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ÖV-Tickets: Zugang ohne Handy muss möglich bleiben

Inzwischen kaufen über 50% der Reisenden ihr Ticket per App. Dies ist für viele bequem, doch wird selten über die Nachteile gesprochen: Nicht nur ist der Zugang zum öV und die Privatsphäre gefährdet, sondern längerfristig auch nachvollziehbare Preise.

Der Konsumentenschutz setzt sich seit jeher für Nachhaltigkeit ein. Dazu gehört auch eine umweltfreundliche Mobilität mit dem öffentlichen Verkehr. In den letzten Jahren hat eine Entwicklung eingesetzt, welche nicht dazu führen darf, dass der Zugang zum öV eingeschränkt wird.

Ticketkauf hat sich verändert

Das Smartphone ist inzwischen ein fester Bestandteil unseres Lebens geworden: Wir telefonieren, schicken Nachrichten, lesen, fotografieren und kaufen damit auch das Billett für den Zug oder den Bus. Dies revolutioniert den Ticketverkauf. Viele Schalter in den Bahnhöfen sind geschlossen worden, auch die Tage der Ticketautomaten sind gezählt.

Wer kann ein Billett lösen?

Das hat jedoch Konsequenzen für all jene Konsumentinnen und Konsumenten, welche ihr Billett nicht über das Handy lösen können oder wollen. Besitzt man kein Smartphone oder hat Mühe damit umzugehen, wird es schwierig mit dem Ticketkauf. Das bekommen nicht nur Kinder und Senioren zu spüren, sondern auch Armutsbetroffene, Personen mit kognitiven Einschränkungen oder Menschen ohne geregelten Wohnsitz. Ebenfalls ausschliessend wirken die Zahlungsmethoden: Wer nicht eine Kreditkarte hat oder beim Zahlungsdienstleister wegen Schulden gesperrt ist, kann  in Zukunft keine Billette mehr kaufen. Dies zeigt: Es ist notwendig, den Zugang zum öV für alle zu verteidigen.

Gleiche Behandlung und Preistransparenz auf der Kippe

Ist das Handy erst einmal der wichtigste Vertriebskanal, werden darüber hinaus individualisierte und damit dynamische Preise umsetzbar. Vorbei sind die Zeiten, in denen man wusste, dass der Sitznachbar den gleichen Preis wie man selbst zahlte. Stattdessen heisst es in Zukunft: Je nachdem, wie oft man eine bestimmte Strecke bereits gefahren ist, bei welchem «Bonus-Programm» man Mitglied ist oder sogar, ob man zu Pendelzeiten fährt oder nicht, zahlt man einen anderen Preis. Dass dieser zukünftig erst nach der Reise «Post-pay» bezahlt werden muss, ist der Preistransparenz nicht dienlich. Die öV-Branche ist gefordert, den Reisenden gleiche und transparente Preise anzubieten.

Big SBB is watching you

Die Digitalisierung führt ebenfalls dazu, dass die Konsumentinnen potentiell immer «getrackt» werden, es wird also aufgezeichnet, wo sie sich befinden. Diese Funktion machen sich die SBB und Co. zunutze und generieren neben dem Billettpreis auch gleich unzählige sensible persönliche Daten von Reisenden. Dadurch besteht nicht nur ein hohes Risiko für einen Eingriff in die Privatsphäre, sondern auch eine mögliche ungerechtfertigte Bereicherung Dritter. Als Service Public muss der öV aber möglichst datensparsam bleiben, anonymes Reisen ermöglichen und darf Fahrgastdaten nicht kommerzialisieren. Das wird eine wichtige Aufgabe des Konsumentenschutzes in den nächsten Jahren sein.