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Kein lustiges Kindermarketing: 94 % der Produkte sind zu süss oder zu fettig

94 % der Produkte auf dem Schweizer Markt, die sich an Kinder richten, sind zu süss, zu salzig oder zu fettig. Sie dürften gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht beworben werden. Im Durchschnitt enthalten sie fast 33 Prozent Zucker. Das ist das schwer verdauliche Resultat einer Markterhebung der Konsumentenschutz-Organisationen Konsumentenschutz, FRC und ACSI. Sie fordern mehr Transparenz und eine Beschränkungen der Werbung.

Die drei Organisationen besuchten Aldi-, Coop-, Migros- und Lidl-Filialen und analysierten die Produkte, die sich mit ihrer Aufmachung speziell an Kinder richten: Snacks, Backwaren, Getränke, Milchprodukte oder Frühstücksflocken, welche mit Personen, Tier- und Fantasiefiguren die Kinder ansprechen. Insgesamt wurden 344 verschiedene Produkte geprüft, ob sie dem Nährwertprofil der WHO für ausgewogene Kinderlebensmittel entsprechen und gemäss WHO beworben werden dürften.

Das Resultat ist erschreckend: 94 % der Produkte enthalten zu viel Zucker, Salz und/oder Fett. Lediglich 20 Produkte erfüllen die WHO-Kriterien für ernährungsphysiologisch ausgewogene Lebensmittel. Besonders der hohe Zuckergehalt ist ein Problem: Im Durchschnitt enthalten die untersuchten Produkte fast einen Drittel Zucker.

Damit gefährdet die Lebensmittelindustrie die Gesundheit der jüngsten Konsumentinnen und Konsumenten. Anfang Mai 2022 zeigt ein Bericht der WHO auf, dass bei den 5- bis 9-jährigen Kindern in der Schweiz bereits 23 % von Übergewicht betroffen sind. Bei 10- bis 19-jährigen Jugendlichen sind es 21 % (europäische Region 30 %, bzw. 25 %). Noch nicht abgesicherte Daten weisen darauf hin, dass die zwei Jahre Pandemie sich bei Kindern und Jugendlichen nochmals negativ auf das Gewicht auswirken und die Zahlen zusätzlich steigen lassen. Die Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Kinder ist fatal. Zudem sind übergewichtige Kinder oft auch übergewichtige Erwachsene und erkranken vorzeitig an Diabetes und Herzkreislaufkrankheiten.

Pombär: Ein lustige Figur und erst noch ohne Zusatz- und Farbstoffe – so sollen Kinder und Eltern von ungesunden Produkten überzeugt werden.

Einschränkungen notwendig

Die Konsumentenschutz-Organisationen fordern deshalb, dass

  • Kinderbewerbung nur für Produkte erlaubt wird, welche den WHO-Richtlinien für ausgewogene Lebensmittel entsprechen
  • der Nutri-Score für alle «Kinderprodukte» obligatorisch wird (ausgenommen Produkte für Kinder bis 3 Jahren)
  • keine Gesundheitsauszeichnungen wie «ohne Konservierungsstoffe», «mit weniger Fett», «mit Vitaminen», etc. auf Produkten erlaubt werden, wenn sie nicht der WHO-Richtlinie für gesunde Lebensmittel entsprechen
  • in der nächsten Revision des Lebensmittelgesetzes vorgesehen wird, dass der Bundesrat die Kinderbewerbung bei Bedarf einschränken kann.
  • das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV von freiwilligen Massnahmen wegkommt und verbindliche Anstrengungen und Ziele von der Lebensmittelindustrie verlangt

«Eine wirksame Einschränkungen des Kindermarketings ist absolut notwendig», ist Sara Stalder, Geschäftsleiterin Konsumentenschutz, überzeugt. Sie fordert: «Wenn mit freiwilligen Massnamen faires Marketing und gesunde Produkte nicht erreicht werden, müssen verbindliche Massnahmen her».

Freiwilligkeit bringt zu wenig

Dass Freiwilligkeit nicht greift, zeigen die bisherigen Erfahrungen, die man mit nicht verpflichtenden Massnahmen gemacht hat: Weder der SwissPledge noch die freiwillige Zuckerreduktion gemäss der Erklärung von Mailand haben nennenswerte Resultate gebracht. Deshalb muss endlich Schluss sein mit leeren Versprechungen und ebenso leeren Kalorien für Kinder!

Hintergrundbericht

Verstoss gegen WHO-Richtlinien” (Tagesanzeiger vom 28.05.2022)