Tragkraft-Training: Trab-Takt und Gymnastik

Training für mehr Tragkraft: Teil 1
Auftakt zum Aufmuskeln

Folge 1: Ein halbes Jahr lang macht Trainerin Jana Tumovec Pony Bonaparte fit fürs Reiten – mit Trainingsplänen zum Mittrainieren. Los geht es mit Trab-Takt und Gymnastik.

Rückentraining
Foto: Cara Dörpmund

Die Expertin

Wir begleiten Jana Tumovec über ein halbes Jahr beim Training mit Bonaparte und zeigen, mit welchen Übungen sie aus ihm ein tragfähiges Reitpferd macht. Tumovec kommt aus Eisenach und ist seit 20 Jahren Pferdeosteopathin und Physiotherapeutin für Menschen und Pferde. Sie bildet Fachleute zu "konzeptionellen Reha-Trainern Equine" aus – und konzipiert maßgeschneiderte Trainingspläne für ihre tierischen Patienten.

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Auftakt zum Aufmuskeln
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Folge 1: Ein halbes Jahr lang macht Trainerin Jana Tumovec Pony Bonaparte fit fürs Reiten – mit Trainingsplänen zum Mittrainieren. Los geht es mit Trab-Takt und Gymnastik.
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Cara Dörpmund
Wir begleiten Jana Tumovec über ein halbes Jahr beim Training mit Bonaparte.

Das Pony

Bonaparte ist ein sechs Jahre altes Connemara-Pony. Er kommt vom Händler. Dieser wollte ihn aussortieren, da der Wallach als Springpferd nichts taugte. Das Pony war nicht gymnastiziert, es konnte nur gerade über einen Sprung laufen. Zirkel? Unmöglich. Seine neue Besitzerin möchte, dass er ein gesundes und fittes Freizeitpferd wird. Bonaparte hat einen lieben Charakter, ist aber unaufmerksam – und eher langsam in seinen Reaktionen.

Body-Check

Bonaparte wirkt zu Beginn des Trainings schmächtig. Der Widerrist steht heraus, der Rücken ist schmal und steigt hinten leicht an.

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Bonaparte ist ein sechs Jahre altes Connemara-Pony. Er wirkt zu Beginn des Trainings schmächtig.

Das Pony muss Muskeln an Kruppe und Widerrist aufbauen. Die Haltung verrät, dass ihm Körpergefühl fehlt: Die Vorhand ist rückständig. Den Hals trägt er hoch, so dass die Unterhalsmuskulatur hervortritt.

Vor jedem Muskelaufbau: Dysbalancen auflösen

Jana Tumovec empfiehlt, das Pferd von einem Physiotherapeuten oder Osteopathen auf Ungleichheiten und Verspannungen in der Muskulatur checken zu lassen – und die Ergebnisse im Training zu berücksichtigen. "Sonst bleibt das Pferd in seinem Bewegungsmuster und baut an falscher Stelle weiter Muskeln auf. Wie das ausgleichende Training aussieht, ist individuell", erklärt sie.

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Vor dem Muskelaufbau empfiehlt es sich zuerst die Dysbalancen aufzulösen.

Für die Tragkraft sind gute Muskeln an folgenden Rumpfträgern wichtig:

  • Brust,
  • Bauch,
  • Kruppe,
  • Hinterhand und
  • Oberhals mit dem Musculus Serratus Ventralis.

Beispiel Bonaparte: Die Rückenplatte

Der Bodycheck ergab: Körperlich und mental ist der Sechsjährige noch nicht fit, um ein Reitpferd zu sein. Er hat einen extrem hohen Tonus (Spannungszustand) in der großen Rückenfaszie. Sie zeichnet sich wie eine Platte ab. Um diesen Zustand zu lösen, arbeitete die Trainerin Bonaparte zu Beginn seines Trainings in tiefer Kopf-Hals-Haltung. "Das ist aktive Dehnung für den Rücken. Als Gegenspieler zum Bauchmuskel muss der Rücken loslassen können. Sonst kann das Pferd keine Bauchmuskeln aufbauen."

Übung 1: Parcours mit Tempounterschieden, Volten und Cavaletti

Zum Aufwärmen zehn Minuten Schritt führen. Dann den Parcours im Schritt starten.

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Quitzsch
Übung 1: Parcours mit Tempounterschieden, Volten und Cavaletti.

Bauen Sie bei E ein Cavaletti oder eine Bodenstange auf dem Hufschlag auf. In die Ecken stellen Sie je eine Pylone. Das Pferd geht an der Longe. Sie laufen auf Schulterhöhe mit dem Pferd im Schritt mit. Nutzen Sie jede Ecke und jeweils die Mitte der kurzen und langen Seite (außer bei E) für eine Volte. Bei E tritt das Pferd über das Cavaletti.

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Übung 1: Den Parcours im Schritt starten.

Steigerung: Variieren Sie das Tempo innerhalb der Gangart. Beispiel: An der kurzen Seite nehmen Sie das Tempo etwas zurück. An der langen Seite steigern Sie das Tempo. "Viele Reiter kommen vors Pferd, wenn sie schneller vorwärts wollen. Das bremst aber.

Achten Sie darauf, von hinten zu treiben", rät Jana Tumovec. Je mehr das Pferd ins Gleichgewicht findet, können Sie auch Trab einbauen – zunächst auf den geraden Linien, das ist einfacher.

Physio-Effekt: Langsam arbeiten fördert die Tiefensensibilität

Scheuchen Sie das Pferd nicht vorwärts. "Ich verstehe als Fleiß, dass mein Pferd sensibel auf die Hilfen reagiert", meint Jana Tumovec. Das Pferd lernt neue Bewegungsmuster am besten aus der Ruhe heraus.

Die Rezeptoren der Tiefensensibilität (Propriozeptoren) nehmen wahr, wo sich der Huf gerade im Raum befindet. Training beeinflusst die Anzahl der Propriozeptoren. Bei schnellen Bewegungsabläufen nehmen die Rezeptoren gröber wahr, bei langsamen feiner. Im ruhigen Tempo wird die Bewegung also differenzierter abgespeichert.

Ist der Bewegungsablauf harmonisch und flüssig, kann der Reiter das Tempo erhöhen, ohne dass die Bewegung an Qualität einbüßt. Geduld am Anfang zahlt sich also später aus. "Das ist wie bei Kampfsportbewegungen, oder wenn man das erste Mal einen Golfball schlagen soll – da hilft es nicht, wenn man die Technik schnell ausführt. Vielmehr übt man bis zur Perfektion fast in Zeitlupe."

Übung 2: Takt finden im Trab mit aktivem Serratus-Muskel

Longieren Sie im Trab ohne Hilfszügel am Kappzaum. Das Genick soll offen sein, Sie verlangen noch keine Stellung. Oberste Priorität hat immer der Takt, denn daraus ergibt sich Losgelassenheit. Der Musculus Serratus Ventralis ist der wichtigste Rumpfträger. Im ruhigen Trab lässt sich dieser Muskel gut trainieren.

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Übung 2: Takt finden im Trab mit aktivem Serratusmuskel.

Achten Sie auf den Pferdehals: Springt der Serratus-Muskel an, loben Sie mit der Stimme. So konditionieren Sie das Pferd auf die Haltung. "Ich lobe dann beim Longieren nur noch dafür. So begreifen Pferde das schnell", sagt die Expertin. Ein gutes Timing ist entscheidend.

Merken Sie sich: In welcher Kopf-Hals-Position arbeitet der Muskel? Das Anspringen des Serratus erkennen Sie durch Muskelspiel in dem Bereich. Anfangs schaffen Pferde vielleicht eine Zirkelrunde mit aktivem Serratus. Danach gibt es eine Schrittpause.

Mögliche Probleme: Trägt das Pferd den Kopf zu hoch, können optische Bodenreize wie Gassen den Weg in die Tiefe weisen. Kommt der Kopf zu tief, geben Sie einen kurzen Aufwärtsimpuls am Kappzaum. Arbeiten Sie immer nur so lange, wie das Pferd mit aktivem Serratus-Muskel läuft. Das Ziel sind fünf Minuten Trab auf jeder Hand. Bis dahin kann es einige Monate dauern.

Physio-Effekt: Die Wohlfühl-Haltung wird sich verändern

Bei Bonaparte ist der Serratus-Muskel aktiv, wenn er seinen Kopf auf Höhe des Buggelenks trägt. Das muss aber nicht bei jedem Pferd so sein. Daher zählt gute Beobachtung, um die individuelle Serratus-Haltung herauszufinden. "Nach vier bis sechs Wochen ändert sich diese durchs Training. Vielleicht ist der Kopf dann höher – das ist ganz normal."

Übung 3: Übertreten auf gebogener LInie

Führen Sie das Pferd auf gebogener Linie auf dem vierten Hufschlag. Bremsen Sie es aus der Vorwärts-Bewegung leicht ab, indem Sie vorne in den Kappzaum greifen. Ihr Bauchnabel zeigt dabei Richtung Pferdeschulter und Sie leiten ein Schulterherein ein. Bleiben Sie dabei auf der Zirkellinie. Üben Sie anfangs eine Viertel-Runde auf jeder Hand. Steigern Sie die Dauer langsam.

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Übung 3: Übertreten auf gebogener Linie - korrekt.

Physio-Effekt: Den Rumpf heben

Viele Pferde überstellen sich, weil ihnen Stabilität im unteren Halsansatz fehlt. Sie driften über die Schulter (siehe gestelltes Foto).

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Übung 3: Übertreten auf gebogener Linie - so nicht.

Das Abbremsen wirkt dagegen. Das Pferd verkürzt sich und hebt den Rumpf an. Die Übung mobilisiert Schultern und Becken und trainiert viele Rumpfträger zugleich.

Übung 4: Zirkel variieren – Kleiner und größer mit visuellen Bodenreizen

Bauen Sie zwei Mal wöchentlich mit Hütchen oder Ufos Tore auf zwei Zirkellinien auf.

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Übung 4: Zirkel variieren.

Die optischen Reize dienen Pferd und Mensch als Orientierung. Der Blick nach unten weist Pferden zudem den Weg in die Selbsthaltung. Loben Sie anfangs immer, wenn das Pferd durch ein Tor läuft. So versteht es, dass die Tore den Weg weisen und Sie müssen weniger mit der Longe einwirken.

Longieren Sie das Pferd erst drei Runden auf dem äußeren Zirkel, dann drei Runden auf dem inneren Zirkel. Handwechsel. Wiederholung auf der anderen Hand.

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Übung 4: Zirkel variieren: Kleiner und größer mit visuellen Bodenreizen.

Steigerung: Longieren Sie je zwei Runden auf dem großen, zwei Runden auf dem kleinen Zirkel. Klappt das, können Sie jede Runde den Zirkel verkleinern und vergrößern.

Physio-Effekt: Entspanntes Genick als oberstes Gebot

Das Genick ist aus osteopathischer Sicht die übergeordnete Schlüsselregion für Losgelassenheit. Dazu gehört funktionell auch der Kiefer. Verspannungen und Blockaden in dieser Region tragen sich durch die gesamte Wirbelsäule weiter. Sie betreffen also den ganzen Rücken.

Verspannt sich das Pferd im Genick, beendet Jana Tumovec die Übung sofort und baut eine Pause ein. "In die Verspannung zu trainieren, ist immer kontraproduktiv", erklärt die Osteopathin.

Mögliche Zeichen für ein verspanntes Genick: Der Bewegungsablauf wirkt unharmonisch – oder das Pferd zeigt Abwehrverhalten wie Kopfschlagen. Auch psychische Überforderung zählt als Verspannung. "Denn Körper und Psyche sind ein sich ständig gegenseitig beeinflussendes System."

Beispiel Bonaparte: Stellung vom Hinterbein aus erarbeiten. Der Wallach lief anfangs mit geradem Genick, also in neutraler Position. "Innenstellung verlange ich erst, wenn das Pferd balanciert ist", sagt Tumovec. "Zupfe ich mit der Longe nach innen, spannt das Pferd nur dagegen – und macht sich im Genick fest."

Auf dem Zirkel kommt die Innenstellung von selbst, wenn der Longenführer vermehrt das innere Hinterbein treibt. Es bewegt sich dann Richtung Schwerpunkt und nimmt Last auf.

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Der Trainingsplan zum Mitmachen.

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