineren Beständen sollte man sich einen Partner suchen, der eine Biogasanlage betreibt und Interesse an der Aufnahme von Pferdemist hat. "Für den Betrieb einer eigenen Biogasanlage ist die erforderliche Menge an Substrat entscheidend", sagt Daniel Hepfer. Seine Renergon-Anlagen seien bereits ab einer Verarbeitungsmenge von etwa 5 000 bis 10 000 Tonnen pro Jahr wirtschaftlich. Aber: "Um diese Menge zu erreichen, ist es oft notwendig, dass sich mehrere Betriebe zusammenschließen oder eine Kooperation mit lokalen Landwirten eingehen."

Ungewisse Zukunft

Auch die Stimmung in der Vergärungs-Branche scheint alles andere als optimistisch. Wie das Fachmedium "agrarheute.com" im Frühjahr mitteilte, drohe zum Beispiel zwei Drittel der Biogasanlagen in Niedersachsen das Aus; auch in Bayern wollten über die Hälfte der Biogasbetreiber aufgeben. Begründung: Lohnt sich nicht, bürokratische Hürden. In Baden-Württemberg etwa sind derzeit 1 000 Biogasanlagen in Betrieb, die "allermeisten stehen vor einer unsicheren Zukunft", so die Landesregierung auf ihrer Homepage. Zudem laufe für einen "Großteil" der Anlagen in den nächsten Jahren (bis 2029) die EEG-Vergütung aus. "Das gilt für Anlagen, die 2009 in Betrieb gegangen sind. Jede Anlage hat eine garantierte Vergütungszeit von 20 Jahren", heißt es vom Fachverband Biogas.

Wichtig sei nicht zuletzt, dass man langfristig miteinander arbeiten möchte, da ja große Investitionen mit dem Einsatz verbunden seien, rät Hans Oechsner. Pferdemist könnte viel häufiger eingesetzt werden, glaubt er. Man müsste nur wollen: "Häufig besteht das Problem, dass sich die entsprechenden Partner nicht finden oder nicht bereit sind, sich aufeinander einzustellen. Also etwa bei der Einstreu auf Sägespäne zu verzichten."

Rechtliche Regeln fürs Biogas

"Die rechtliche Situation ist ein Dschungel", sagt Dr. Hans Oechsner. Laut Fachverband Biogas ist für den Biogasanlagenbau eine Wirtschaftlichkeitsprüfung angeraten. Auch ist die Teilnahme an der EEG-Ausschreibung verpflichtend und Voraussetzung für eine Vergütung nach dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Inwiefern diese Vergütung noch in den nächsten Jahren gezahlt wird, ist allerdings derzeit offen.

Auch das Veterinärrecht gibt Regeln vor, bezogen auf "tierhygienische Aspekte": Hier muss laut Fachverband sichergestellt sein, dass Substrate (also der Pferdemist) nicht verunreinigt sind, um mögliche Krankheiten (vor allem bei der späteren Ausbringung der Gärreste) zu vermeiden.

Zudem gibt es diverse genehmigungsrechtliche Auflagen. Diese technischen Anleitungen (TA) etwa zur Reinhaltung der Luft sind im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BlmSchG) geregelt. Generell sind diese Auflagen bundeseinheitlich. Ob die Anlage letztendlich über das Baurecht oder BImSchG genehmigt werden muss, ist abhängig von der Größe der Anlage und der Privilegierung im Außenbereich. Derlei regelt §246d des Baugesetzbuches.

Rechenbeispiel

Abhängig von Größe und Technik variieren die Kosten für eine Biogasanlage. Hans Oechsner rechnet mit 7 000 bis 10 000 Euro je kW installierter Leistung. Zu den Kapitalkosten kommen betriebsgebundene Kosten (wie Instandhaltung) und verbrauchsgebundene Kosten (für Substrate und den Eigenstrombedarf der Anlage). Auch die Arbeitszeit für die Bedienung ist ein wichtiger Punkt, heißt es zum Beispiel bei CARMEN e.V. (Centrale Agrar-Rohstoff Marketing- und Energie-Netzwerk).

Auf der Einnahmenseite ist die EEG-Vergütung der wichtigste Faktor. Die Höhe der Vergütung hängt davon ab, welche Substrate zum Einsatz kommen und in welchem Jahr die Biogasanlage in Betrieb genommen wurde. Aktuell beträgt der Höchstwert für neue Biogasanlagen 19,43 Cent je Kilowattstunde. Zu den Einnahmen für den erzeugten Strom kommen Einnahmen für Nutzung der Abwärme. "Schon bei der Planung sollte das Projekt von den Möglichkeiten der Wärmenutzung her angegangen werden", so Oechsner.

Um die Abwärme abzugeben, fallen aber in der Regel zunächst Kosten an, etwa für die Errichtung eines Wärmenetzes. Außerdem muss die Wärme-Abgabe versteuert werden. Auch das Gärprodukt kann als Dünger weiter verwertet werden.

Stall Pfeffenhausen

Alles hausgemacht: "Bei mir kommt nur unser Pferdemist zum Einsatz. Keine Gülle oder Fremdmaterial", betont Atila Bursalioglu. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Manuela Pflüger, Western- und Bodenarbeitstrainerin, betreibt er in Pfeffenhausen, etwa 20 Kilometer von Landshut/Bayern entfernt, den Reitstall ART Reitsport. 30 Pferde stehen hier. Mit dem anfallenden Mist (jährlich gut 760 m³) betreibt das Paar auf seinem Hof eine Mini-Biogasanlage, ein Trockenfermenter. "Der Strom wird eingespeist, da wir bereits hierfür eine PV-Anlage für den Eigenbedarf verwenden. Wärme verwenden wir für unser Wohnhaus", erklärt Betriebsleiter Bursalioglu. Weiterer Vorteil: "Aus dem Fermenter wird in regelmäßigen Zyklen der vergorene Pferdemist in Form von Rohkompost entnommen und nach der Zwischenlagerung auf den eigenen Wiesen ausgebracht." Mineraldünger müsse er nicht mehr zukaufen.

Pferdemist in Biogas, Strom oder Wärme verwandeln, Biogasanlage
privat

Der Reitstall ART in Bayern betreibt eine ziemlich einzigartige Biogasanlage.

Vor vier Jahren haben sich die Stallbetreiber für diese Art der Energiegewinnung entschieden. Eher zufällig: "Unsere Ölheizung stand für den Wechsel an. Wir haben einige Zeit investiert, um den Pferdemist zu brikettieren oder pelletieren. Leider führte beides nicht zum Erfolg. Dann sind wir auf die Feststofffermentierung aufmerksam geworden." Misthaufen war von da an Vergangenheit, der Pferdemist landet umgehend im Fermenter. Die Energieausbeute des angeschlossenen Blockheizkraftwerks liegt bei 7 kW elektrischer Leistung und 14 bis 20 kW Wärme. Die Biogasausbeute liege bei 40 m³ pro Tonne Pferdemist.

Zu den Kosten für seine Biogasanlage will Atila Bursalioglu keine Angaben machen: "Wir haben sie zu einem Prototypenpreis bekommen, da es die erste in der Dimension war. Daher wäre der Busniess-Case an der Stelle nicht aussagefähig."

Die Experten

Pferdemist in Biogas, Strom oder Wärme verwandeln, Daniel Hepfer
Renergon

Daniel Hepfer ist Geschäftsführer von Renergon International AG, einer Firma für Biogastechnologie in der Schweiz. renergon-biogas.com

Pferdemist in Biogas, Strom oder Wärme verwandeln, Dr. Hans Oechsner
privat

Dr. Hans Oechsner forscht an der Landesanstalt für Bioenergie der Universität Hohenheim. https://la-bioenergie.uni-hohenheim.de