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Warum Atomkraft nicht rentabler ist

Nach dem Ja zum Klimaschutzgesetz und wegen der Strompreisexplosion werden vermehrt Stimmen laut, die die Verlängerung der Laufzeit oder sogar den Neubau von Atomkraftwerken (AKWs) fordern. Der Konsumentenschutz ist, wie auch der Bundesrat, der Überzeugung, dass Atomstrom nicht die Lösung für die Energiewende sein kann. Hier lesen Sie warum.

Bevor man über Kosten und Nutzen von Atomkraftwerken diksutieren kann, sollte man sich mit deren Energiegewinnung auseinandersetzen. Wie also funktionieren Atomkraftwerke? Die Nutzung der Atomenergie beruht auf dem Prinzip der kontrollierten Spaltung schwerer Atomkerne in angereichertem Uran. Durch die Spaltung von Atomkernen entsteht Hitze. Damit wird Wasser verdampft. Der Dampf treibt Turbinen an, die mithilfe eines Generators Strom erzeugen. Ein AKW ist somit ein thermisches Kraftwerk und fällt damit in die gleiche Kategorie wie Kohle- oder Gaskraftwerke. Von der produzierten Wärmeenergie kann jedoch nur etwa 30 % in Strom umgewandelt werden, der Rest geht durch Abwärme verloren. Dies geschieht über den Kühlturm (Gösgen und Leibstadt) oder direkt über ein Gewässer (Beznau), die sich dadurch erwärmen.

Fehlende Kostenwahrheit: Atomstrom ist der teuerste Strom

Werden alle externen Kosten im Strompreis berücksichtigt, hat die Atomenergie bei weitem die höchsten Preise. Grund dafür sind die hohen Kosten bei der Produktion des Stroms, der Instandhaltung der grossen Anlagen und der Sicherung und der Lagerung von Abfällen, wie zum Beispiel radioaktiven Brennstäben. Dies war unter anderem der Grund dafür, weshalb das AKW Mühleberg nicht mehr rentabel betrieben werden konnte. Diese externen Kostenfaktoren sind auf der Stromrechnung aber nicht integriert und werden deshalb öffentlich schlecht wahrgenommen. Früher oder später würden die Konsumentinnen und Konsumenten allerdings die wahren Kosten in Form von Steuerzahlungen zu tragen haben. Nicht zuletzt sind die Belastungen von Mensch und Umwelt hier zu erwähnen.

Konsumentinnen bezahlen unrentable AKW-Nachrüstungen

Die teuren Nachrüstungen für die überalterten AKW werden vor allem auf die kleinen Konsumenten abgewälzt, weil diese ihren Stromanbieter – im Gegensatz zu industriellen Verbrauchern – nicht selbst wählen können und dadurch im Monopol gefangen sind. So hat der Konsumentenschutz bereits 2013 kritisiert, dass der Preisunterschied für Strom zwischen gebundenen Kleinkunden und freien Grosskunden in Einzelfällen über 100 % beträgt.

Das Risiko ist weiterhin enorm hoch

Bereits zwei Mal in der Menschheitsgeschichte gab es einen sogenannten Grössten Anzunehmenden Unfall (GAU) in einem Atomkraftwerk: Tschernobyl 1983 und Fukushima 2011. Diese hatten verheerende Auswirkungen für Mensch und Natur: Ganze Landstriche wurden dauerhaft verstrahlt und die betroffenen Gebiete sind teilweise nicht mehr bewohnbar. Darüber hinaus gibt es unbekannte gesundheitliche Spätfolgen, insbesondere Krebserkrankungen und Erbschäden.

Wohin mit dem Atommüll?

Bei der Erzeugung von Atomstrom entsteht radioaktiver Atommüll. Dieser Stoff muss teilweise über tausende Jahre irgendwo gelagert werden. Inzwischen ist sich die Forschung einig, dass einzig ein Tiefenlager dafür geeignet ist. In der Schweiz muss das entsprechende Tiefenlager für den unvorstellbaren Zeitraum von einer Million Jahren sicher bleiben. Um das Jahr 2030 soll in der Schweiz die Rahmenbewilligung für ein Tiefenlager erteilt werden, um das Jahr 2060 plant man heute den Beginn der Einlagerung und irgendwann um das Jahr 2125 soll das Lager endgültig verschlossen werden. Für den Konsumentenschutz ist darum klar, dass noch mehr Atommüll keine Lösung für unser Energieproblem sein kann.

Sind neue Atomkraftwerke nicht besser?

In Europa sind zurzeit zwei «neue» Druckerwasserreaktoren der dritten Generation im Bau: in Frankreich und Grossbritannien. Ein dritter ging 2022 in Finnland mit sage und schreibe 13 Jahre Verspätung und zu dreimal höheren Kosten als geplant ans Netz. Allen dreien ist gemein, dass sie Schlagzeilen zu massiven Bauverzögerungen und Kostenexplosionen lieferten. Diese Beispiele zeigen, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass es Konsumentinnen und Konsumenten sind, welche die Zeche für solche Preissteigerungen zu zahlen haben.

Wäre die Kernfusion nicht die Lösung?

Tatsächlich wird in den USA ein Fusionsreaktor zur Forschung betrieben: 2022 ist es denn auch erstmals gelungen, im Experiment mehr Energie aus der Kernfusion zu holen, als zuvor hineingesteckt wurde. Allerdings wird es noch viele weitere Jahre dauern, bis ein Fusionskraftwerk tatsächlich Energie liefert. Bis dahin braucht es nachhaltige Lösungen und nicht vermeintlich Altbewährtes, das neue Probleme schafft.

Innovation und Investition als Chance für die Schweiz

Deshalb stützt der Konsumentenschutz den Willen und die Bestrebungen des Bundesrates, nachhaltige Energien als langfristig ökologisch sichere und finanziell tragbare Form der Energieversorgung zu fördern. Wie Bundesrätin Doris Leuthard in einem Interview betont: Die technologischen Entwicklungen innerhalb der erneuerbaren Energien schreiten rasant voran, die Kosten fallen. Es fliessen Investitionen und Arbeitsplätze werden geschaffen. Deshalb ist es enorm wichtig, dass die Schweiz diese Entwicklung aktuell für sich nutzt.