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Strommarkt: Liberalisierung ja, aber nur mit Begleitmassnahmen

Im Grundsatz befürwortet der Konsumentenschutz die vorgesehene Strommarkt-Liberalisierung, da die heutige Situation der «gebundenen» Konsumenten nicht zufriedenstellend ist und den Markt verzerrt. Im vorliegenden Entwurf der Revision fehlen allerdings wichtige Rahmenbedingungen, damit die Strommarkt-Liberalisierung für die kleinen Konsumenten eine sinnvolle Neuerung darstellt.

Bis am 31. Januar 2019 dauert die Vernehmlassungsfrist zur Revision des Stromversorgungsgesetzes, die den lange geforderten Schritt zur Strommarkt-Liberalisierung beinhaltet. Ohne griffige Begleitmassnahmen stellt die Liberalisierung für die Konsumenten allerdings keinen Fortschritt dar. Sie verkäme zu einer nutzlosen Alibiübung, was der Konsumentenschutz nicht befürworten kann. Der Konsumentenschutz äussert sich deshalb im Rahmen der Vernehmlassung ausführlich zur geplanten Revision.

Allgemein bestehen aus Konsumentensicht zum jetzigen Entwurf des Stromversorgungsgesetzes viele Fragezeichen, da diverse konsumentenrelevante Aspekte erst in Verordnungen geregelt werden sollen. Diese können zugunsten der Konsumenten, aber auch gegenteilig ausfallen, was die Vorlage zu einer konsumentenrechtlichen Blackbox macht.

Die fünf wichtigsten Rahmenbedingungen

  1. Saubere Grundversorgung

Die Grundversorgung soll zu 100% aus einheimischer Energie bestehen, was der Konsumentenschutz begrüsst. Dass die Grundversorgung aber nur «überwiegend», also zu mindestens 50%, auf erneuerbarer Energie beruht, ist in Anbetracht des grossen Rückhalts der Bevölkerung für die Energiestrategie 2050 ungenügend. So werden zu wenig Anreize für Investitionen in neue erneuerbare Kraftwerke geschaffen und ein Abschied aus der unrentablen und umstrittenen Atomkraft rückt in weite Ferne. Die Grundversorgung muss einem «Green Default» entsprechen und zu 100% aus einheimischer, erneuerbarer und umweltfreundlicher Energie bestehen.

  1. Keine unreglementierte Ersatzversorgung

Der Konsumentenschutz sieht in der unreglementierten Ersatzversorgung ein grosses Missbrauchspotenzial, weil die Stromtarife darin nicht überwacht werden. Er schlägt vor, dass Konsumenten, die es verpassen, einen neuen Anbieter mit der Stromlieferung zu beauftragen, automatisch in die geregelte Grundversorgung aufgenommen werden und nicht wie vorgesehen in eine Ersatzverordnung kommen.

  1. Keine überhöhten Grundgebühren mehr

Es muss ausgeschlossen werden, dass den Endkonsumenten weiterhin überhöhte Grundgebühren angerechnet werden können. Mit den heutig gängigen Grundgebühren werden Anreize fürs Stromverschleudern gesetzt, was der Bundesverfassung (Art. 89 Abs. 1), dem StromVG (Art. 14 Abs. 3 Bst. e) sowie dem Verursacherprinzip widerspricht. Stromsparen muss belohnt werden.

  1. Verbot automatischer Vertragsverlängerungen (keine Knebelverträge)

Automatische Vertragsverlängerungen (oft um 12 Monate) sind in diversen Branchen (Fitnessabos, Zeitschriftenabonnemente) üblich und ein grosses Ärgernis für den Kunden: Dennin der Praxis liest kaum jemand die das Kleingedruckte (AGB) vollständig und denkt zusätzlich daran, fristgerecht zu kündigen. Besteht eine Regelung für eine maximale Vertragslaufzeit, ist anzunehmen, dass die EVU versuchen werden, eine automatische Vertragsverlängerung (z.B. um 12 Monate) bei Nichtkündigung in ihren AGB festzuhalten. Der Konsumentenschutz fordert daher ein Verbot solcher Knebelverträge und befürwortet eine Regelung, wonach Kunden jederzeit nach Ablauf der Vertragsdauer von 12 Monaten mit einer Frist von maximal 2 Monaten kündigen können.

  1. Faire Kundengewinnung

Aggressive Akquisitionspraktiken wie z.B. bei den Krankenversicherungen, müssen bei der Strommarkt-Liberalisierung von vornherein ausgeschlossen werden. Telefonwerbung und Haustür-Verkauf müssen ausdrücklich verboten werden, und die Kunden müssen ein 14-tägiges Widerrufsrecht haben, um sich in ihrer Wahl zum Stromangebot sicher zu sein.

Die vollständige Stellungnahme des Konsumentenschutzes zur Revision des Stromversorgungsgesetzes:

Stellungnahme Stromversorgungsgesetz