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SBB lenken bei Personentracking ein

Die Publikation der Ausschreibungsunterlagen zum «Kundenfrequenz-Messsystem 2.0» der SBB führte zum Aufschrei. Nun lenken die SBB ein. Dennoch bleibt die Frage nach der zunehmenden Kommerzialisierung der Bahnhöfe.

Die Schweizer Medien debattierten in den vergangenen zwei Wochen über die Erneuerung ihrer Kundenfrequenzmesssysteme der SBB, die im Februar publik wurde. Die Ausschreibungsunterlagen liessen Interpretationsspielraum offen, welche Daten die SBB zukünftig zu welchen Zwecken beschaffen möchten. Den Konsumentenschutz erreichten unzählige Zuschriften von verunsicherten Konsumentinnen, weshalb Geschäftsleiterin Sara Stalder die Verantwortlichen der SBB zu einem klärenden Gespräch traf.

Nach dem öffentlichen Aufschrei zeigen sich die SBB einsichtig und verzichten nun ganz auf die Erhebung von Kundensegmentdaten. Die Option, Kundensegmente nach Alter, Geschlecht oder Grösse zu erheben, wird widerrufen, die Ausschreibungsunterlagen entsprechend angepasst. Sara Stalder begrüsst diese Fahrplanänderung: «Der Konsumentenschutz ist sehr erfreut, dass die SBB auf die massive Kritik zum geplanten Messystem reagiert. Wir werden weiterhin beobachten, wie die SBB ihre Vorhaben in den Bahnhöfen konkret anpassen und umsetzen werden – auch bei den Bodycams.»

SBB beteuerte, nur anonyme Daten sammeln zu wollen

Während der gesamten Debatte beteuerten die SBB, dass sie nur anonyme Daten sammeln werden – es sollte also zu keinem Zeitpunkt ein Rückschluss auf eine Person möglich sein, auch nicht bei der Messung. Die anonymen Daten wollten die SBB in zusammengefassten Statistiken (aggregiert) mit den Shops teilen. Mit diesem Vorgehen stellten die SBB sicher, dass die erhobenen Daten nicht unter das Datenschutzgesetz fallen, weil der Personenbezug gefehlt hätte.

Die SBB und die Debatte ums Personentracking im öffentlichen Raum

Die Reaktionen zum Personentracking an Bahnhöfen zeigen, dass es einen gesellschaftlichen Diskurs braucht: Bisher wird Tracking vor allem als virtuelles Phänomen betrachtet, dem man sich – zumindest teilweise – entziehen kann. Im Bahnhof oder an anderen öffentlich zugänglichen Orten fehlen derweil realistische Umgehungsmöglichkeiten. Für die Gesellschaft stellen sich dann Fragen wie: Wann, wo und in welchem Ausmass akzeptieren wir im öffentlich zugänglichen Raum das Tracking von Personen? Und zu welchen Zwecken dürfen die dort erhobenen Daten verwendet werden?

Der Bundesrat weicht aus

Konsumentenschutz-Präsidentin Nadine Masshardt wollte vom Bundesrat wissen, ob er das Personentracking im öffentlichen und öffentlich zugänglichen Raum regulieren wolle. Auch weitere Ratsmitglieder von SVP bis Grüne reichten Fragen und Interpellationen zum Personentracking in Bahnhöfen ein. Die Antworten von Neo-Verkehrsminister Albert Rösti enttäuschten aber durch völlige Substanzlosigkeit. Die Frage, ob ÖV-Kundinnen akzeptieren müssten, dass sie getrackt werden und weshalb, blieb unbeantwortet. Und auch zur Regulierung von Personentracking im öffentlich zugänglichen Raum verlor der Departementschef des UVEK kein Wort.

SBB Immobilien: Bahnhöfe sollen eine «Wertsteigerung» erfahren

Die misslungene Ausschreibung des Kundenfrequenzmesssystems der SBB macht insbesondere ein übergeordnetes Problem sichtbar: Die Kommerzialisierung der Bahnhöfe. Verkaufsflächen werden mit Slogans wie «attraktive Locations für Retail und Services» und «mit begehrten Werbeplätzen» angepriesen. Die SBB verdienen mit ihnen Millionen. Der wachsende Kommerz kommt bei vielen Reisenden aber schlecht an. Die SBB müssen sich auch nach der Datenschutzdebatte die Frage stellen lassen, wie sie den Spagat zwischen Kommerz und Service Public in Zukunft schaffen wollen. Ihre Aufgabe ist es, einen sinnvollen Mittelweg für die Bewirtschaftung der Bahnhöfe zu finden. Der Konsumentenschutz begleitet diese Entwicklung kritisch.