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Fettes Täuschungsmanöver

Gemütlich trinke ich einen Kaffee und blättere dazu in der Sonntagspresse.

Auf den ersten Blick höchst erfreulich, was ich da lese: Eine weitere Automarke hat endlich begriffen, dass es möglich ist, Fahrzeuge zu entwickeln, die wenig Sprit brauchen. Ein ganzseitiges Inserat zeigt einen sportlichen, hochglänzenden Audi. Darunter kann ich lesen, dass diese Nobelkarosse viel Kraft hat (was ich bereits vermutet habe) und dass diese Kraft effizient eingesetzt wird (was mich hingegen sehr verblüfft). Im fettgedruckten Titel steht „1.3 l/100 km“!

Unglaublich! Der Inseratentext lässt mich nicht los und ich und nehme die Zeitungsseite etwas näher. Was unten steht, ist in deutlich kleinerer Schrift geschrieben und bedarf meiner gesamten Aufmerksamkeit. Nebst winzigen Buchstaben wird es auch noch recht verzwickt. Mit einem Sternchen ist im Text markiert, dass weitere Informationen irgendwo zu finden sind. Es vergehen einige Minuten, bis ich die wenigen Zeilen vollumfänglich begriffen habe.

Vor mir liegt ein Meisterwerk von findigen Marketingspezialisten. Dem kleingedruckten Text entnehme ich, dass dieser angepriesene Audi sich in der Energieeffizienz-Kategorie D befindet, was im Klartext bedeutet, dass drei effizientere Kategorien existieren. Der CO2-Ausstoss liegt 35 g/km über dem Mittelwert aller Neuwagenmodelle. Dieses Fahrzeug hat also einen Kohlenstoffdioxid-Ausstoss, der weit über dem Durchschnitt liegt. Und doch versucht man mir weiszumachen, dass hier ein Auto abgebildet ist, dass viel Kraft effizient einsetzt.

Was hat es also mit diesen fettgedruckten 1.3 Litern auf sich? Dieser Durchschnittswert bezieht sich auf einen Sitzplatz- natürlich nur, wenn man die Option wählt und eine dritte Sitzreihe einbauen lässt. Dann verfügen sieben Insassen über einen Sitzplatz. Umgerechnet aufs Auto ergibt das einen Treibstoffverbrauch über 9 Liter pro 100 Kilometer!

Der Kaffee ist nach dieser Lese- und Rechenübung erkaltet. Ich verlasse Küchentisch und Gemütlichkeit und mache einen Abstecher auf die Homepage von „energie schweiz“. Dort lese ich von den Bestrebungen der Schweiz, dass Neuwagen ab 2008 einen Verbrauch von 6.4 Liter pro 100 Kilometer haben und der CO2-Ausstoss auf 155 g/km gesenkt wird. Im Vergleich wird klar, dass die EU ambitiösere Ziele hat als die Schweiz und den Ausstoss deutlicher senken will.

Ich surfe weiter und entnehme der Seite von „topten“, dass sehr uneffiziente Autos in etwa die Werte aufweisen, die bei der Audi-Reklame klein aufgeführt sind.

Und was bedeutet eigentlich Uneffizienz bei Fahrzeugen? Für mich heisst das klipp und klar: Die Hersteller kümmern sich in keiner Art und Weise um vorgegebene Richtwerte zur Verminderung der Umweltverschmutzung.

Wie steht es gross in der Broschüre von „energie schweiz“? „Entscheiden muss letztlich, wer ein Auto kauft.“ Dazu braucht es aber klare und sachliche Informationen und nicht das Vorgaukeln von falschen Tatsachen.

Ich reisse die Seite aus der Zeitung. Täuschende Werbung ist nach dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht gestattet. Die fetten 1.3 Liter werden mich in dieser Woche beruflich noch beschäftigen!

Sara Stalder

Geschäftsleiterin Stiftung für Konsumentenschutz