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Billigtarif?

Vorgesehen war ein neuer Blogeintrag erst für morgen, mein Terminkalender lässt grüssen. Doch bei der frühmorgendlichen Zeitungsdurchsicht habe ich meine Pläne über den Haufen geworfen:

Die Berner Zeitung von heute verkündet in grossen Buchstaben, dass der Strompreis in der Schweiz „weit unter dem Marktniveau“ liege. Im Kasten rechts neben dem Artikel steht dazu folgendes:

“Die Konsumentenorganisationen jubeln nicht über die tiefen Strompreise in der Schweiz, weil sie offenbar noch nicht gemerkt haben, wie weit diese unter den Marktpreisen liegen. Stattdessen mäkeln sie am Tarif, den die nationale Netzgesellschaft Swissgrid über das Übertragungsnetz verrechnet. Dieser Tarif beträgt durchschnittlich 1.8 bis 2 Rappen pro Kilowattstunde. Die Elektrizitätskommission muss ihn nun überprüfen. Gemessen an den Einsparungen gegenüber den Marktpreisen fällt der Swissgrid-Tarif aber wenig ins Gewicht.“

Beim Lesen dieser Zeilen musste ich zweimal nach Luft schnappen, war dann jedoch hellwach und entschlossen, mein Tagesprogramm umzustellen- und mit Blogschreiben zu beginnen.

Sehr geehrter Herr Guggenbühl, gestatten Sie mir einige Worte zu den oben zitierten Zeilen, die aus Ihrer Feder stammen:

Bestens bekannt ist uns beim Konsumentenschutz die Preissituation der Schweiz im Vergleich zu den umliegenden Ländern- auch im Strommarkt. Dieses „Über-den Gartenzaun-schauen“ ist eine der regelmässig wiederkehrenden Aufgaben. Damit haben wir bereits diverse Übel aufdeckt: Oftmals handelt es sich um ungerechtfertigte Preisdifferenzen, die zu Ungunsten der schweizerischen Konsumentenschaft ausfallen. Aktuelles Stichwort dazu: Parallelimport und Aufhebung der nationalen Erschöpfung.

Beim Strompreis, das haben Sie richtig erwähnt, ist die Schweiz ausnahmsweise eine Tiefpreisinsel.

Im zweiten Teil wird Ihr Kastentext nun etwas konfus: Mit einer kühnen Aussage stellen Sie den Strompreis in Verbindung mit den Netznutzungskosten. Die noch gültige und historische Berechnungsart der Stromgebühren prägt, auch Ihr Verständnis für die Zeit nach der (Teil-) Liberalisierung.

Strompreise und die Netznutzungstarife werden zukünftig getrennt ausgewiesen, auf der Rechnung beim Kunden und in der Buchhaltung der Energieversorgungsunternehmen. Der Tarifgestaltungskampf hat begonnen, zwar noch nicht bei den Strompreisen, wie Sie richtig feststellen. Welchen Tarif jedoch die nationale Netzgesellschaft Swissgrid vorgibt, hat Auswirkungen, die Ihnen vielleicht zu wenig bewusst sind. Ich bezeichne es als Dominoeffekt, der jede Netzebene -und damit jedes Energieversorgungsunternehmen- und am Schluss den einzelnen Konsumenten, die einzelne Konsumentin betrifft. Es ist Match-entscheidend, welcher Swissgrid-Tarif von der ElCom, der Aufsichtsbehörde, für richtig angesehen wird.

Herr Guggenbühl, Sie erkennen bestimmt: Ich bin mit Ihnen gar nicht einverstanden, dass dieser Tarif „wenig ins Gewicht“ fällt. Deswegen haben wir uns vor Wochen an die ElCom gewandt und sie aufgefordert, diesen Knackpunkt genau unter die Lupe zu nehmen.

In einem Punkt stimme ich Ihnen jedoch voll und ganz zu: Noch gibt es in der Schweiz keinen Anreiz, Storm zu sparen. Weit weg befinden wir uns von der Vision einer 2000 Watt-Gesellschaft und es sind keine ernsthaften Bestrebungen im Gang, den stetigen Anstieg des Stromverbrauchs um rund ein Prozent zu stoppen.

Herr Guggenbühl, gerne erkläre ich Ihnen die Problematik. Ab sofort widme ich mich zwar meinem Terminkalender-Programm, doch da hat auch ein unvorhergesehenes Telefongespräch noch Platz.

Sara Stalder

Geschäftsleiterin Stiftung für Konsumentenschutz