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Kritik am Bundesrat: Einlegerschutz allein genügt nicht!

Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) übt massive Kritik am Bundesrat. Dieser kümmere sich nicht um die Kleinanleger. «Der Bundesrat will nur gerade beim Einlegerschutz etwas tun. Das ist völlig ungenügend. Der Einlegerschutz kommt nämlich erst dann zum Zug, wenn der Schaden schon da ist – also zu spät», kritisiert Simonetta Sommaruga, Präsidentin der SKS.

Die SKS verlangt vom Bundesrat, dass er sich endlich um die KleinanlegerInnen kümmert. Mit ihrem 10-Punkte-Programm fordert die SKS Verbesserungen in der Beratung und mehr Transparenz. Die Banken und Vermögensverwalter sollen ihre Provisionen endlich offenlegen, um Interessenkonflikte zu verhindern. Und die KundInnen haben ein Anrecht auf eine umfassende und verständliche Information.

Seit Jahren verlangt die SKS, dass beim Kleingedruckten in Verträgen endlich für Ordnung gesorgt wird. Bereits 2002 hatte SKS-Präsidentin Sommaruga mit einer Initiative verlangt, dass für KonsumentInnen in der Schweiz gilt, was Konsumenten in Europa seit Jahren kennen: Missbräuchliche Vertragsklauseln sind nichtig1.

Die SKS verlangt ebenfalls, dass die Zeiten der «Selbstregulierung» im Finanzgeschäft vorbei sind. Zentrale Anliegen für Transparenz und Beratungsqualität wurden in den vergangenen Jahren in der Schweiz in Form von Rundschreiben, Richtlinien und Empfehlungen geregelt. Standesorganisationen gaben sich ihre eigenen Regeln und kaum jemand kümmerte sich darum, ob und wie diese durchgesetzt wurden. Die 3000 unabhängigen Vermögensverwalter unterstehen nicht einmal einer Aufsicht, obwohl sie 500 – 600 Milliarden Franken Vermögen verwalten.

Obwohl längst bekannt ist – und vom Bundesgericht 2006 bestätigt wurde –, dass Vertriebsvergütungen grundsätzlich dem Kunden gehören und dass es strenge Transparenzvorschriften braucht, damit Interessenskonflikte in der Beratung und Vermögensverwaltung verhindert werden können, ist der Bundesrat bis heute untätig geblieben. Die EBK stellt in ihrem kürzlich vorgelegten Diskussionspapier2 auch nur gerade einen «(beschränkten) Handlungsbedarf» fest und konkrete Regulierungsvorschläge fehlen weitgehend.  Mit einem «Rundschreiben» will die EBK vorerst bloss Verhaltensregeln vorschreiben. Diese sind wenig konkret und genügen den Anforderungen einer wirklichen Transparenz nicht.

Immerhin handelt es sich bei den Vertriebsvergütungen (Retrozessionen, Kickbacks) um Milliarden von Franken. Die EBK geht davon aus, dass allein im Bereich der Anlagefonds «konservativ geschätzt» die Hälfte des Ertrags der Fondsanbieter im Umfang von 6,2 Mrd. Franken als Vertriebsvergütungen an Vertriebspartner bezahlt werden. Solange diese Zahlungen nicht transparent gemacht werden, müssen AnlegerInnen befürchten, dass die Höhe der Vertriebsvergütungen in der Beratung eine – zu – grosse Rolle spielt, und dass Wahrung ihrer Interessen hinter jene der möglichen Vertriebsvergütungen gestellt wird.

Die EU kennt mit der Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) verbindliche Vorgaben in Bezug auf die Transparenz. Mit Informationspflichten und Vorschriften in Bezug auf Anreize sollen Interessenskonflikte vermieden werden. Der Bundesrat und eine Mehrheit des Ständerates haben sich im März 2008 dagegen gewehrt, analoge Regelungen in der Schweiz zu übernehmen, obwohl sämtliche Schweizer Finanzinstitute, die auf dem Europäischen Markt tätig sind, diese Richtlinien gegenüber den KundInnen in der EU schon heute einhalten müssen3.

Die 10 Forderungen der SKS für verbindliche Vorschriften im Banken- und Vermögensverwaltungsgeschäft:

Obligatorische Informationen:

1. Die Bank muss ihre Information der Geschäftserfahrenheit und den fachlichen Kenntnissen des Kunden anpassen.

2. Die Information muss von der Bank aktiv wahrgenommen werden.

3. Die Information muss rechtzeitig und vollständig vor der Ausführung der Aufträge erfolgen.

4. Die Bank muss dokumentieren, wie sie den Kunden informiert hat.

5. Im Schadenfall gilt die Beweislastumkehr: Die Bank muss beweisen, dass sie den Kunden umfassend informiert und auf die entsprechenden Risiken aufmerksam gemacht hat.

Transparenz verbessern:

6. Die Bank muss sämtliche Kosten für die Aufträge gegenüber dem Kunden offenlegen. Dazu gehören: Kommissionen, Provisionen (Kickbacks), Gebühren, Abgaben, Spesen etc.

7. Die Offenlegung muss vor der Auftragserteilung erfolgen.

8. Auf die Offenlegung kann nicht vertraglich verzichtet werden.

9. Die Europäische Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) muss – vor allem in Bezug auf die Transparenzvorschriften – auch für AnlegerInnen in der Schweiz gelten! Vertriebsvergütungen, Provisionen und Kickbacks gehören vor Vertragsabschluss umfassend offengelegt.

Schluss mit missbräuchlichen Klauseln im Kleingedruckten:

10.    Die Schweiz muss endlich für Ordnung sorgen beim Kleingedruckten. Die Europäischen Länder kennen seit über 10 Jahren Vorschriften gegen missbräuchliche Vertragsklauseln. Allgemeine Geschäftsbedingungen sollen von unabhängiger Stelle überprüft werden können (abstrakte Inhaltskontrolle). Missbräuchliche Vertragsklauseln sind für nichtig zu erklären.

Tipps der SKS für den Umgang mit Anlageberatern und Banken finden Sie hier.

Ihre Anliegen als Bankkundin oder Anlegen können Sie im Forum deponieren.

 

Fussnoten:

1 Parl. Initiative Sommaruga: AGB und missbräuchliche Vertragsklauseln; eingereicht am 14.10.2002; im NR abgelehnt. Erneute Parl. Initiative «Gegen missbräuchliche Klauseln im ,Kleingedruckten’»; eingereicht am 20.12.2006. Der entsprechende Vorstoss wurde in der vergangenen Session vom Büro des Nationalrates von der Traktandenliste gestrichen; damit verzögert sich die Behandlung des Geschäfts erneut.

2 Anreizsysteme und Interessenkonflikte beim Vertrieb von Finanzprodukten (EBK-Bericht «Vertriebsvergütungen»); Diskussionspapier der Eidg. Bankenkommission; August 2008

3 Motion Sommaruga: Europäische Finanzinstrumenten-Richtlinie und Anpassung in der Schweiz; eingereicht am 19.3.2008; vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen; im Ständerat abgelehnt am 28.5.2008