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Grundrecht auf digitale Unversehrtheit in die Verfassung

Eine parlamentarische Initiative will die digitale Unversehrtheit als Grundrecht in der Schweizerischen Verfassung verankern. Als Teil der persönlichen Freiheit nach Artikel 10 Absatz 2 Bundesverfassung soll sie die digitale Identität der Bevölkerung schützen.

Die politisch breit abgestützte parlamentarische Initiative von Samuel Bendahan (SP) möchte die Bundesverfassung um den Schutz der digitalen Unversehrtheit erweitern. Damit würde die digitale Integrität grundrechtlich geschützt, analog zur körperlichen und geistigen Unversehrtheit (Art. 10 Abs. 2 BV). Konkret möchte die Initiative erreichen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten mehr Kontrolle über ihre digitale Identität erhalten. Die Initiative will das Recht von Bürgerinnen und Bürger auf Einsicht ihrer Daten stärken. Sie sollen jederzeit erfahren können, wie Anbieterinnen ihre Daten sammeln und verwenden.

Was nützt die digitale Unversehrtheit als Grundrecht?

Das Bundesgericht stützt die informationelle Selbstbestimmung bisher auf Art. 13 Abs. 2 BV (BGE 138 II 346 E. 8.2), der vor Missbrauch der persönlichen Daten schützt. Was aber bisher fehlt, ist ein ausdrückliches Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, im Sinne einer digitalen Unversehrtheit. Mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative würde sich das ändern.

Ein Grundrecht auf digitale Unversehrtheit ist deshalb ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, weil Konsumentinnen damit einen grundrechtlichen Schutz erhalten, der ohne weitere Bedingungen gilt. Das ist mit dem heutigen Art. 13 Abs. 2 BV nicht der Fall, weil dieser nur vor einem Missbrauch der persönlichen Daten schützt. Liegt kein Missbrauch der persönlichen Daten vor, greift das Grundrecht auch nicht. Eine solche Einschränkung gibt es beim verlangten Recht auf digitale Unversehrtheit in Art. 10 Abs. 2 BV nicht. Zusätzlich hätte die digitale Unversehrtheit als Grundrecht eine präventive Wirkung: Der Staat und die Gesetzgeberinnen müssten die digitale Integrität beachten, zum Beispiel beim Erlass neuer Gesetze und Verordnungen.

Aus diesen Gründen befürwortet der Konsumentenschutz die Verankerung der digitalen Unversehrtheit in der Bundesverfassung.

Genf hat die digitale Unversehrtheit angenommen

Das Geschäft ist im Nationalrat weiterhin hängig, die staatspolitische Kommission beantragt mit 13 zu 11 Stimmen die Ablehnung. Die Kommission begründet ihren Entscheid damit, dass die bestehenden Grundrechte in der Bundesverfassung auch für die digitale Welt ausreichen würden. Dabei verkennt die Kommission, dass der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre nach Art. 13 Abs. 2 BV nur vor einem Missbrauch der persönlichen Daten schützt. Die digitale Unversehrtheit würde einen weitergehenden Schutz vor Datenbearbeitungen mit sich bringen, der heute nicht in der Bundesverfassung verankert ist. Wir empfehlen dem Nationalrat aus diesen Gründen die Annahme der parlamentarischen Initiative.

Update vom 12.12.2023: Der Nationalrat hat entschieden, dem Antrag der Kommission zu folgen. Damit ist die parlamentarische Initiative erledigt. Die Kommission hat aber angekündigt, unabhängig von diesem Ergebnis abzuklären, wo und wie eine Stärkung der digitalen Rechte angebracht ist. Eine Verfassungsänderung ist dafür laut der staatspolitischen Kommission aber nicht nötig.

Im Kanton Genf stimmte das Volk bereits am 18. Juni 2023 über die Aufnahme des Rechts auf digitale Unversehrtheit in die kantonale Verfassung ab. Die Aufnahme der digitalen Unversehrtheit wurde im Kanton Genf mit unglaublichen 94.21% angenommen. Das zeigt, dass die digitale Unversehrtheit den Stimmbürgerinnen und -bürgern ein wichtiges Anliegen ist und sendet ein deutliches Signal nach Bern.