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Finanzdienstleistungsgesetz: Gefahr besteht nicht in Über- sondern Unterregulierung

Der Verband Schweizer Vermögensverwalter sieht beim Finanzdienstleistungs- und Finanzinstitutsgesetz die Gefahr einer Überregulierung, viel realer ist jedoch die Gefahr einer zu schwachen Regulierung. Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) fordert deshalb, dass die ständerätliche Wirtschaftskommission (WAK-S) den Anlegerschutz aus- und nicht abbaut. Die WAK-S berät am Montag über die beiden dringend notwendigen Gesetzesvorlagen.

Nächsten Montag berät die ständerätliche Wirtschaftskommission (WAK-S) über das Finanzdienstleistungs- und Finanzinstitutsgesetz. Widerstand gegen die beiden Gesetze kommt unter anderem vom Verband Schweizer Vermögensverwalter. Dieser befürchtet eine Überregulierung, die angeblich die Konsumenten in Form von weniger Auswahl an Finanzdienstleistern und Finanzprodukten treffen würden. Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), hält nichts von dieser These: „Im Vergleich zu den Anlegerschäden, welche die Finanzbranche aufgrund mangelnder Regulierung und Überwachung verursacht, sind die zusätzlichen Regulierungskosten verschwindend klein.“ Offenbar wird der Aspekt der Regulierungskosten bei den Vermögensverwaltern selber unterschiedlich beurteilt: Genfer Vermögensverwalter bezeichneten die Theorie, dass mit der geplanten Finanzregulierung ein „bürokratisches Monstrum“ entstehe schlicht als „absurd“.

Ein Blick auf die Botschaft zu den beiden Gesetzen, die nächste Woche von der WAK-S beraten werden, zeigt, dass eher eine Unter- als eine Überregulierung zu befürchten ist: Im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage wurden bereits diverse Anlegerschutz-Anliegen gestrichen. Unklar ist zudem, ob die EU die verbleibenden Regelungen als genügend erachten wird, um den Marktzugang für Schweizer Finanzdienstleister zu gewähren. Die SKS fordert deshalb, dass das Parlament den Anlegerschutz nicht noch weiter abbaut, sondern verbessert, zum Beispiel mit einem Verbot von Retrozessionen und der Einführung von Gruppenklagen.

Dass beim Anlegerschutz dringender Handlungsbedarf besteht, ist spätestens seit den Ereignissen rund um die Finanzkrise 2008 unbestritten. Damals verloren Schweizer Anleger wegen ungeeigneten Finanzprodukten und Falschberatungen Milliarden. Besonders in Erinnerung geblieben sind die Lehman-Brothers-Papiere, die damals von der Credit Suisse mit dem Vermerk „100% kapitalgeschützt“ verkauft wurden und trotzdem über Nacht praktisch wertlos wurden.

Auch beim Streit um Kommissionen (sogenannte Retrozessionen) verhalten sich Banken und Vermögensverwalter – mit wenigen Ausnahmen – kundenunfreundlich: Obwohl zwei Bundesgerichtsurteile klar festhalten, dass Retrozessionen (ohne rechtsgültigen Verzicht) den Anlegern gehören, weigern sich die meisten Finanzinstitute, diese vollumfänglich zurückzuerstatten.