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Elektronisches Patientendossier: Bund, Ärztinnen und Spitäler stehen in der Pflicht

Die aktuelle Situation beim elektronischen Patientendossier ist alles andere als erfreulich: Gesundheitsfachpersonen bemängeln die Funktionalität, Arztpraxen und Spitäler sträuben sich dagegen, mit den elektronischen Dossiers ihrer Patienten zu arbeiten. Entsprechend wurden auch erst sehr wenige Dossiers eröffnet. Einige der gestern vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen sind dringend nötig, um das System zukunftsfähig zu machen. Nebst dem Bund sind aber auch die Ärztinnen und Spitäler in der Pflicht, alles daranzusetzen, dass das elektronische Patientendossier im medizinischen Alltag ankommt und genutzt werden kann.

Die Zukunft ist digital, auch im Gesundheitswesen. Deshalb braucht die Schweiz dringend ein sicheres, unabhängiges und im medizinischen Alltag nutzbares elektronisches Patientendossier (EPD).

Ein Neustart könnte Jahre oder Jahrzehnte dauern

Das aktuelle System ist alles andere als perfekt. Die Funktionalität des EPD wird bemängelt und es wurden landesweit erst etwa 20’000 Dossiers eröffnet. Die Spitäler sind verpflichtet, sich dem System anzuschliessen. Mehr als die Hälfte hat dies aber immer noch nicht umgesetzt und viele weigern sich trotz Anschluss, mit den EPD der Patienten zu arbeiten. Bei den Arztpraxen ist die aktuelle Situation noch schlechter, weniger als 13% haben sich für das EPD angemeldet. Ein Projektabbruch und Neustart ist trotzdem keine Alternative. Dadurch würde dieser wichtige Schritt um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verzögert. Es könnte ein Flickenteppich von seriösen und unseriösen privaten Anbietern entstehen.

Nachholbedarf bei Ärzten und Spitälern

Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes, ist erfreut, dass der Bundesrat Massnahmen vorschlägt, sie sieht aber auch Ärztinnen und Spitäler in der Pflicht: «Die aktuelle Situation ist für Konsumentinnen und Patienten äusserst unbefriedigend. Die beteiligten Akteure müssen nun endlich an einem Strick ziehen. Rückmeldungen von Gesundheitsfachpersonen zur Alltagstauglichkeit des EPD sind ernst zu nehmen. Gleichzeitig müssen insbesondere Arztpraxen und Spitäler ihre Verweigerungshaltung aufgeben und ihre oft veraltete IT-Infrastruktur aktualisieren und das Personal befähigen, mit den EPD ihrer Patientinnen zu arbeiten.»

Für die Akzeptanz und den Nutzen für Patienten ist es unabdingbar, dass alle Leistungserbringer dem EPD-System angeschlossen sind. Dass sich die Spitäler trotz Anschlusspflicht weigern, mit den elektronischen Dossiers ihrer Patientinnen zu arbeiten, zeigt jedoch, dass dies alleine leider nicht ausreicht. Der Konsumentenschutz begrüsst deshalb, dass der Bundesrat alle Leistungserbringer verpflichten will, sich dem EPD-System anzuschliessen und behandlungsrelevante Daten im EPD zu erfassen. Dieser Schritt ist für einen Erfolg des EPD unabdingbar und längst überfällig.

Datensouveränität der Patientinnen muss respektiert werden

Zur vorgeschlagenen Opt-out-Lösung für Patientinnen sagt Stalder: «Solange die bestehenden Probleme nicht gelöst sind und die meisten Ärztinnen und Spitäler nicht in der Lage sind, mit dem EPD zu arbeiten, ist eine Opt-Out Lösung für Patienten nicht legitim. Bei Gesundheitsdaten muss die Datensouveränität der Patientinnen – also der Entscheid wo und durch wen ihre Daten bearbeitet werden – unbedingt respektiert werden. Eine Opt-Out-Lösung ist aus Sicht des Konsumentenschutzes nur denkbar, wenn automatisch erstellte EPD erst eingesehen und bearbeitet werden können, wenn dies von den Inhabern autorisiert wurde.»

Wie geht es jetzt weiter?

Die Vernehmlassung zur geplanten Gesetzesrevision dauert bis Mitte Oktober. Dann wird der Entwurf überarbeitet und anschliessend im Parlament beraten. Bis die Gesetzesanpassungen in Kraft sind und zu einer Verbesserung für Patientinnen führen, kann es also noch Jahre dauern. Der Konsumentenschutz bleibt dran und wird sich für eine rasche Umsetzung im Sinne der Konsumenten und Patientinnen einsetzen. Aktuelle Informationen zum EPD finden Sie auf der Website von ehealthsuisse.