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Gerichtsprozesse sind und bleiben zu teuer

Gerichtsprozesse sind in der Schweiz viel zu teuer. Nur wer über entsprechende finanzielle Mittel verfügt, kann seine rechtlichen Ansprüche gerichtlich durchsetzen. Das ist ein grosses gesellschaftliches Problem. Während die Kantone die Höhe der Prozesskosten frei bestimmen dürfen, sollte auf Bundesebene mit der Revision der Zivilprozessordnung (ZPO) der Zugang zu den Gerichten erleichtert werden. Diese Revision wurde am 16. März 2023 unter dem Titel «Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung» vom Parlament beschlossen. Doch es hält nicht, was man während der Revision versprach: Die Kostenhürden bleiben zu hoch und der Zugang zum Recht wurde nicht wirklich verbessert.

Gerichtsprozesse sind in der Schweiz viel zu teuer. Dennoch hat das Parlament in Bezug auf die Prozesskostenregeln in der ZPO-Revision nur zwei Änderungen vorgenommen:

1. Kostenvorschuss halbiert, Kostenrisiko unverändert hoch

Die erste Änderung betrifft den Kostenvorschuss. Zurzeit können die Gerichte die gesamten mutmasslichen Prozesskosten als Kostenvorschuss von der klagenden Partei verlangen. Neu dürfen nicht mehr die gesamten, sondern nur noch die Hälfte der mutmasslichen Kosten als Vorschuss eingefordert werden. Dies ist zwar ein wichtiger, aber sehr kleiner Schritt in die richtige Richtung: Die Prozesskosten werden weiterhin von den Kantonen festgelegt – an der Höhe der Prozesskosten ändert sich nichts.

Das finanzielle Risiko, welches ein Gerichtsverfahren mit sich bringt, bleibt mit der beschlossenen ZPO-Revision unverändert: für einen Grossteil der Schweizer Bevölkerung und auch für die Schweizer KMU zu hoch. Zu Unrecht wurde uns diese Änderung von der Politik als Verbesserung des Zugangs zu den Gerichten verkauft.

2. Inkassorisiko bei Gericht statt obsiegender Klägerin

Die zweite Änderung betrifft das Inkasso der Gerichtskosten. Zurzeit trägt die klagende Person das Inkassorisiko für die Gerichtskosten. Dies bedeutet: Das Gericht verlangt die Gerichtskosten als Vorschusszahlung von der Klägerin bevor es die Klage überhaupt behandelt. Obsiegt die Klägerin, wird der Beklagte zur Bezahlung der Gerichtskosten verurteilt. In der Folge muss die Klägerin die von ihr vorgeschossenen Gerichtskosten beim Beklagten einfordern.

Mit der beschlossenen ZPO-Revision übernimmt neu das Gericht das Inkassorisiko. Das bedeutet, dass die vorgeschossenen Gerichtskosten an die obsiegende Klägerin zurückbezahlt und durch das Gericht beim Beklagten eingetrieben werden. Dabei handelt es sich nicht um einer Verbesserung des Zugangs zu Gerichtsprozessen, sondern um die Korrektur eines unhaltbaren Zustandes.

Fazit: Kaum Verbesserungen

Die beschlossene Revision der ZPO erleichtert weder den Zugang zum Gericht noch verbessert sie die Rechtsdurchsetzung wesentlich.

Das Parlament war und ist leider nach wie vor nicht gewillt, die Gerichtskosten zu reduzieren. Dieser Unwille offenbarte sich zuletzt im Nationalrat, der eine Reduktion der Gerichtskosten in der Motion von Lukas Reimann mit dem Titel «Eingeschränkter Zugang zur Justiz. Recht und Gerechtigkeit für alle sicherstellen!» ablehnte.

Die Politik stellt sich einhellig, aber zu Unrecht, auf den Standpunkt, dass «für die angesprochene Problematik» im Rahmen der Revision der Zivilprozessordnung Lösungen gefunden worden seien.

Prozessieren in der Schweiz bleibt weiterhin viel zu teuer und eine Verbesserung des Zugangs zu den Gerichten ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

 

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