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Wesentliche Fortschritte im Anlegerschutz

Der Bundesrat hat heute das lange angekündigte Finanzdienstleistungsgesetz vorgestellt. Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) begrüsst, dass endlich gesetzliche Rahmenbedingungen für den Anlegerschutz geschaffen werden sollen. Es ist wichtig, dass es mehr Transparenz für die meisten Finanzprodukte geben wird, da ein vergleichbares Basisinformationsblatt mit den wichtigsten Kennzahlen erstellt werden muss.

Ebenfalls vorgesehen sind Mittel zur verbesserten Rechtsdurchsetzung, beispielsweise mit der Einführung von Verbandsklage und Gruppenvergleichsverfahren. Leider bleibt der Bundesrat vage und schlägt zwei zusätzliche Massnahmen als Varianten vor: ein Schiedsgericht oder ein Prozesskostenfonds. Die SKS bedauert, dass die vorgeschlagene Lösung der Rechtsdurchsetzung zu wenig weit geht, befürwortet aber generell die eingeschlagene Richtung des Gesetzes. Im zukünftigen Gesetzgebungsprozess setzt sich die SKS dafür ein, dass eine griffige Lösung die Stellung der Anleger in unserem Land verbessert und dass das Verfahren nicht verzögert wird.

Bei der Pleite von Lehman Brothers im Herbst 2008 haben viele Schweizer Anleger viel Geld verloren. Die SKS hat seither für eine gesetzliche Grundlage zum Schutz der Kleinanleger gekämpft. Rund sechs Jahre später liegt nun ein Entwurf eines neuen Finanzdienstleistungsgesetzes vor, das die wichtigsten Missstände beim Anlegerschutz beseitigen soll. Aus Sicht der SKS sind vor allem diese drei Punkte des Gesetzes für die Anleger relevant:

  • Standardisierte Dokumentationspflicht:

Für Finanzprodukte wie Fonds, Derivate, strukturierte Produkte oder rückkauffähige Lebensversicherungen (nicht jedoch für Aktien) muss ein Basisinformationsblatt erstellt werden, mit dem sich Privatkunden zum Beispiel über die Kosten sowie das Risiko- und Renditeprofil eines Finanzproduktes informieren können. Die Vorschriften für die Ausgestaltung des Basisinformationsblattes erlässt der Bund. Damit erhöht sich die Vergleichbarkeit von Finanzprodukten für die Kunden. Die SKS wird sich dafür einsetzen, dass dieses Basisinformationsblatt einheitlich ausgestaltet ist und zwingend an die Kunden abgegeben werden muss. Im jetzigen Gesetzesentwurf ist lediglich vorgesehen, dass das Basisinformationsblatt „kostenlos zur Verfügung“ zu stellen ist.

  • Verhalten der Finanzdienstleister:

Positiv zu werten ist, dass Vermögensverwalter und Anlageberater künftig die Gründe für jede Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzprodukten schriftlich festhalten müssen.

Zusätzlich sieht das neue Finanzdienstleistungsgesetz je nach Finanzdienstleistung eine Eignungsprüfung, bzw. Eignungs- und Angemessenheitsprüfung vor. Allerdings sind die entsprechenden Artikel 10 und 11 derart allgemein formuliert, dass sie in der Praxis kaum Relevanz haben werden. Die SKS wird sich für dafür einsetzen, dass die Eignungs- und Angemessenheitsprüfungen nach verbindlichen, konkreten Standards durchgeführt und protokolliert werden müssen und dass diese Regel nicht umgangen werden kann („Opting-out“).

  • Gerichtsverfahren:

Das Finanzdienstleistungsgesetz sieht mehrere Verbesserungen – auch als Varianten – vor, wie geschädigte Anleger ihre Ansprüche durchsetzen können:

-Schiedsgericht oder Prozesskostenfonds

Der Bundesrat schlägt die Einführung eines Schiedsgerichts vor, das bei Klagen im Finanzdienstleistungsbereich abschliessend entscheiden kann. Damit würden Klagen voraussichtlich schneller behandelt werden. Mit der jetzigen Gesetzgebung riskiert ein Kläger, dass die Gegenpartei bis vor Bundesgericht geht. Alternativ soll ein Prozesskostenfonds Gerichtsverfahren ermöglichen.

Die SKS wird sich dafür einsetzen, dass beide Instrumente zur Verfügung stehen, damit es für Kleinanleger realistisch wird, in kurzer Zeit mit kleinem finanziellen Aufwand gegen ein Finanzinstitut vorzugehen.

-Verbandsklage und Gruppenvergleichsverfahren

Das Finanzdienstleistungsgesetz sieht vor, dass Konsumentenorganisationen wie zum Beispiel die SKS klageberechtigt sind, wenn Finanzdienstleister die Pflichten gegenüber ihren Kunden verletzen. Ausserdem kann ein Gericht einen Vergleich einer solchen Organisation mit einem Finanzdienstleister für eine Gruppe von Klägern für allgemein verbindlich erklären. Nicht möglich sind jedoch Gruppenklagen, bei denen sich die Anleger selbständig zusammenschliessen, obwohl sowohl der National- als auch Ständerat einen entsprechenden Vorstoss von SKS-Präsidentin Prisca Birrer-Heimo gutgeheissen hat.

Prisca Birrer-Heimo begrüsst grundsätzlich das heute vorgestellte Gesetz: „Die Vorlage des Bundesrates enthält einige wesentliche Verbesserungen im Anlegerschutz, die die SKS immer wieder gefordert hat. Zentral für mich ist eine verbesserte Aufklärung der Kunden über Risiken und Kosten von Finanzprodukten. Wichtig ist auch, dass bei einem Gerichtsverfahren die Bankkunden nicht von hohen Anwalts- und Gerichtskosten abgeschreckt werden und so auf eine berechtigte Klage von vornherein verzichten. Wie dieses Problem wirksam gelöst werden kann, ist noch offen.“

Im zukünftigen Gesetzgebungsprozess setzt sich die SKS dafür ein, dass ein griffiges und praktikables Gesetz die Stellung der Anleger in unserem Land verbessert und dass das Verfahren von den Finanzinstituten nicht verzögert wird.