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Warum das Schweizer Strommarktsystem nicht funktioniert

Während Schweizer Stromkonzerne mit Stromhandel fette Gewinne einfahren, müssen Konsumenten 2024 erneut mehr für Strom bezahlen. Wir zeigen auf, wie das bestehende System auf dem Buckel der Konsumenten wirtschaftet.

Gerade erst wurde bekannt, dass die Strompreise im kommenden Jahr 2024 um bis zu 12 % steigen. Schuld daran ist aber nicht das Klimaschutzgesetz. Der Fehler liegt klar im schweizerischen Strommarktsystem begründet, welches einerseits an die Marktregeln der Europäischen Union EU gekoppelt ist, andererseits den Stromkonzernen die Möglichkeit gibt, selbst die Weitergabe der Strompreise zu bestimmen.

Strompreis richtet sich nach teurem Gaspreis

In der EU gilt für den Strompreis das Merit-Order-Prinzip. Dieses führt dazu, dass alle Anbieter auf dem Markt nach dem Preis des teuersten Strom-Erzeugers abrechnen. Aktuell stellen damit die Gaskraftwerke die Grundlage für die Strompreisberechnung. Die hohen Preise aus dem europäischen Ausland werden in der Schweiz direkt an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben. Dies bestätigt der Direktor des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen in der Tagesschau (Beitrag vom 20.06.23). Das schweizerische System sieht vor, dass einfache Haushalte zwingend an einen Grundversorger angeschlossen sind. Während Unternehmen von einem freien Markt profitieren und ihren Stromanbieter frei wählen können, sind einfache Haushalte an einen Anbieter gebunden und damit den verrechneten Preisen ausgeliefert.

Die hohen Preise werden den Haushalten zugerechnet

Die Verteilnetzbetreiber (lokale Elektrizitätswerke) haben zwei Möglichkeiten, wie sie die Kosten den Konsumentinnen und Konsumenten weiterverrechnen: Entweder sie verrechnen die Strom-Produktionskosten (Gestehungskosten) oder sie wenden eine Mischrechnung aus Markt- und Produktionskosten an (sog. Durchschnittpreismethode). Letztere wurde von der Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) scharf kritisiert: «Im Falle tiefer Marktpreise besteht ein Anreiz, den Verbrauchern priorisiert die höheren Gestehungskosten der eigenen Produktion in Rechnung zu stellen. Bei höheren Marktpreisen besteht umgekehrt die Möglichkeit und der Anreiz (…), dem Kunden in der Grundversorgung einen höheren Anteil der teureren Marktbeschaffung anzurechnen. Der Verteilnetzbetreiber ist dadurch nicht nur gegen tiefe Marktpreise abgesichert, sondern erhält zudem auch – auf Kosten der grundversorgten Kunden – die Gewinnmöglichkeit bei hohen Preisen.»

Mit anderen Worten: Es wird auf Kosten der einfachen Haushalte Gewinne gemacht.

Politik ist der Bevölkerung verpflichtet, nicht den Stromkonzernen

Solange die grossen Stromkonzerne wegen der Weltlage ausserordentliche Milliardengewinne einfahren während sie die Teuerung an die Haushalte abwälzen, unterhält die Schweiz ein System, das einmal mehr auf dem Buckel der einfachen Haushalte wirtschaftet. Deshalb fordert der Konsumentenschutz den Bundesrat und das Parlament auf, Konsumentinnen in der Grundversorgung in dieser ausserordentlichen Situation vor übermässigen Preiserhöhungen zu schützen. Die Politik muss insbesondere auch der Bevölkerung verpflichtet sein, nicht nur den Stromkonzernen.