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Microsoft Datenhandel: Xandr gibt Einblick

Ein öffentlich zugängliches Excel-Dokument von Xandr, einer Tochterfirma von Microsoft, zeigt den Detailgrad, mit denen digitale Werbetreibende uns Konsumentinnen online verfolgen. Bisher war höchstens Insidern klar, welche Unmengen von Datensegmenten für gezielte digitale Werbung genutzt wird. Das Xandr-Dokument zeigt: Die Konsumenten werden von zig Unternehmen in mindestens 650’000 Segmente klassiert.

Das Dokument stammt aus einer Dokumentation zur Software Xandr, einer Microsoft Werbeplattform, auf der zahlreiche Unternehmen Datenhandel betreiben. Es stammt aus dem Jahr 2021 und wurde vom deutschsprachigen Online-Medium netzpolitik.org und dem US-Medium The Markup kürzlich öffentlich thematisiert.

Microsoft selbst beschreibt Xandr als «einen der grössten Datenmarktplätze» und als «One-Stop-Shop für globalen Zugang zu erstklassiger Angebot und Nachfrage». Die Daten werden von 93 Unternehmen (z.B. Nielsen Marketing Cloud) gesammelt, und schliesslich auf Xandr an Werbetreibende verkauft, die sie für das Ausspielen personalisierter Werbung benutzen. Zu diesen Werbe-Kunden von Xandr gehören neben Netflix auch Schweizer Firmen, dazu gehören beispielsweise eine Bank, ein Spitalbetreiber, eine Versicherung und ein Telekommunikationsunternehmen.

Ungeahntes Ausmass

Dass Webseiten und Apps ihre Nutzer auf Schritt und Tritt verfolgen, ist nichts Neues: Die gezielte digitale Werbung ist nicht nur visuell aufdringlich, sondern klebt an Besucherinnen wie eine Klette. Über die Anzahl und den Detailgrad der Segmente konnte mensch aber bisher nur mutmassen. Das veröffentlichte Spreadsheet zeigt nicht, wieviele Personen einem Segment angehören oder wie die Datenlieferantinnen Personen in das Segment einteilen. Aber es zeigt: Die Kundschaft von Xandr bewirbt die Konsumierenden anhand von 651’463 Segmenten.

Wenn Sie sich selbst ein Bild machen möchten, können Sie die Xandr Datei mit dem Download-Knopf am Ende des Beitrags herunterladen.

Von “schwanger” bis “schizophren”

Schon 2012 erfasste die US-Supermarktkette Target anhand des Einkaufsverhaltens bei ihren Kundinnen eine allfällige Schwangerschaft. Die Microsoft Dokumente bestätigen, dass Unternehmen weltweit ähnliche Daten für das Ausspielen von personalisierter Werbung sammeln. So gibt es bei Xandr Datensegmente zu Schwangerschaften – zu bestehenden (säuberlich unterschieden in 12. – 24. Schwangerschaftswoche oder darüber), wie auch zu lediglich erhofften (“trying to become pregnant”).

Daneben gibt es zahlreiche weitere Datensegmente zum Gesundheitszustand. So verfügen die Datenlieferanten über Segmente für Krebs (auch spezifisch Brust- oder Prostatakrebs), Diabetes, Bipolare Störung oder Schizophrenie. Die dermassen kategorisierten Personen bekommen von diese «Diagnosen» in aller Regel nichts mit und haben somit auch keine Möglichkeit, sie korrigieren oder löschen zu lassen.

Besonders schützenswerte Daten gesammelt

Neben den Gesundheitsdaten erhoben die in den Xandr-Datenhandel involvierten Datensammler auch US-politische Meinungen (z.B. Donald Trump oder BLM Unterstützerinnen) oder etwa eine Zugehörigkeiten zur Gewerkschaft. In der Schweiz handelt es sich bei solchen Daten um besonders schützenswerte Personendaten, zu deren legaler Bearbeitung ein überwiegendes Interesse oder die Einwilligung der betroffenen Person nötig ist (Art. 13 DSG, ab 01.09.23 Art. 31 DSG). Zudem müssen die Betroffenen über die Datenbearbeitung informiert werden (Art. 14 DSG, ab 01.09.23 Art. 19 DSG). Als Teil dieser Information muss der Inhaber der Datensammlung, der Bearbeitungszweck und die Kategorien allfälliger Datenempfänger genannt werden.

Ob die Datensammler diese Gesetzesartikel bei der Beschaffung dieser sensiblen Daten beachten, ist fraglich. Der Grossteil der Daten im Xandr Spreadsheet wurde von US-Unternehmen gesammelt, es gibt aber auch europäische Datensammler.

Neben den sensiblen Daten zu Gesundheit und politischen Meinungen erstaunen die teils sehr spezifischen Segmente zum Konsumverhalten (siehe Box unten). Ob die Datensammler Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich derart präzise einteilen können, lässt sich nicht kontrollieren – wir bezweifeln es.

So schützt man sich

Wer datensparsam unterwegs ist (siehe auch unseren Online-Ratgeber) und einen Werbeblocker wie uBlock Origin einsetzt, verhindert automatisch Verbindungen zu Xandr und seinen Datensammlern. So werden Sie als Konsumentin oder Konsument zumindest teilweise vom Tracking verschont.

Download Xandr Excel-Datei (23 MB)

Beispiel-Zielgruppen aus den Datensegmenten:
Käuferinnen und Käufer von urbanen Skateboard Sneakern
Vegane und vegetarische Yogis
Spongebob Schwammkopf Zuschauerinnen und Zuschauer
Eigentümerinnen eines Mazda CX-9
Bedeutsame Käuferinnen und Käufer von Inkontinenzprodukten
Potenzielle Käuferinnen und Käufer von gesunden Snack-Box-Abos
Bedeutsame Käuferinnen und Käufer von Schwangerschaftstests
Personen in einem über 2 Jahre alten Haus
Personen, mit einem spezifischen MBTI-Persönlichkeitstyp