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Öffentlicher Verkehr: Weniger ist mehr

Tarife und Angebote für Familien, Senioren, Pendler oder Twens, für solche, die oft oder fast nie mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs sind, die zur Arbeit fahren oder ins Erholungsgebiet, die am Morgen oder während des Tages unterwegs sind: Der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) hat einen ganzen Strauss an möglichen neuen Billetten und Abonnements für diese Zielgruppen, Bedürfnisse und Mobilitätsansprüche präsentiert.

Warum der Gedanke nahe liegt, das Sortiment zu erweitern, leuchtet ein: Personen, welche den öffentlichen Verkehr nicht nutzen oder kaum kennen, sollen Anreize erhalten, dieses Transportmittel zumindest gelegentlich zu benutzen. Jeden Morgen und Abend kommt der öffentliche Verkehr durch die Pendlerströme an seine Grenzen, während tagsüber die Züge halb leer fahren. Es macht Sinn, dass die Züge auch ausserhalb der Spitzenzeiten besser ausgelastet werden.

Die möglichen neuen Billete und Abonnemente, welche der VöV in einer Vernehmlassung vorgestellt hat, stossen deshalb auf Zustimmung: Ein zugeschnittenes Abonnement für die Pendler, ein GA-Light für solche, die nicht allzu häufig auf nationalen Strecken unterwegs sind, Sparbillette und kontigentierte, rabattierte Billette und Tageskarten oder saisonal angepasste Tarife für touristische Angebote.

Wir sehen das etwas kritischer.

Bei den Abonnementen sehen wir durchaus Möglichkeiten, ein breiteres und angepasstes Angebot zu schaffen, auch touristische Angebote können – je nach Saison – im Preis variieren. Soll es aber bei den Billetten einen Basar geben wie bei den Flugtickets? Wer zur richtigen Zeit bucht und reist, kommt günstiger davon, wer das verpasst, nicht kann oder nicht weiss, zahlt mehr?

Es gibt auch noch andere Argumente gegen die Auflösung des Prinzips “Eine Leistung – ein Preis”: Soll ein neues Kundensegment angesprochen werden, darf man nicht noch höhere Hürden schaffen. Die Billetautomaten sind schon Hürde und kompliziert genug. Mit noch mehr Angeboten und Varianten wird die Bedienung gerade für Ungeübte noch eine grössere Herausforderung. Auch wer sich an den Schalter begibt, ist nicht sicher, ob er das günstigste Billet bekommt – das melden Konsumenten immer wieder, wenn sie etwas komplexere Produkte wie ein Billet ins Ausland kaufen.

Und zu guter Letzt:  2012 haben die SBB rund 440’000 Reisende gebüsst, weil sie kein oder nur ein teilweise gültiges Billet vorweisen konnten. Mit einem breiteren Sortiment bei den Billetten wird diese Situation nicht entschärft, im Gegenteil – was die Reisenden zum einen mit Sparbilletten einsparen, wird zum anderen wieder in die Bussenkasse der SBB und anderen Transportunternehmen fliessen.

Sara Stalder

Geschäftsleiterin Stiftung für Konsumentenschutz