«Stell dir vor, es würde wirklich funktionieren» – eine Gruppierung verspricht ein Luxusleben dank Online Trading

Über die sozialen Medien wird jungen Leuten das grosse Geld versprochen – auch in der Schweiz. Dahinter steckt ein fragwürdiges Geschäftsmodell.

Christopher Gilb
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Autos, Ferien, Schmuck, einen Haufen Geld – ein fragwürdiges Geschäftsmodell lockt junge Menschen mit dem Versprechen eines Lebens in Saus und Braus.

Autos, Ferien, Schmuck, einen Haufen Geld – ein fragwürdiges Geschäftsmodell lockt junge Menschen mit dem Versprechen eines Lebens in Saus und Braus.

Sie sind jung, sie sind attraktiv und sie geniessen das Leben in vollen Zügen: wunderschöne Strände, rauschende Partys, schnelle Autos. So präsentieren sich die stets gutgelaunten deutschsprachigen Vertreter der sogenannten IBA, was für International Building Academy steht, in den sozialen Medien. Ein Paar etwa erzählt davon, dass man alles schaffen kann, was man sich vornimmt, und wie sie selbst vor einigen Jahren in der Monotonie ihres Lebens gefangen waren, sich dann aber fragten, warum es Leute gibt, die irgendwo im Plattenbau leben und von 1200 Euro drei Kinder ernähren müssen. Und dann gebe es wiederum Leute, «die Partys auf Jachten feiern und ihr Boot im Boot parken». Aber in einem Angestelltenverhältnis sei eben noch niemand reich geworden. Die IBA-Vertreter hingegen haben ihren eigenen Aussagen zufolge den Schlüssel zum Erfolg gefunden.

Nun wollen sie Interessierte daran teilhaben lassen – und zwar mit Online-Forex-Trading, also digitalem Devisenhandel. Vereinfacht gesagt geht es um An- und Verkauf von Währungen. Dafür empfehlen sie erst einmal verschiedene Ausbildungspakete, das umfassendste kostet gut 1500 Dollar. Richtige Profis würden in diesen Kursen den Interessierten beibringen, wie das Traden funktioniert, versprechen sie. Denn wer wirklich etwas verändern wolle, solle auch gross starten, dafür sehen sich die IBA-Vertreter als bestes Beispiel. Der spätere Monatsbeitrag wird dann mit rund 200 Euro veranschlagt.

«Am Ende des Tunnels bereuen wir nur die Chance, die wir nicht genutzt haben», steht beispielsweise gross auf einem Bild mit einem blauen Lamborghini im Hintergrund. Dieses Motto wird auch im untenstehenden Image-Film verbreitet:

Videos wie dieses und entsprechende Posts in den sozialen Medien kursieren seit kurzem auch unter jungen Leuten in der Schweiz und haben, wie unsere Zeitung weiss, etliche überzeugt, mitzumachen. Sie haben investiert und hoffen darauf, viel Geld zu verdienen.

Online-Marketing oder Betrug?

Nach einer Einschätzung eines Spezialisten bei der Polizei handelt es sich bei der IBA wohl um ein sogenanntes Multilevel-Marketing-System (MLM-System) im Auftrag von Online-Trading-Anbietern. Wie kürzlich der deutsche Sender ARD berichtete, werden nicht mehr nur Dinge wie Nahrungsergänzungsmittel oder Tupperware, sondern neuerdings auch hochriskante Währungsspekulationen mit solchen Provisionssystemen beworben. Dahinter stecke ein Netzwerk von US-Firmen.

Finanzexperte Markus Miller

Finanzexperte Markus Miller

Bild: PD

«Solche Trading-Anbieter sind sozusagen das Betriebssystem, das von deutschsprachigen MLM-Leuten vor Ort vertrieben wird», weiss der deutsche Finanzexperte Markus Miller, der sich schon länger mit Vertriebssystemen im Crypto- und Tradingbereich auseinandersetzt und regelmässig für die Branchenzeitung «Network-Karriere» über schwarze Schafe der Branche schreibt. Die Werbestrategie ist gemäss Miller immer die gleiche:

«Das System hält uns alle klein, mit diesem Produkt können wir nun aber alle reich werden.»

Der Clou sei schon einmal, dass die IBA keine Finanzprodukte, sondern Finanzschulungen – wohl mit späterem Zugang zum Finanzprodukt – anbiete. «Würde sie nämlich direkt Produkte anbieten, käme wohl schnell die Finanzmarktaufsicht Finma auf sie zu, da dann eine Lizenz nötig wäre.» Der Übergang von solchen MLM-Systemen zu den Schneeball- oder Pyramidensystemen, die laut Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) widerrechtlich sind, kann fliessend sein. Für ein illegales Verkaufssystem würde sprechen, dass Vertriebspartner den finanziellen Vorteil in erster Linie darin sehen, weitere Personen anzuwerben, statt im Vertrieb der Produkte. Experte Miller sagt:

«Oftmals handelt es sich um Umverteilungssysteme und bei den gezeigten Kursgewinnen nur um Simulationen auf einer Demoversion.»

Und er ergänzt: «Ob die Trading-Software überhaupt funktioniert, ist also dahingestellt.» Geld werde durch die Einzahlungen neuer Kunden erwirtschaftet. «Und diese merken ja oft erst, ob sie etwas verdient haben, wenn sie sich das Geld auszahlen lassen wollen.» Was aber nur so lange funktioniere, wie nicht zu viele Teilnehmer im System sind, gibt er zu bedenken. Und selbst dann würden nur jene oben in der Pyramide etwas verdienen.

«Stell dir vor, das Ganze würde tatsächlich funktionieren, wem würdest du als Erstes davon erzählen?» So wird man in einer der Online-Präsentationen der Trading-Freunde dazu animiert, Neumitglieder anzuwerben – natürlich nur optional: Dann werden die verschiedenen Ränge oder Vergütungsklassen vorgestellt. Sie reichen von «Influencer» bis «Crown Legend». Auf ihren Facebook-Seiten gratulieren sich die IBA-Exponenten jeweils gegenseitig zum Erreichen eines neuen Rangs.

Nur ein Gericht kann beurteilen, ob ein Schneeballsystem vorliegt

Das für die Einhaltung des UWG zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) rät potenziellen Teilnehmern generell, bei solchen Geschäftsmodellen sehr vorsichtig zu sein. Das Seco bestätigt, dass bereits verschiedentlich Meldungen zu angeblichen Trading-Apps, welche als Schneeballsystem aufgebaut und vornehmlich an ein jüngeres Publikum gerichtet seien, eingegangen seien. Da es sich dabei aber um ein neueres Phänomen handle, könnten keine verlässlichen Angaben gemacht werden, ob es eine Zunahme von derartigen Fällen gebe. Ob beim vorliegenden Fall ein unlauteres Schneeballsystem vorliege, könne letztlich zudem nur ein Gericht beurteilen, schreibt das Seco.

Gerne hätte unsere Zeitung von der IBA gewusst, ob sie mit dem beworbenen Trading wirklich reich geworden sind oder ihr Geld viel eher durch das Akquirieren neuer Mitglieder verdienen. Denn würde ein Anbieter bewusst falsche Angaben über die Eigenschaften und Funktionsweisen seines Produkts machen, dürfte es sich gemäss Seco um täuschende beziehungsweise irreführende Angaben im Sinne des UWG handeln. Die junge Frau aus Süddeutschland, die im Impressum als Ansprechperson genannt wird und sich gemeinsam mit ihrem Freund als Vorzeigepaar der Szene präsentiert, lehnt ein Gespräch jedoch ab. Man wolle keinen Kontakt zu Medien.

Schwindelerregende Renditen locken Zocker an

Aber selbst wenn die Trading-Software dahinter funktioniere, so Experte Miller: «Wie sollen Renditen von 5 bis 10 Prozent im Tiefzinsumfeld denn verdient werden?» Als er erfährt, dass den Interessierten nach dem Besuch der entsprechenden Kurse mit einem Startkapital von 100 Euro im dritten Jahr dank des sogenannten «Zinseszinses» bereits eine monatliche Auszahlung von 5000 Euro in Aussicht gestellt wird, muss er grinsen.

«Jemand, der so ein System hat, würde es nicht teilen, sondern im Geheimen nutzen. Denn je mehr Teilnehmer es gibt, desto weniger gibt es zu verteilen.»
Maurice Pedergnana, Bankenprofessor an der Hochschule Luzern

Maurice Pedergnana, Bankenprofessor an der Hochschule Luzern

Bild: Dominik Wunderli

Ähnlich sieht es auch Maurice Pedergnana, Bankenprofessor an der Hochschule Luzern. «Der Nachweis, dass im Devisenhandel permanent Geld verdient werden kann, ist noch nie erbracht worden», sagt er.

Häufig werde mit einem Hebeleffekt gehandelt. Wer eine Million Dollar kaufe, benötigt dafür nur einen Bruchteil, vielleicht 20000 Franken. «Wenn der Dollar-Kurs um ein Prozent steigt, sorgt das für schwindelerregende Renditen auf dem eingesetzten Kapital. Das lockt die Zocker – seit eh und je», so Pedergnana. Aber der Dollar-Kurs könne natürlich ebenso gut fallen, gibt er zu bedenken. Erfahrungsgemäss hätten Online-Trader deshalb in den ersten sechs Monaten ihr Vermögen verspielt. «Das ist wie im Casino: Der Einzige, der mit Sicherheit Geld verdient, ist der Anbieter.»