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Die falsche Frage

Dieser Blog wurde am 03. Februar 2011 veröffentlicht auf www.klimablog.ethz.ch

Wie stehen die Bernerinnen und Berner einem neuen Atomkraftwerk gegenüber? Diese Frage wird am Sonntag in einer Woche im Kanton Bern geklärt und die ganze Schweiz schaut gebannt hin. Das Abstimmungsresultat wird ein wichtiger Gradmesser sein und lässt Rückschlüsse auf die ganze Schweiz zu. Zum ersten Mal kann ein Kanton zu einem neuen Atomkraftwerk Stellung nehmen – allerdings nur konsultativ – bevor sich die gesamte Schweizer Bevölkerung an der Urne äussern kann.

Nicht alle Argumente auf dem Tisch

Die Argumente der Befürworter für den Neubau lassen sich kurz zusammenfassen: Ohne Atomstrom werde uns über kurz oder lang das Licht ausgehen. Zudem stellten die Atomkraftwerke nicht nur Strom her, sondern sorgten für eine immense Wertschöpfung, sicherten wichtige Arbeitsplätze und produzierten „sauberen“ Strom, also solchen, der in Bezug auf CO2-Emissionen gut abschneidet. Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen wirbt ganz unverfroren: Bis die Zukunft mit Wind- und Sonnenstrom beginne, brauche es Kernkraftwerke. Dass im Schattenwurf von Atomkraftwerken keine Sonnenenergie-Projekte aus dem Boden spriessen, scheint er zu übersehen.

Unberücksichtigt lassen die Befürworter zudem eine Reihe ungeklärter aber elementarer Punkte: die risikogewichtete Haftpflichtversicherung, die Entsorgungskosten des alten Grosskraftwerks, die Umweltkosten beim Uranabbau und die Entsorgung des radioaktiven Abfalls. Verschwiegen wird das geplante Zwischenlager für den nuklearen Abfall. Keinen Platz wird der allgemeinen Diskussion über die zukünftige Stromerzeugungs-Strategie der Schweiz eingeräumt.

Stromsparmöglichkeiten werden beharrlich ignoriert

Zusätzlich wird einer der wichtigsten Punkte in der Stromfrage beharrlich von der Diskussion ausgeschlossen: Vor der Antwortsuche auf die Streitfrage „Erneuerung von Grosskraftwerken“ müssten alle Möglichkeiten zum Stromsparen und stromeffizientem Verhalten überdacht und umgesetzt werden. Es ist kein ideologisches Hirngespinst, dass bedeutende Stromeinsparungen ohne Einbussen in der Lebensqualität getätigt werden könnten. So bemühen sich auch vermehrt Kleinverbraucher, ihren Stromkonsum einzudämmen: Uns werden auf der Geschäftsstelle immer wieder Ideen und Tipps zugestellt. Denn auch diese Kleinverbraucher stellen sich die Frage: Warum soll der wertvolle Strom im Standby-Modus oder als überschüssige Wärme verpuffen?

Finanzielle Anreize erzeugen nachhaltige Einsparungen

Belohnt werden diese Sparbemühungen in der Regel nicht. Wer Strom spart und damit auch hilft, die Gestehungskosten dieser Sekundärenergie niedriger zu halten, spürt kaum eine Wirkung im Portemonnaie.

Nur wenige Stromverkäufer haben dies erkannt und sind vom Modell der Grundgebühr-Berechnung bei Privathaushaltungen abgekommen. Wer nämlich sorgsam und sparsam mit Strom umgeht, spürt dies sonst kaum. Die hohe Grundgebühr bleibt unverändert und nur in einem kleinen Teil der Rechnung schlagen sich die Einsparungen nieder.

Falsche Abstimmungsfrage

Wird die Stromfrage in der richtigen Reihenfolge angegangen, steht die Schaffung finanzieller Anreize zur Einsparung von Strom an erster Stelle.

Verstehen Sie, dass ich der Meinung bin, dass den Bernerinnen und Berner übernächsten Sonntag definitiv die falsche Frage vorgelegt wird? Sara Stalder

Geschäftsleiterin Stiftung für Konsumentenschutz